Kapitel 14 ~ Glühwürmchen


„Okay, hmm, wo soll ich anfangen?" Ich dachte angestrengt nach, wie ich Niklas am besten die verquere Situation in meiner Familie erklären könnte.

„Ich denke als Erstes solltest du wissen, das so lange ich denken kann, mein Vater nie länger als einen Monat zu Hause war. Aber das war eigentlich auch nie ein Problem für mich", fügte ich hinzu. Niklas nickte nur und ließ mich weiter erzählen.

„...und auch nicht für meine Mum. Zumindest dachte ich das, weil meine Eltern eigentlich immer glücklich zusammen waren", fügte ich seufzend hinzu.

„Ich hatte eigentlich nie das Gefühl, dass sie sich nicht liebten." Dabei dachte ich angestrengt nach und konnte mich tatsächlich an keinen Moment erinnern, in den ich so gefühlt hätte.

„Naja, du weißt ja mein Vater ist ein Umweltaktivist. Er macht all diese coolen Sachen, wie Tiere aus Öllachen im Ozean retten, Demonstrationen gegen Atomkraftwerke, die Abholzung des Regenwaldes stoppen... Ich war eigentlich immer ziemlich stolz auf ihn. Aber er kann das halt nicht machen, ohne ständig unterwegs zu sein", erzählte ich stolz. Niklas war ein guter Zuhörer. Er unterbrach mich nicht und ich hatte auch nicht das Gefühl gedrängt zu werden.

„Aber dieses Wochenende hat mir meine Mum plötzlich erzählt, dass sie so nicht weitermachen will. Sie möchte, dass er bei uns bleibt." Erschöpft rieb ich mir die Schläfen.

„Aber er wird nicht bleiben. Du kannst einem Adler nicht die Flügel stutzen und erwarten, dass er glücklich bis an sein Lebensende wird. Das ist einfach nicht möglich." Ich seufzte. Mein Vater würde nicht bei uns bleiben, das war mir klar und es machte mich unendlich traurig. Nicht, die Tatsache, dass er nicht bei uns bleiben konnte, sondern vielmehr, dass nicht einfach alles so bleiben konnte, wie es gewesen war. Ich hatte mein Leben geliebt, so wie es war. Für mich war es nicht schlimm gewesen meinen Vater nur ab und zu zu sehen, solange ich ihn nun mal überhaupt sehen konnte. Aber nun würde er vermutlich aus meinem Leben verschwinden.

„Aber deine Eltern lieben sich noch, richtig?", warf Niklas plötzlich ein und sah mich fragend an.

„Ja, ich denke schon, aber was soll das nützen?" Entmutigt blickte ich in Niklas blaue Augen, die mich verständnislos musterten.

„Was das nützen soll?" Entgeistert sah mich Niklas an. „Na, das nützt alles. Liebe ist doch am Wichtigsten. Wenn sie sich immer noch lieben, werden sie einen Weg finden", meinte Niklas mit fester Überzeugung. Unwillkürlich musste ich kichern.

„Ich hatte nicht erwartet, dass du so ein Romantiker bist."

„Da ist einiges, was du nicht über mich weißt." Niklas zog seine Schultern hoch und warf mir dann einen verschmitzten Blick zu.

„Ja, scheinbar", sagte ich und lächelte ihm schüchtern zu. Oh mein Gott, was tat ich hier? Flirtete ich mit Niklas? Ich hatte doch einen Freund! Oder nicht?

„Aber um fair zu sein: Du hast mir auch nicht viele Möglichkeiten gegeben dich kennenzulernen", fügte ich hinzu und verschränkte meine Arme. Ja, ich flirtete definitiv und ich sollte dringend damit aufhören.

Leider machte es zu viel Spaß.

Niklas seufzte.

„Ja, da hast du Recht. Es tut mir leid", gab er zu und kratzte sich schüchtern am Kopf.

„Du brauchst dich nicht entschuldigen. Immerhin weiß ich jetzt den Grund. Ich dachte die ganze Zeit du findest mich hässlich", schloss ich nachdenklich. Niklas Augen weiteten sich in entsetzten.

„Wie konntest du sowas denken?" Er sah mich empört und leicht schockiert an. Dann wurde er plötzlich unsicher.

„Jeder findet dich doch wunderschön", flüsterte Niklas, sodass ich es kaum hören konnte und sah mich verschämt an. Dann riss er seinen Blick schnell von mir los und sah unsicher zu Boden.

Was?" Hatte er das gerade wirklich gesagt? Niklas, der Junge, auf den ich schon so lange stand, fand mich wunderschön? Vor Überraschung und ganz allgemein, weil die Situation irgendwie so surreal war, fing ich an leicht zu zittern.

„Ich mein selbst Jonas macht einen Idioten aus sich selbst, nur um dich zu bekommen", erklärte mir Niklas und sah dabei aus dem Fenster. Es hatte ihn sichtlich Überwindung gekostet mir das zu erzählen und er konnte mir nicht in die Augen blicken. Ich fühlte mich plötzlich ganz merkwürdig. Meinte er das ernst?

„Ich meine nicht, dass er dich verdient hätte", schob Niklas jetzt eilig nach und hob seinen Blick kurz in meine Richtung, ehe er wieder eilig wegsah.

„Aber du tust das?" Ich verschränkte meine Arme und sah ihn herausfordernd an. Niklas seufzte traurig.

„Nein, ich bin wohl der letzte der dich verdient", sagte Niklas und kratzte sich unsicher am Kopf. Ich musste irgendwie kichern, das hörte sich ja so an, als wäre ich super besonders, was ich ganz sicherlich nicht war. Niklas stimmte in mein Kichern mit ein.

„Aber das heißt ja nicht, dass ich es nicht versuchen kann." Niklas zwinkerte mir zu. So kannte ich ihn ja gar nicht. Meine Hände wurden ganz schwitzig. Niklas beobachte mich genau.

„Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, aber ich bin nicht der gute Junge in dieser Geschichte."

„Wer ist das schon? Ich bin auch nicht das gute Mädchen", sagte ich schuldbewusst und sah ihn durchdringend an, bis er seinen Blick schüchtern abwendete.

„Gut zu wissen", murmelte Niklas und fuhr sich verschämt durch seine Haare.

„Hättest du Lust ein bisschen Musik zu hören?", fragte er dann, um uns aus dieser peinlichen Situation zu manövrieren.

„Klar, das wäre super." Ich nickte begeistert.

Niklas schaltete seine Stereoanlage an und ich begann mich zu ersten Mal, seit meine Mutter mir erzählt hatte, dass mein Vater nach Hause kommen würde, wieder zu entspannen. Es war ein gutes Gefühl, dass Niklas mich verstand, dass er durch das gleiche Schlamassel gegangen war. Und ich fühlte mich in diesem Moment sicher, so als wären alle meine Probleme weit weg. Was sie natürlich nicht waren. Aber es tat trotzdem gut für einen Moment so zu tun.

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„Kath?"

„Kath, wach auf." Von weit weg drang Niklas Stimme in mein Bewusstsein. Ich begann mir die Augen zu reiben. Wo war ich? Mein linker Arm schmerzte und war irgendwie taub. Verschlafen öffnete ich meine Augen. Niklas grinste mich an.

„Was ist los?", fragte ich verwirrt. Durch Niklas großes Fenster warfen die Sterne ein diffuses Licht auf sein Gesicht.

Moment die Sterne?

Ich rieb mir nochmal die Augen und tatsächlich war es stockdunkel draußen.

„Ich würde dir gerne was zeigen", meinte Niklas aufgeregt und kletterte schwungvoll von seinem Bett. Ich blickte ihn verwirrt an.

„Na los komm", meinte er und sah mich auffordernd an. Ich stand schwerfällig auf. Meine Straßenklamotten klebten an mir und ich fühlte mich noch total schlaftrunken und schummerig. Auch Niklas hatte scheinbar in seinen Klamotten geschlafen. Er kicherte, als ich fast aus seinem Bett fiel.

„Los komm schon. Es wird dir gefallen", meinte er und sah mich verschwörerisch an.

Völlig verwirrt torkelte ich ihn hinterher die Treppe runter. Wie konnte man nur so wach sein, nachdem man mitten in der Nacht aufgewacht war? Obwohl die eigentliche Frage wohl lautete, wie wir überhaupt hatten einschlafen können. Das ganze wollte in meinem Kopf noch wenig Sinn ergeben, als Niklas mich auch schon an der Hand fasste und mich hinter sich her aus der Haustür in den Garten zog. Mich fröstele sofort, dabei war es eigentlich eine warme Sommernacht.

Aber wie gesagt, ich war noch halb am Schlafen.

Niklas zog mich weiter an der Hand, mitten in den Garten. Wir blieben zwischen hohem Gras umringt von Heidelbeersträuchern stehen.

„Umwerfend was?", fragte Niklas ehrfürchtig und ließ seinen Blick umherschweifen. Und da sah ich sie auch. 1000 kleine Glühwürmchen schwirrten um uns herum. Ich hatte noch nie welche gesehen und ebenso geistreich war meine Reaktion.

„Sind das Glühwürmchen?", begeistert schlug ich meine Hand vor meinen Mund. Niklas nickte nur und lächelte.

„Die sind wunderschön." Ich war ganz aus dem Häuschen. Aber wer konnte es mir verübeln? Ich sah, wie gesagt, zum ersten Mal Glühwürmchen und das überwältigte mich gerade. Niklas betrachtete mich schmunzelnd und warf mir einen durchdringenden Blick zu. Dann legte er sich einfach plötzlich ins Gras.

„Magst du dich zu mir legen? Meine romantische Ader geht grade mit mir durch", meinte Niklas und ich kicherte.

„Naja, du hast mich, aber nur, weil ich immer noch im Halbschlaf bin", sagte ich und ging neben ihm im Gras in die Hocke. Das Gras kratzte ein bisschen, als ich mich dicht neben Niklas auf den Boden legte aber es störte mich nicht wirklich.

„Die sind wirklich umwerfend", flüsterte ich und schaute begeistert nach oben.

„Ein bisschen kitschig das alles, aber trotzdem wunderschön", fügte ich nüchtern hinzu.

„Tja, was soll ich machen. Manchmal mag ich es ein bisschen kitschig", sagte Niklas schlicht und zuckte mit den Schultern. Ich kicherte und legte meinen Kopf auf seine Schulter.


Tut mir leid, wenn das Kapitel ein bisschen kitschig war. Aber was soll ich sagen: Ich mag es nun mal auch manchmal ein bisschen kitschig. lol

Also sorry but not sorry :)

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