Alea
Ich wachte noch vor meinem Wecker auf und mein Körper kribbelte vor Aufregung. Heute war mein erster Tag. Auch wenn die Vorlesungen morgen erst starteten, gab es heute eine Veranstaltung für die Erstis.
Ich blickte zu Josie, sie saß im Schneidersitz auf ihrem Bett und strahlte mich an.
»Guten Morgen! Heute geht es endlich los, kannst du das glauben?«
Sie war ein Sonnenschein und ihre Freude war ansteckend, auch wenn ganz tief in mir Zweifel und Ängste aufkommen wollten. Doch ich ließ diesen keinen Raum.
Ich würde jetzt keinen Rückzieher machen.
Ich sprang von Bett und zeigte Josie meine zitternden Hände.
»Mir gehts ja genauso.«, sagte diese, sprang auf und hüpfte wie ein Flummi auf und ab.
Ich lachte. »Mensch Josie, du machst das ganze echt noch viel schlimmer.«
Ich las ein paar Nachrichten auf meinem Handy. Einige Leute wünschten mir viel Spaß an meinem ersten Tag.
Anschließend ging ich duschen und machte mich fertig.
Als ich schließlich gemeinsam mit Josie mein Zimmer verlassen wollte, stolperte ich beinahe über etwas.
»Was ist los?«, fragte Josie und blickte über meine Schulter.
Auf dem Boden stand ein Kaffeebecher. Ich nahm ihn und schnupperte daran. Mir stieg ein himmlischer Duft von Vanille entgegen.
Dann bemerkte ich, dass in Kulli etwas auf den Becher geschrieben war.
Cappuccino mit ordentlich Vanillesirup. Viel Spaß heute.
- S
»Omg ist das von unserem heißen Nachbarn?«, rief Josie so laut, das es vermutlich das ganze Wohnheim gehört hat.
»Psht...«, zichte ich. Konnte mir aber ein kleines Lächeln nicht verkneifen, als ich einen Schluck von dem Kaffee nahm. Er war noch schön warm, Sean musste also gewusst haben, wann ich das Zimmer verlassen würde. Wobei das auch kein Hexenwerk war, da er vermutlich wusste, wann die Veranstaltung startete.
»Das ist ja so süß«, Josies Blick wurde verträumt. »Du musst ihn heiraten.«
»Josie, nun aber mal halblang. Ich kenne ihn doch gar nicht.«, ich verdrehte die Augen
»Nichts, was man nicht ändern könnte.«, sie zwinkerte mir zu.
»Er hat eine Freundin.«
»Ebenfalls nichts, was man nicht ändern könnte.«
Ich hatte die Befürchtung, dass Josies Augen zu Herzchen mutieren könnten, wenn ich dieses Gespräch nicht schnell beendete, also zog ich sie am Arm in den Flur.
»Wie dem auch sei, wir müssen jetzt zur Veranstaltung.«, ich lief schnellen Schrittes den Flur entlang und zog Josie dabei wie ein kleines Kind hinterher.
»Mensch Alea, etwas langsamer bitte. Du hast meterhohe Beine. Ich bin nicht so schnell wie du.«, nörgelte Josie.
♡ ♡ ♡
Als wir den Veranstaltungsraum betraten, waren schon einige Studenten da. Diese saßen in kleinen Grüppchen in den Stuhlreihen und unterhielten sich aufgeregt.
Ich blickte mich nach zwei guten Plätzen für Josie und mich um und wir entschieden uns schließlich für zwei Plätze in der Mitte, wo wir zwar gut sehen konnten, allerdings nicht direkt vor der provisorischen Bühne saßen.
Nach und nach füllte sich der Raum, bis nur noch ein paar Plätze übrig waren.
Schließlich betrat eine blonde Frau die Bühne.
»Guten Morgen alle zusammen. Ich bin Prof. Dr. Friederike Lange, die Leiterin der Manibell Universität und heiße Sie herzlich Willkommen...«
Sie erzählte etwas über die Gründung der Uni und über die kleine Stadt selbst, gab Einblicke in die einzelnen Fakultäten und Departements und stellte uns einige Professoren und Dozenten vor.
»In den nächsten Stunden werden Sie in Gruppen aufgeteilt und wir veranstalten eine Schnitzeljagd. So haben Sie die Möglichkeit sich und die Universität besser kennenzulernen. Als Betreuer für die einzelnen Gruppen haben sich einige Studierende der Universität bereiterklärt. Bitte stellen Sie sich zu diesen, wenn Ihr Name aufgerufen wird. «
Nach und nach bat sie die Gruppenbetreuer zu sich und teilte ihnen Studenten zu.
Als sie den nächsten Betreuer auf die Bühne bat, setzte mein Herz einen Schlag aus. Ich umklammerte meinen Kaffeebecher und starrte auf die Bühne.
»Der nächste Betreuer ist Herr Harrington...«, mehr bekam ich nicht mehr mit, ich saß lediglich auf meinem Stuhl und hoffte, dass sie nicht meinen Namen aufrufen würde. Vorsichtig schaute ich mich um, es waren nicht mehr viele Studenten da und auch nicht mehr viele Betreuer saßen in der ersten Reihe.
Plötzlich tippte mich Josie neben mir an. Fragend schaute ich sie an.
»Du wurdest aufgerufen«, nuschelte sie und ihre Mundwinkel zuckten leicht.
»Alea Seidel«, wiederholte die Leiterin und blickte sich fragend im Raum um. Schnell sprang ich auf und lief auf wackelnden Beinen in Richtung Bühne.
Seans Blick traf meinen und seine Augen raubten mir den Atem. Dann fiel sein Blick auf den Becher in meiner Hand und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Fast vergaß ich weiter zu laufen, doch ich fing mich wieder.
Ein Schritt nach dem anderen, ermahnte ich mich.
Ich stellte mich zu den anderen und hoffte inständig, dass auch Josie aufgerufen wurde, damit ich nicht so alleine mit Sean war.
Natürlich passierte das nicht. Warum auch?
Als die Gruppe komplett war, verließen wir den Raum.
Dabei rückte Sean näher an mich.
»Ich hoffe er schmeckt. Ich habe den Barista gebeten, möglichst viel Vanillesirup rein zu tun.«, raunte er und deutete auf meinen Kaffee.
»Ehm... Ja... Danke.«, stammelte ich. »Woher wusstest du...?«
Er grinste. »Mein Shirt roch unverwechselbar nach Vanillebonbon.«
Ich formte ein lautloses »Oh« und wurde rot.
Als er meine Verlegenheit bemerkte setzte er schnell an. »Keine Sorge. Irgendwie hat so ein Vanille-Mocca Duft etwas. Könnte von IKEA in ihre Duftkerzen Kollektion aufgenommen werden.«
Ich lachte leise. »Vermutlich haben die das bereits im Sortiment.«
»Dann sollte ich da vielleicht mal hin.«, er zwinkerte mir zu.
Flirtete er etwa mit mir?
Draußen angekommen erklärte Sean die Regeln der Schnitzeljagd.
Neben mich stellte sich ein rothaariger junger Mann mit Sommersprossen. Er stand ein wenig zu dicht neben mir, also rückte ich unauffällig ein Stück ab.
»Hi, ich bin Jakob und du?«, raunte dieser mir zu.
»Alea«, murmelte ich und versuchte dabei Seans Worten zu folgen.
»Schöner Name. Was studierst du?«
»Journalismus«, antwortete ich knapp.
Er lächelte. »Cool, ich auch. Ich will später im Fernsehen arbeiten.«
Sean bemerkte unseren Wortaustausch und unterbrach seine Erzählung. Er schaute von mir zu Jakob und seine Stirn runzelte sich leicht. »Ich bitte darum, mir erst einmal zuzuhören. Danach könnt ihr euch gerne miteinander unterhalten.«
Er warf Jakob einen etwas zu strengen Blick zu. Dieser murmelte eine Entschuldigung und schaute auf seine Schuhspitzen.
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