17
Alea
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich Sean so ignorierte, aber ich hatte mir etwas vorgenommen. Ich wollte mich auf nichts und niemanden einlassen. Dass ich nun ausgerechnet Sean küssen musste, obwohl er in den letzten Wochen zu einem wichtigen Freund geworden ist, ärgerte mich.
Ich verfluchte den Alkohol und mich selbst. Ich hätte die Kontrolle nicht verlieren dürfen.
Vor allem sollte ich mit Sean reden, aber die einfachste Lösung war, ihn zu ignorieren. So setzte ich mich außerdem wenigstens nicht der Gefahr aus, dass so etwas wieder passierte.
Und so vergingen dann die nächsten Tage. Ich meidete alle Situationen, wo Sean mir potentiell über den Weg laufen könnte. Ich ging nicht in die Mensa, nach meinen Vorlesungen verschanzte ich mich entweder in der hintersten Ecke der Bibliothek oder verkroch mich in meinem Zimmer.
Wenn ich Sean doch irgendwo sah, tat ich so, als hätte ich ihn nicht gesehen und lief ganz schnell weg.
Es war Feige, aber für mich die beste Lösung.
Heute war Freitag. Ich packte meine Tasche für die letzte Vorlesung der Woche während Josie sich von mir verabschiedete und das Zimmer verließ.
Kurz später machte auch ich mich auf den Weg. Ich schloss die Tür hinter mir und wollte mich gerade umdrehen und gehen, doch ich kam nicht weit.
Sean stützte sich neben mir an der Tür ab. Ich blickte mich nach einem Ausweg um und zog gerade in Betracht, mich unter seinem Arm hindurch zu ducken, doch blitzschnell schob er ein Knie zwischen meine Beine, sodass ich weder links noch rechts entkommen konnte.
Seltsamerweise machte mich die Situation an und mir wurde ganz warm.
Doch im nächsten Moment erinnerte ich mich wieder daran, dass ich ihn ja ignorierte, also verschränke ich meine Arme vor der Brust und blickte an ihm vorbei an die gegenüberliegende Wand.
»Wieso gehst du mir aus dem Weg?«, ich antwortete nicht.
»Ich bleibe so lange hier stehen, bis du mir eine Erklärung geliefert hast.«, er drängte mich noch enger an die Tür und ich keuchte erschrocken auf.
»Sean, bitte las mich gehen. Ich muss zu meiner Vorlesung.«
»Da kannst du auch gerne gleich hin.«, sagte er. »Aber erst einmal möchte ich wissen, was zur Hölle ich falsch gemacht habe.«
»Du hast nichts falsch gemacht.«, murmelte ich.
»Wieso behandelst du mich dann so, als hätte ich deinen Hamster getötet?«, fragte Sean frustriert.
Ich schwieg.
»Ist es wegen des Kusses?«, fragte er. »Denn wenn ja, dann möchte ich dich daran erinnern, dass du mich geküsst hast und nicht umgekehrt.«
»Ich weiß.«, ich blickte beschämt zu Boden.
»Aber ich hätte das nicht tun dürfen. Es war ein Fehler.«
»Ein Fehler?«, Sean wich ein Stück von mir ab und fuhr sich frustriert durch die Haare. »Für mich fühlte es sich ganz und gar nicht nach einem Fehler an. Im Gegenteil, mir hat der Kuss ziemlich viel bedeutet. Dir etwa nicht?«
Ich schwieg wieder.
»Ist das dein Ernst?«, Seans Stimme war leise, doch er klang, als würde er am liebsten schreien. »Dazu hast du etwa nichts zu sagen?«
Er schaute mich noch ein paar Sekunden erwartungsvoll an, doch als nichts kam, stöhnte er frustriert auf und lief in sein Zimmer.
Er knallte die Tür hinter sich zu und ich zuckte zusammen.
Ich starrte die Tür an, durch die er gerade verschwunden war.
Tränen der Schuld stiegen mir in die Augen und ich atmete zitternd ein und aus.
♡ ♡ ♡
Sean
Wütend packte ich am Abend meinen Koffer. Ich fuhr das Wochenende über zu meinen Eltern nach Hamburg. Auf der einen Seite freute ich mich, Zeit mit ihnen zu verbringen, andererseits wollte ich mich aber auch am liebsten das ganze Wochenende über in meinem Bett verkriechen.
Ich zog gerade den Reißverschluss des Koffers zu, als es an der Tür klopfte.
»Ja?«, antwortete ich.
Ein dunkler Haarschopf spähte vorsichtig ins Zimmer.
»Störe ich?«, fragte Alea mit Blick auf meinem Koffer.
»Nein, komm ruhig rein.«
Stirnrunzelnd beobachtete ich, wie sie das Zimmer betrat und dann unschlüssig im Raum stand.
»Ich würde gerne mit dir reden.«, sagte sie schließlich.
Ich setzte mich auf mein Bett und deutete ihr dann an, sich dazu zu setzen.
Sie kam meiner Aufforderung nach und ich sah sie abwartend an.
»Seit der Sache mit Zac habe ich mich von Männern abgekapselt.«, ich hörte ihr aufmerksam zu. »Anfangs fiel es mir sogar schwer Freundschaften zu schließen. Das hat sich dann irgendwann gelegt aber...«
Sie machte eine Pause.
»Unser Kuss... Es war das erste Mal, dass ich seit Zac einen Mann so nah gekommen bin. Ich habe es mir sonst immer verboten. Aber dann warst du plötzlich da und es schien alles so einfach in dem Moment.«
Sie lächelte leicht. »Ich will, dass du weißt, dass der Kuss mir auch etwas bedeutet hat. Er war wunderschön.«
Ich nickte.
»Aber du musst verstehen, dass sowas nicht wieder vorkommen darf.«, sie seufzte. »Du bist in den letzten Wochen wirklich einer meiner besten Freunde geworden und es tat weh, dich die letzte Woche so zu ignorieren, aber ich kann dir nicht mehr geben, Sean.«
Ich war überrascht von ihrer Ehrlichkeit. Langsam nickte ich.
»Okay, danke, dass du es mir erklärt hast. Ich hätte es aber bevorzugt, wenn du gleich zu mir gekommen wärst und mich nicht tagelang im Dunkeln gelassen hättest.«
Sie schaute mich zerknirscht an. »Ja, das war echt mies von mir und es tut mir leid.«
»Entschuldigung angenommen.«, ich lächelte sie an. »Freunde?«
»Freunde!«, sie grinste und umarmte mich.
♡ ♡ ♡
—
Da ich heute Abend wahrscheinlich nicht schaffe eins hochzuladen, kommt das Kapitel jetzt schon.
Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim lesen. 🤍
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top