Kapitel 9.

Lúcca POS:

Noch bevor ich meine Zimmertür erreicht hatte, hörte ich wie die von Rie ins Schloss fiel und ich blickte nochmal zurück.

'Wann soll ich es ihr bloß sagen?'

Den Kopf hängen lassend öffnete ich die Tür, trat ein und schloss sie hinter mir.

Mein schwarzer Frag lag bereits fertig und bereit auf dem Bett. Ich musste zugeben, bei dieser Veranstaltung hatten es wir Männer besser, wir konnten immer die gleichen Sachen tragen.

'Ob ihr das Kleid wohl gefällt?'

In dieser Beziehung war sie nicht gerade einfach, sie war nie das typische Mädchen gewesen.

Sie hasste rosa und spielte nur selten mit Puppen. Dafür kletterte sie sehr gern, hatte keine Angst davor, sich auch mal dreckig zu machen und ging auch keinem Ärger aus dem Weg.

Während ich lächelnd an den kleinen Wildfang von damals dachte, zog ich meine Klamotten aus, warf sie in den Wäschekorb neben der Badtür und öffnete diese.

Mein Bad war bei weitem nicht so bombastisch wie das von Rie oder Tsuki, aber es erfüllte seinen Zweck und ich fand es ganz gemütlich.

Es war von oben bis unten gefliest und im Style eines öffentlichen japanischen Bades gehalten. Das Einzige was nicht ganz dazu passte war das große Metall Waschbecken und der Spiegel im vorderen Bereich. Danach kam eine offene Dusche mit Hockern und Holzschalen, um sich vor dem baden abspülen zu können und weiter hinten war eine große in den Boden eingelassene Wanne, in die aus einem steinernen Drachen das Wasser floss. Umgeben war sie von ein paar Bambuspflanzen und ringsumher an der Wand waren Bilder von Landschaften, Bergen und Tälern. Beleuchtet wurde der ganze Raum von einem großen Kristall, der an der Decke hing.

Ich drehte das Wasser der Dusche auf und stellte mich unter den warmen Schauer. Es war sehr angenehm und spülte meine trüben Gedanken mit sich fort, jedoch nicht alle.

Grübelnd stützte ich meine Hände an der Wand ab und ließ das warme Wasser meinen Rücken runter laufen.

Mich beschlich, bei dem Gedanken an heute Abend ein ganz mieses Gefühl, nur vermöchte ich nicht recht zu sagen weshalb.

'Jetzt krieg dich wieder ein! Du wirst langsam paranoid!'

Kopfschüttelnd drehte ich das Wasser wieder ab, nachdem ich mir noch die Haare gewaschen hatte. Griff mir ein Handtuch vom Regal neben dem Waschbecken, schlang es um die Hüfte und verließ das Bad.

Draußen im Zimmer ging ich zu einer der Kommoden, holte mir frische Unterwäsche und Socken heraus und zog sie an. Dann ging ich zum Bett und griff nacheinander nach den einzelnen Teilen des Frag's und zog mich vollends an.

Als ich mir gerade vor dem Spiel am Schrank die Fliege zu Recht rückte, klopfte es an der Tür.

„Herein." rief ich und zupfte nochmal an der Fliege herum.

Die Tür ging auf und Ba-chan kam herein.

„Und? Bist du fertig?" fragte sie mich.

Ich breitete die Arme aus und drehte mich vor ihr einmal um die eigene Achse, damit sie mich begutachten konnte. „Sag du es mir."

Sie lächelte, kam auf mich zu und blieb vor mir stehen. Da sie sehr klein war, erschien plötzlich ein Hocker aus Eis, sie stellte sich darauf, begann die Fliege zu richten und die Falten aus dem Frag zu streichen.

Ein letztes Mal strich sie, warm lächelnd über meine Schultern ließ ihre Hände dann darauf liegen und sah mich an.

„Ja, ich denke schon. Du siehst gut aus." sagte sie und ich grinste sie breit an. Sie packte mich leicht am Kragen und sah mich gespielt verärgert an. „Und das Problem ist: Du weißt es auch!" Mein Grinsen wurde noch breiter.

Dann wurde ihr Blick ernster. „Lúcca, ich möchte, dass ihr heut Abend gut auf einander aufpasst. Wir wissen immer noch nicht, wer hinter diesem Angriff steckt und du weißt, dass uns nicht alle im Rat wohlgesonnen sind." Sie legte ihre Hände seitlich an meinen Kopf und sah mir eindringlich in die Augen. „Lúcca das ist wichtig! Hörst du! Solang wir nicht wissen was los ist, können wir keinem trauen, außer unserer Familie! Du bist unser Oberhaupt, dir obliegt es, für den Schutz des Klans zu sorgen, aber genauso bist du Rie's Partner und ihr Bruder, auch für ihren Schutz bist du verantwortlich!" Zum Ende hin nahm ihre ansonsten so selbstsichere Stimme, einen leicht verzweifelten Unterton an.

Behutsam nahm ich ihre Hände von meinem Gesicht und sah sie beruhigend an.

„Mach dir keine Gedanken, Ba-chan. Ich verspreche dir, dass ich auf alle aufpasse. Besonderes auf unseren Zwerg." Ich zwinkerte ihr zu, nahm wiederum ihren Kopf in meine Hände und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Versprochen!" flüsterte ich nochmal, in ihre Haare und sah sie wieder grinsend an.

Sie erwiderte mein Lächeln, schüttelte den Kopf und schickte sich an von ihrem Hocker zu steigen. „Du bist unmöglich." sagte sie lächelnd, als sie vom Hocker gestiegen war, verschwand er wieder, ohne eine nasse Stelle auf dem Boden zu hinterlassen.

„Aber genau das magst du doch so an mir. Oder?" sagte ich und zwinkerte ihr abermals zu.

Lachend drehte sie sich um, ging in Richtung Tür und sagte: „Komm, lass uns mal sehen wie weit Tsuki mit Rie ist."

Ich lachte auf, folgte ihr, nahm im vorbeigehen noch etwas von meinem Nachttisch und meinte: „Da unsere Zimmer nahezu schalldicht sind, würden wir es nicht einmal hören, wenn sie sich gegenseitig umgebracht hätten."

Wir gingen lachend zusammen den Gang entlang und blieben vor Rie's Tür stehen. Ba-chan klopfte an und es dauerte nicht lang, bis man von Innen ein leises 'Herein' hörte. Sie öffnete die Tür und wir traten ein.

In dem Moment, in dem wir in das Zimmer blickten, dreht sich Rie gerade zu uns um und sah mich direkt an.

Mir stockte der Atem.

Sie war strahlend schön!

Das Kleid passte perfekt zu ihr und saß wie eine zweite Haut.

Ihre grünen Augen funkelten mit den Kristallspangen in ihrem Haar und den tausenden Sternen auf ihrem Kleid um die Wette, ohne das man zu erfassen vermochte, was von ihnen heller leuchtete und doch herrschte zwischen ihnen eine perfekte Harmonie.

Sie stand da, hatte ihre Hände vor dem Bauch gefaltet und sah mich fast schon schüchtern mit gesengtem Blick an.

Alles um mich herum verblasste und ich sah nur noch sie.

„Rie! Meine Kleine! Du sieht umwerfend aus!" holte mich Ba-chan's Stimme zurück.

Sie war weiter auf sie zu gegangen und stand nun direkt vor ihr, während ich in der Tür stehen geblieben war, unfähig mich zu bewegen.

„Danke, Baba-chi." sagte sie und strahlte Ba-chan an.

Ich beobachtete Ba-chan und Tsuki, wie sie um Rie herum gingen und sie von allen Seiten begutachteten.

„Lúcca! Jetzt steh nicht da wie festgewachsen! Komm her!" rief mir Tsuki zu und winkte mich herein.

Langsam setzte ich mich in Bewegung, Rie stand halb mit dem Rücken zu mir und unterhielt sich mit Ba-chan. Als ich mich näherte blickte sie mich über die rechte Schulter an und fing an zu lächeln. Ba-chan ging zu Tsuki, die nach hinten gegangen war, um das Schminkzeug zusammen zu räumen und sagte etwas zu ihr.

Rie drehte sich links herum, ließ das Kleid sich schwungvoll aufbauschen und blieb breit grinsend vor mir stehen.

„Und?" Sie sah kurz an sich herunter und breitete die Arme aus. „Was sagst du? Seh ich gut aus?"

Noch einmal drehte sie sich kurz, nur für mich, sie ließ das Kleid fliegen und blieb wiederum grinsend stehen.

Ich hingegen konnte nichts anders tun, als sie einfach nur anzusehen.

Meine Augen wanderten an ihr hinab und versuchten jedes noch so kleine Detail zu erfassen und in mein Gedächtnis einzubrennen.

„Lúcca?" hörte ich sie meinen Namen sagen, doch ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihr nehmen.

Rie POS:

„Lúcca?" Er stand mir direkt gegenüber und starrte mich an.

Sein Blick war starr und doch so intensiv, dass seine silbernen Augen zu glühen begannen, wie flüssiges, heißes Silber im Schmelzofen, während er sie an meiner Gestalt hinab wanderten ließ und mir einen Schauer nach dem Anderen über den Rücken jagte.

'Ich muss etwas unternehmen, noch ein Bisschen länger unter diesem glühenden Blick und die Fassung zu verlieren, wäre noch mein geringstes Problem.'

„Hey, Lúcca!" versuchte ich es noch einmal und schnippte mit den Fingern vor seinem Gesicht.

„Könntest du bitte aufhören mich so anzustarren..." sagte ich und merkte wie mir die Hitze in die Wangen stieg. Ein Hoch, auf den Rouge.

Er zuckte zusammen, als wäre er aus einem Traum aufgeschreckt und sah mich erst verwirrt, dann entschuldigend an.

„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht anstarren." sagte er. „Äh, was war die Frage?" er lächelte verlegen.

„Du bist unverbesserlich!" sagte ich gespielt genervt und schüttelte den Kopf. „Ich wollte von dir wissen, ob ich gut aussehe?"

Er musterte mich nochmal von oben bis unten, legte die Stirn in Falten, schob die Unterlippe vor und legte die Finger ans Kinn.

„Hmmm..." machte er, während er den Kopf schräg legte und überlegte.

„Was?!" sagte ich, sah an mir runter und dann wieder zu ihm.

„Hmmm..." machte er wieder.

„Sag, wenn dir etwas nicht passt!" Langsam ging mir das auf die Nerven, ich stemmte die Hände in die Hüften.

„Ich finde nicht, dass du gut aussiehst..." murmelte er mit ernster Miene, mir fiel das Gesicht runter und ich starrte ihn nur ungläubig an, bis er weiter sprach.

„...ich finde du siehst fantastisch aus." sagte er und grinste mich mit seinem breitesten und frechsten Lächeln an.

Im Hintergrund hörte ich Tsuki und Baba-chi leise kichern, doch ich stand einfach nur da und sah ihn fassungslos und völlig perplex an, unfähig irgendetwas zu tun oder zu sagen.

Doch das hielt nicht lange an.

In mir kam die Wut hoch, ich ballte die Fäuste und trommelte auf ihn ein. Er hob abwehrend die Arme über den Kopf und lachte dabei.

„Du bist doch der größte Vollidiot, der mir je untergekommen ist! Ich frage dich ernsthaft nach deiner Meinung und du machst Witze!" schrie ich, doch er lachte nur noch lauter und versuchte mich auf Abstand zu halten.

Bis er plötzlich meine Handgelenke packte und mir in die Augen sah, ich konnte nichts anderes tun, als ihn verwirrt anzusehen.

Er beugte sich leicht zu mir herunter und sagte ernst mit weicher Stimme: „Das war kein Witz! Ich finde wirklich, dass du wunderschön aussiehst! Aber eine Kleinigkeit fehlt noch..." Er ließ eins meiner Handgelenke los, fasste sich in die Tasche und holte etwas heraus. Dann machte er sich an dem Gelenk zu schaffen, dass er noch im Griff hatte.

Ich konnte nicht sehen was er tat; da nahm er die Hände weg und ich erhielt freie Sicht.

An meinem Handgelenk glitzerte ein filigranes Armband, das aussah wie eine gewundene, silberne Rosenranke und in den Blüten der Rosen funkelten blutrote Steine.

Völlig entgeistert starrte ich auf das Armband.

Lúcca nahm meine Hand in seine und gab mir einen Handkuss.

„Jetzt bist du perfekt." wisperte er dagegen und sah mir dann in die Augen.

Ich erwiderte den Blick. Seine Augen leuchteten vor Aufregung, wie die eines Kindes an Weihnachten und selbst durch den Handschuh spürte ich die Wärme seiner Hand. Mit sanfter Stimme flüsterte er: „Du bist wunderschön, meine Prinzessin." Er strahlte regelrecht, als mir diesmal ein abwechselnd warmer und kalter Schauer über den Rücken lief, während er meine Hand hielt und mich anlächelte.

Eine ganze Weile standen wir so da und sahen uns nur an, bis ich ein leises klicken hörte und wir realisierten das Tsuki und Baba-chi die ganze Zeit im Raum waren.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top