Kapitel 27.
POS:
Er betrachtete ihr schlafendes Gesicht. Sie sah so friedlich aus, wenn sie schlief.
Dieses Friedliche, das Ruhige, auch mal das Unsichere und Traurige, zeigt sie eigentlich nur ihrer engsten Familie. Das Verletzliche und das Tiefste ihres Herzens jedoch, zeigte sie nur ihm.
Er schmunzelte und strich ihr mit der Hand eine Strähne aus dem Gesicht. Sie fing an im Schlaf zu lächeln und kuschelte sich noch etwas näher an ihn.
Sein Blick wurde nachdenklich. Wann hatte er begonnen in Rie nicht mehr nur seine kleine Schwester zu sehen?
Eine Erinnerung, die schon sehr lange zurück liegt, kam ihm in den Sinn.
Lúcca POS:
Wir waren beide noch klein damals und Rie lebte noch nicht lange bei uns, es war lange bevor wir Partner wurden.
Da nahm Ba-chan mich eines Tages zur Seite und sagte: „Lúcca, du musst mir jetzt gut zuhören, das ist sehr wichtig! Ich möchte, dass du mir versprichst auf Rie aufzupassen. Das du sie beschützt, so wie du Tsuki beschützt, vielleicht sogar noch etwas mehr. Sie ist zwar dadurch, dass sie in einen Drachen verwandelt wurde in letzter Zeit sehr schnell gewachsen, doch ist sie immer noch um einiges jünger als ihr. Und deswegen wäre es gut, wenn jemand ein Auge auf sie hat. Versprichst du mir, das zu übernehmen?"
Zwar wusste ich nicht warum sie dieses Versprechen von mir wollte, doch als ich ihr ernstes Gesicht sah, nickte ich schnell.
Mit dieser Antwort offensichtlich zufrieden, nickte sie lächelnd und ließ mich allein.
Ich wiederum machte mich auf den Weg ins Dorf und dachte über ihre Worte nach.
'Warum hatte ich ihr das versprechen müssen?'
Gut, ich hatte nichts dagegen auf sie zu achten. Ich mochte Rie, sie war lustig, ein kleiner Wirbelwind und seit sie bei uns lebte, war endlich mal Leben in der Bude. Tsuki liebte ihre neue kleine Schwester ja sowieso abgöttisch und ich hatte nichts gegen noch eine kleine Schwester. Auch, dass sie früher ein Mensch war, störte mich nicht, jetzt war sie ein Drache und gehörte zu meiner Familie.
Punkt!
Nur leider waren nicht alle meiner Meinung.
Viele der Älteren waren nicht mit Ba-chan's Entscheidung einverstanden. Sie duldeten es nicht, dass jemand Fremdes und noch dazu ein Mensch, einfach so in den Klan aufgenommen wurde und das Ba-chan Rie adoptiert und in einen Drachen verwandelt hatte, brachte das Fass zum überlaufen.
Die Konsequenz daraus war, dass sie Rie mieden oder verspotteten. Die Kinder ahmten dieses Verhalten nach und ärgerten und verhöhnten das kleine Mädchen wo sie konnten.
Doch um diese musste man sich keine Sorgen machen.
Sie war zwar klein und körperlich noch nicht so stark wie die anderen, dennoch konnte sie sowohl kräftig austeilen als auch einstecken, was ich schon schmerzlich am eigenen Leib erfahren hatte, außerdem war sie pfiffig und ihre Zunge war schärfer als ein Schwert.
Grinsend dachte ich daran, wie oft sie mich schon ausgetrickst hatte.
Gerade als ich auf dem Dorfplatz angekommen war, hörte ich schon den Tumult.
In Mitten des Platzes hatten sich einige Kinder im Kreis aufgestellt und feuerten jemanden an, während jemand anders ausgebuht wurde und ich konnte mir schon lebhaft vorstellen, wer sich in der Mitte des Kreises befand.
Drängelnd und quetschend arbeitete ich mich nach Vorne durch und sah gerade noch, wie ein kleines Mädchen, mit staubigen Klamotten, einem viel größeren Jungen mit der Außenkante ihres Schuhs am Schienbein entlang schrammte und ihn dadurch zum aufheulen brachte.
Der Junge landete auf dem Hosenboden und hielt sich heulend sein Schienbein, während sich seine Hose an der Stelle Blutrot färbte.
Das Mädchen stand einfach nur da und schaute auf den jammernden Jungen hinunter, der jedoch sah sie wütend, mit Tränen in den Augen an und begann damit, sie zu beschimpfen. „Du dreckiger kleiner Mensch! Was fällt dir ein? Kein Wunder, dass deine Eltern dich nicht haben wollten, wer will schon jemanden wie dich! Du gehörst hier nicht hin! Verschwinde!" Die Menge folgte seinem Beispiel und bald schallte es über den ganzen Platz.
Rie schien das gar nicht zu hören, sie sah den Jungen nur an und sagte mit einer ruhigen Stimme, die sogar nicht zu ihrem Alter passte: „Wenn ich an deiner Stelle wäre, wäre ich lieber ganz still. Wer nämlich nicht mal gegen ein kleines Mädchen gewinnen kann, sollte nicht so große Töne spucken."
Mit diesen Worten drehte sie sich um und ließ den verdatterten Jungen einfach auf dem Boden sitzen.
Sie kam auf mich zu und sah mich wütend und trotzig an, doch in ihren Augenwinkeln funkelte etwas, das mich stutzen ließ.
Die verblüffte Menge teilte sich wortlos vor ihr und sobald sie den Kreis verlassen hatte, rannte sie in Richtung Berg davon.
Ich schaute ihr nach, während sich die Menge um mich herum langsam auflöste, als ich plötzlich ein lautes Lachen hinter mir hörte. Schnell drehte ich mich um und sah, dass Koga hinter mir stand.
„Wow, die Kleine hat echt was drauf, alle Achtung. Da habt ihr euch ja nen schönen Wildfang zugelegt. Aber ich glaube, sie ist gar nicht so taff wie sie tut." sagte er und stellt sich neben mich.
Er war so alt wie ich, hatte auch keine Eltern mehr und war der Boss der Dorfrowdies, doch er war auch mein bester Freund und so was wie mein Bruder, da er ständig bei uns Zuhause rumhing und praktisch fast da wohnte.
„Was meinst du?" fragte ich ihn verständnislos.
„Lauf ihr nach, dann wirst du schon sehen." meinte er nur, zwinkerte mir zu und ließ mich noch verwirrter als vorher, stehen.
'Wie zu Teufel, hat er das gemeint?' fragte ich mich, entschied mich dann aber, einfach seinem Rat zufolgen und Rie zu suchen.
Ich lief in Richtung Berg, nach Hause, da war sie aber nicht, also lief ich weiter und fragte Unterwegs die Leute, die ich traf, ob sie wer gesehen hatte. Bis mir jemand sagte, dass er sie weiter den Berg hat hinauf laufen sehen. Ihm kurz dankend rannte ich am Tempel vorbei die Felsen hinauf, bis ich ihre Spur fand und ihr folgte.
Nach einer Weile erreichte ich ein verstecktes Felsplateaus, von dem man einen herrlichen Blick über das Dorf hatte. Und in Mitten des Plateaus, saß eine kleine zusammengekauerte Gestalt, mit dem Kopf auf den angezogenen Knien.
Ganz langsam und leise schlich ich mich näher an sie heran und je näher ich kam desto mehr konnte ich hören.
Erst war es nur ein Wimmern, dann ein Schluchzen und Jammern, als ich nah genug bei ihr war, sah ich wie ihr unaufhörlich Tränen die Wangen runter liefen.
„Warum? Ich bin doch auch ein Drache...ich versteh das nicht...Warum darf ich nicht hier bleiben...Vielleicht sollte ich wirklich einfach verschwinden... Aber ich will hier bleiben..." hörte ich sie zwischen zwei Schluchzern sagen.
Ich stand nun direkt neben ihr und schaute auf dieses wimmernde, zitternde, kleine, einsame, bitterlich weinende Mädchen, das vor mir auf dem kalten Boden saß.
Es zerriss mir fast das Herz und noch bevor ich selbst realisierte was ich tat, hatte ich mich neben sie gekniet und sie in den Arm genommen.
Zuerst erschrak sie fürchterlich, fing an zu zappeln und versuchte mich wegzudrücken, doch als ich ihr sanft über Kopf und Rücken streichelte und sie mit mir zusammen vor und zurück wiegte, erkannte sie mich wohl und hörte auf sich zu wehren.
Ich zog dieses zitternde Bündel Nerven ganz nah an mich und hielt sie fest, als könnte sie mir entgleiten. Sie war stocksteif und gab keinen Ton von sich.
„Ich will nicht, dass du verschwindest! Glaub mir, es ist alles gut. Du bist sicher, ich bin hier. Niemand wird dir etwas tun. Wein ruhig wenn du willst." sagte ich, ohne darüber nachzudenken.
Erst reagierte sie nicht, doch dann krallte sie sich in mein T-Shirt und vergrub ihr Gesicht darin, als sie anfing zu weinen. Es war als wäre eine Mauer in sich zusammengefallen, sie ließ alles raus, alles was sie solange zurückgehalten hatte.
Und in diesem Moment verstand ich was Ba-chan und Koga gemeint hatten.
Rie versuchte immer stark zu wirken, sie wollte nie Schwäche zeigen und verbarg ihre Trauer vor der Welt.
Dort auf diesem kalten Felsen, habe ich mir geschworen, dass ich sie beschützen werde, egal was passiert und dass ich für sie da sein werde, damit sie weinen konnte wann sie wollte.
So hielt ich sie, bis keine Tränen mehr kamen und sie vor Erschöpfung einschlief.
Vorsichtig, hob ich sie hoch und brachte sie nach Hause in ihr Bett, doch sie ließ selbst im Schlaf mein Shirt nicht los. So legte ich mich einfach neben sie, nahm sie in den Arm und schlief ein.
POS:
Immer noch betrachtete er ihr schlafendes Gesicht. Seit dieser Zeit hatte sich ihr Verhältnis verändert, immer wenn sie Kummer oder Probleme hatte, aber auch wenn sie etwas freute oder sie einfach glücklich war, kam sie zu ihm. Irgendwann begann sie auch den Anderen zu vertrauen und so wurden Rie, Tsuki, Koga und er bald unzertrennlich.
Doch ihre Verbindung, war immer etwas Besonders und wurde durch das Drachenherz noch verstärkt.
Das Feuer in seinem Rücken knisterte beruhigend und mit einem letzten Blick, zog er sie noch näher zu sich und schlief mit seiner Prinzessin im Arm ein.
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