Kapitel 4
Im Wald wimmelte es nur so von Geräuschen, Gerüchen und Geschmäckern. Rauch war gerne im Wald. Er gab ihm das Gefühl, wild zu sein und dieses Gefühl war für ihn eines der besten auf der ganzen Welt.
"Hier entlang", miaute Quelle und führte ihre Familie zwischen zwei dicken Bäumen hindurch. Die Wurzeln gruben sich weit über die Fläche in die Erde und Wasser plätscherte noch immer irgendwo nicht weit entfernt von ihnen. "Wir sind jetzt bei den großen Silbereichen", erklärte Quelle ruhig. "Hier gibt es so gut wie das ganze Jahr über Beute."
Rauch bekam große Augen. Auch seine Geschwister schauten ungläubig. "Auch, wenn das weiße Wasser fällt?", fragte Wolke staunend. "Auch, wenn das weiße Wasser fällt", nickte Quelle. "Schaut mal, hier", miaute sie weiter. Zwischen den Wurzeln konnte Rauch verschiedene Gerüche wahrnehmen. "Hier leben vor allem Mäuse. Oben in den Baumkronen könnt ihr Vögel singen hören. Selten kommen sie auch mal auf die Erde. Ihr müsst nach Käfern und Würmern Ausschau halten." Qualm hüpfte auf und ab. Wolke knurrte angeekelt. "Aber wieso denn Würmer? Ich will die doch nicht essen", meinte er. Rauch lachte. "Die sollst ja auch nicht du essen! Die Vögel fressen das!" Wolke duckte sich. "Oh, ja natürlich", maunzte er. "Das hat uns Papa doch schon mal erklärt." Rauch schüttelte belustigt den Kopf. "Richtig. Und noch etwas", miaute Schatten mit tiefer Stimme weiter. "Manchmal kommen auch Eichhörnchen die Bäume hinunter. Aber die sind zum Einen flink und zum Anderen ist es sehr schwer, sich an sie heran zu schleichen, weil sie euch schon von Weitem hören können. Am besten ist es, sie zu fangen, wenn sie gerade fressen. Dann sind sie darauf konzentriert und achten weniger auf ihre Umgebung."
Rauch schwirrte der Kopf. Das waren viele Informationen auf einmal. Er bewunderte seinen Vater, dass er das alles wusste. Quelle führte die Katzen weiter. "Hier zwischen den Felsen kann man manchmal Echsen und Schlangen finden", erklärte sie. "Die schmecken aber nicht jeder Katze. Ihr müsst es ausprobieren. Vielleicht mögt ihr es ja. Aber Vorsicht, lasst euch nicht von einer Schlange beißen, das kann sehr gefährlich werden!", warnte sie ihre Jungen. Qualm, Rauch und Wolke nickten.
"Nun noch zum Bach." Quelle lief auf das höhere Gras zu, das dort wuchs, wo weniger Bäume standen. Während sie sich durch das Gras schlängelten, wurde das Plätschern des Wassers immer lauter. Quelle setzte sich an den Rand des Bachs und wartete, dass ihre Jungen sich ebenfalls gesetzt hatten. Schatten blieb dicht hinter ihnen, und das aus einem guten Grund. Denn Qualm konnte wie immer nicht still sitzen und trat nah an das Ufer. Schatten knurrte. "Qualm, komm zurück." Qualm sah auf. "Aber ich möchte sehen, was das ist." Sie deutete mit der Nase auf die Oberfläche des Wassers und ging einen Schritt näher heran. Dann quiekte sie auf und sprang zurück. "Da ist eine Katze im Wasser!", rief sie erschrocken. Quelle lachte. "Das ist dein Spiegelbild", schnurrte sie. "Aber nun komm und setz dich, ich möchte noch eine Sache erklären, bevor ihr jagen dürft." Qualm setzte sich brav neben ihre Geschwister. "Was ist ein Spiegelbild?", fragte Rauch mit schiefgelegtem Kopf. Schatten schnurrte, es hörte sich an wie ein rumpelnder Donner. "Das bist du selbst, aber du siehst dich anders, als du dich kennst", miaute er einfach. Das verwirrte Rauch noch mehr. Anscheinend sah man ihm das an, denn seine Eltern fingen an, amüsiert zu schnurren.
"Nun, die letzte Sache, von der ich euch erzählen möchte, ist der Bach", fuhr Quelle fort. "Im Bach leben Fische und Frösche. Wenn ihr größer seid, könnt ihr hier mal euer Glück versuchen. Fische sind glibschig und schwer zu fangen. Man muss sie aus dem Wasser schlagen und in der Luft auffangen, aber das ist sehr schwer, auch für große Katzen." Qualm sprang auf. "Können sie uns denn nicht sehen?", fragte sie aufgeregt. Quelle schüttelte den Kopf. "Fische sind furchtbar dumm. Sie haben zwar Augen, nutzen sie aber nicht. Außerdem können sie nicht riechen, was ein Vorteil für uns ist. Aber sie schwimmen wirr umher, was es schwierig macht, sie zu fangen." Schatten stand auf. "Genug geredet. Heute versuchen wir es mit Mäusen. Jetzt wird gejagt!", rief er. Die Jungen sprangen erfreut auf. "Au ja, endlich!", freute sich Wolke. "Ich kanns kaum erwarten!", piepste Qualm und zischte los. Rauch lief den beiden hinterher. An den Silbereichen blieben sie stehen und warteten auf ihre Eltern.
"Mir dauert das zu lange. Ich gehe hier rüber", maunzte sie nach einer Weile und verschwand in der Richtung, wo der Wald anfing. "Aber sie sind doch gerade -", fing Rauch an, doch auch Wolke zischte los. Rauch seufzte. Dann jage ich eben allein. Er schlich sich zwischen die Wurzeln und lauschte. Da hörte er leises Pfotengetrappel. Er atmete ein. Maus! Vorsichtig schlich er vorwärts, bis er den braunen Pelz der Maus sehen konnte. Angespannt beobachtete er jede Bewegung seiner Beute. Seine Schwanzspitze zuckte hin und her. Er verlagerte das Gewicht auf seine Hinterbeine, wie er es so viele Male geübt hatte. Sein Herz pochte wie verrückt, dass er schon dachte, die Maus müsste es hören. Doch sie wühlte einfach weiter zwischen dem Laub, das auf dem Boden lag. Jetzt!, dachte er und sprang ab. Das braune Tier war genau zwischen den grauen Pfoten von Rauch. Schnell beugte er sich über die zappelnde Maus und biss ihr ins Genick. Warmes Blut traf auf seine Kehle und er spürte einen Andrang an Stolz, als das Tier mit dem langen Schwanz schlaff aus seinem Maul hing. Mit erhobenen Schwanz trat er nach draußen. Dort sah er sich nach seinen Eltern um. Schatten kam angesprungen. Er ließ sein rumpelndes Schnurren hören. "Ein Naturtalent", sagte er lächelnd und leckte Rauch stolz über den Kopf. "Das hast du sehr gut gemacht, Rauch. Komm, gehen wir zu den anderen und zeigen ihnen, was du gefangen hast."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top