Kapitel 2


Rauchs Zuhause bestand aus einer alten Zweibeinerruine, die völlig zerfallen war. Lediglich ein großer, viereckiger Raum war überdacht. Der niedrige Eingang wurde von einem kleinen, schief wachsenden Baum versteckt. Qualm erreichte als erste die Ruine, gefolgt von Schatten mit Wolke im Maul. Rauch trottete mit etwas Abstand hinter seiner Familie her. Er war müde, das Spielen und die Rettungsaktion von Wolke hatten ihn angestrengt.
"Kleine Planänderung. Wir werden uns jetzt erst einmal ausruhen, bevor wir losgehen." Schatten setzte Wolke ab und wusch sich die Pfote. Qualm sah enttäuscht nach draußen. "Aber ich bin nicht müde!", quengelte sie. Schatten sah seine Tochter streng an. "Sieh dir bitte deine Brüder an. Sehen sie aus, als könnten sie noch einen Schritt weit gehen?", miaute er. Wolke gähnte. Und auch Rauch konnte nicht protestieren. Seine Pfoten taten weh und sein Magen knurrte.
"Geht hinüber zu eurer Mutter und ruht euch aus. Nachher werden wir wieder in den Wald gehen." Schatten stupste seine Jungen mit der Pfote an und Rauch stolperte in den Raum hinein.

Unter dem Lichtloch saß seine Mutter, ihr hellgraues Fell sah aus, als würde es leuchten in dem Licht, das auf sie schien. Seine Schwester stürmte an ihm vorbei. "Mama! Wolke ist auf einen Baum geklettert und ist nicht mehr heruntergekommen! Rauch musste -", plapperte Qualm, bevor sie von Schatten unterbrochen wurde. "Wolke geht es gut. Er ist auch wieder herunter geklettert und er hat das sehr gut gemacht." Seine Mutter schaute ihren Sohn mit großen Augen an. "Oh, Wolke, du kleiner Abenteurer. So etwas macht ihr nicht nochmal, wenn wir nicht dabei sind, habt ihr gehört? Was, wenn euch etwas passiert wäre?" Sie leckte ihrem Jungen heftig über den Kopf. Schatten schnurrte. "Wir können nicht immer auf sie aufpassen, Quelle. Irgendwann müssen sie das selbst können. Und das werden sie am besten schaffen, wenn sie lernen, alleine zurecht zu kommen." Quelle unterbrach die Wäsche ihres Jungen und sah Schatten an. "Natürlich müssen sie irgendwann auf sich selbst aufpassen. Aber sie sind noch klein. Noch müssen sie das nicht. Das hat noch Zeit", miaute sie sanft, aber bestimmt. Die Augen des schwarzen Katers verdunkelten sich, doch er sagte nichts. Rauch sah an seinem Blick, dass er irgendetwas sagen wollte, doch sein Mund blieb geschlossen. Quelle legte sich und Rauch kuschelte sich neben seinen Geschwistern an den Bauch seiner Mutter. Nachdem er gegessen hatte, streckte er sich und durch die Wärme seiner Familie wurde er schläfrig. Quelle leckte ihm über den Kopf und Rauch schlief ein.

Er erwachte auf einer Wiese, die von Bäumen umgeben war. Er war allein. Verwundert stand Rauch auf und sah sich um. Die Sonne schien durch die Baumkronen und hinterließ Flecken auf der dunkelgrünen Wiese, die von bunten Blumen geschmückt wurde. Doch irgendetwas war seltsam. Zuerst verstand er nicht, was es war, denn abgesehen davon, dass er diesen Ort nicht kannte, sah es aus wie eine normale Lichtung. Plötzlich sah er einen Schmetterling von einer der Blumen aufflattern. Rauch sprang ihm hinterher und schlug nach dem Insekt, doch er verfehlte es. Der Schmetterling flog höher und verschwand zwischen den Blättern der Bäume. Da fiel Rauch auf, was so seltsam war. Kein einziger Vogel war zu hören, nicht ein Lied oder auch nur ein Ton. Die gesamte Umgebung war komplett still, als wäre sie stumm. Nicht einmal die Blätter rauschten, als der Wind mit ihnen spielte.

Rauch legte den Kopf schief. War die Welt stumm oder er taub? Das lässt sich ausprobieren. Er holte Luft und rief laut: "Hallo? Ist hier jemand?" Er war beruhigt, als er seine Stimme hörte. Taub war er also nicht. Doch seine Stimme klang seltsam weit entfernt. Und das Echo klang noch lange nach. "Dieser Ort ist mir unheimlich", murmelte Rauch und erschrak, als sich seine Stimme wieder so entfernt anhörte. Er drehte sich um und wollte in den Wald gehen, um sein Zuhause zu suchen. Doch dann erstarrte er. Denn aus dem Wald heraus stachen zwei leuchtende, braune Augen.

Mit pochendem Herzen schreckte Rauch hoch. Dabei schlug er mit der Vorderpfote gegen Qualms Flanke. "Tut mir leid, das wollte ich nicht", flüsterte er entschuldigend. Qualm knurrte. "War ja auch gerade eingeschlafen, du Käferhirn." Rauch setzte sich auf und leckte sich über sein zerzaustes, schwarzgraues Brustfell. "Entschuldige", miaute er nochmal. Der Traum hatte ihm Angst gemacht. "Nicht schlimm", schnurrte seine hellgraue Schwester und sprang auf. "Ich kann es kaum erwarten, was Papa uns nachher zeigen möchte!" Das hatte Rauch fast vergessen. Voller Freude sprang er auch auf. Den Traum schob er erstmal beiseite. Er würde später darüber nachdenken. Dann sah er sich um. Quelle und Schatten waren nicht im Nest. "Wolke, wach auf. Wir gehen raus", weckte Qualm ihren Bruder. Wolke streckte sich und murrte. Dann aber setzte auch er sich auf. "Kleinen Moment", gähnte er und machte einen Buckel. Er leckte sich die Pfote und strich sich dann damit über das Ohr. Qualm wurde ungeduldig. "Mach schon!", drängelte sie. "Bin ja schon fertig", antwortete Wolke. Rauch schnurrte. "Schon", wiederholte er und schnippte dem schwarzweißen Kater mit der Schwanzspitze ans Ohr. Dann stürmten die drei Katzen nach draußen.

Schatten und Quelle saßen vor dem Bau und unterhielten sich. Als sie ihre drei Jungen erblickten, unterbrachen sie ihr Gespräch und fingen an zu schnurren. "Gut geschlafen, meine Kleinen?", fragte Quelle liebevoll. Die Kätzchen nickten. "Was machen wir denn jetzt?", fragte Qualm aufgeregt und sprang auf und ab. Schatten stand auf. "Wir werden euch zeigen, wie man jagt."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top