8. Begegnungen


Die Sonne stand sehr tief am Himmel.

Es wird immer dunkler und vermutlich beginnt es auch gleich zu regnen. Es ist wohl das Beste dort zu lagern.", James deutete auf einen großen Baum dessen tief reichende Äste fast bis auf den Boden reichten. Mit vereinten Kräften beförderten sie erst das Gepäck und danach sich selbst auf die dicken Äste. Die drei kletterten so weit hinauf, bis sie sich in Sicherheit fühlten. Tief einatmend presste sich Melissa mit dem Rücken an den Baumstamm. Hektisch betrachtete sie ihre frisch aufgeschürften und dreckigen Hände.

Das ist nicht weiter schlimm.", kommentierte James die wenigen Kratzer. Sie nickte nur und blickte dabei aus Versehen nach unten in die Tiefe. Blitzschnell kniff sie ihre Augen zu und hielt die Luft an. Sie spürte ihren schnellen Herzschlag - wie ihr schwindelig wurde und ihr Magen rumorte.

Höhenangst?", fragte Mark mitfühlend.

Ja", hauchte sie ängstlich.

Die Augen öffnete Melissa erst wieder als sie die Regentropfen hörte. Sie zog sich ihren Regenmantel über, denn der Wind schüttelte die Tropfen von den Blättern.

Dann wurde der Regen noch stärker und es goss in Strömen. Zusammengekauert und immer durchnässter saßen sie da und ließen ihre Blicke zwischen den Bäumen schweifen bis sie alle einschliefen.

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Der prasselnde Regen hatte aufgehört. Ein lautes, bedrohliches Rascheln von Norden riss Melissa aus ihrem Schlaf. Es war stockdunkel, das Mond- und Sternenlicht schaffte es nicht durch die dichten Baumkronen. Es raschelte erneut, keine zweihundert Meter von ihr entfernt. Mit Panik im Gesicht und angehaltener Luft starrte sie im Dunklen umher. Sie hatte das Gefühl nicht mehr Schlucken zu können.

Was ist das?", flüsterte sie, doch James und Mark schliefen. Ihre Hand legte sich verkrampft um den Griff des Messers an der Hüfte. Vorsichtig atmete sie leise aus, wischte sich das Schweißregengemisch von der Stirn und biss die Zähne zusammen. Sie streckte das Messer abwehrend und mit zittriger Hand in Richtung Norden. Ihre Linke wanderte langsam am dicken Stamm des Baumes entlang, sie ertastete einen weiteren Ast links über sich. Behutsam richtete sie sich auf und presste sich von Kopf bis Fuß an den Stamm. Das Atmen fiel ihr schwer. Ihre linke Hand wanderte weiter und berührte James Arm. Sie rüttelte an ihm. Erschrocken wachte dieser auf. Als er bemerkte, dass es Melissa war, beruhigte er sich keines Wegs. Im Flüsterton versuchte sie ihm zu erklären, was sie gehört hatte. Mit ernster und feindseliger Miene blickte er in den dunklen Norden. Er versprach ihr wach zu bleiben.

Langsam ließ sie sich wieder hinuntergleiten, bis sie wieder auf ihrem Ast zusammengekauert da saß. Doch an Einschlafen konnte sie nicht mal im Traum denken. Das Rascheln durchdrang erneut den Wald, verstummte jedoch auch schnell wieder. In der gesamten Nacht passierte nichts mehr, doch erst nach Stunden schloss sie endlich ihre Augen und selbst dann lauschte sie angespannt auf die Klänge der Natur.

Früh am Morgen weckten ein paar Sonnenstrahlen den bis dahin schlafenden Mark. Müde rieb er sich die Augen, er hatte von der gesamten Aktion in der Nacht nichts mitbekommen. Schlaftrunken griff er sich eine Frucht aus seiner Tasche und betrachtete die müden und etwas verängstigten Gesichter der anderen. Er nahm einen kleinen Schluck aus seiner Wasserflasche, denn sie war fast leer. Nach weniger als einer halben Stunde hatten sie ihr Nachtlager abgebaut und waren von dem großen Baum hinabgestiegen.

Zusammen liefen sie in Richtung Norden, was Melissa ein mulmiges Gefühl gab. Der weiche Boden hatte sich in Schlamm verwandelt und sie sanken bis zu den Knöcheln ein. Es dauerte nicht besonders lang, bis James erschrocken stehen blieb und sich zu Melissa umdrehte. Schnell trat sie zu James und erkannte was ihm den Atem raubte.

Eine Spur aus Trittsiegeln von beachtlicher Größe und weitem Abstand zwischen ihnen.

Was ist das?", entsetzt blickte auch Mark auf den Abdruck im Matsch.

Das Ding muss uns in der Nacht sehr nahe gekommen sein.", stellte Melissa verunsichert fest. James würdigte sie keines Blickes und erst recht keiner Antwort. Wie ein Fährtenleser hatte er sich über den Abdruck gebeugt und runzelte die Stirn. Er strich sich über den Nacken und blickte zu den beiden hinauf.

Wenn ich von diesen Ausmaßen auf die Körpergröße schließe, kann uns nur angst und bange werden. Dieses Wesen muss wahrhaftig riesig sein.", kommentierte James ernst, „Wir müssen weiter gehen, damit wir heute noch auf der Bergspitze ankommen."

Aber dann laufen wir dem Ungetüm doch direkt hinterher, wollt ihr das wirklich?", fragte Mark.

Was schlägst du sonst vor?", überlegte sie.

Wir machen einen Umweg, von etwa einer Stunde und erkunden das Gelände.", zog er in Betracht.

Nein. Es wäre fatal, wenn wir eine zusätzliche Nacht hier im Dschungel schlafen müssten.", entschied James, Melissa stimmte ihm zu.

Achtsam trabten die anderen beiden hinter ihm her, Mel berichtete dem ahnungslosen Mark von den Geräuschen in der Nacht.

Immer häufiger kamen sie an kleinen Tümpeln vorbei, die sich im Schlamm bildeten. Und als der Boden endlich wieder etwas fester wurde, ging der Urwald in Buchen, Eichen und Fichten über, die großen meterhohen Bäume wurden immer weniger und schon bald erkannten sie die steilen Berghänge und weit über ihnen das Ziel des heutigen Tages. Steinig, kahl und felsig ragte der Berg über ihnen auf und der Schattenwurf in der hellen Nachmittagssonne war überwältigend.

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