7. Aufbruch
In den späten Morgenstunden des nächsten Tages schlurfte Melissa kraftlos und barfüßig über den vor ihr liegenden Strand. Einige Wellen der Brandung schwappten zu ihr. Das eiskalte, klare Wasser lies sie im sandigen Boden einsinken und erfrischte ihren müden Geist. Ihr Blick schweifte über den Horizont. Keine Wolke war am Himmel zu sehen und die Sonne erwärmte die Luft. Melissa bückte sich und streckte ihre Hände in die ablaufende Strömung. Ihr langes, offenes Haar fiel über die Schulter, die Spitzen tauchten in das salzige Nass.
Gemütlich schlenderte sie zur Kapsel zurück.
Lautstark versuchte Mark Isaac dazu zu überreden, ihm einen zweitägigen Marsch durch den Dschungel auf eine hochliegende Lichtung gemeinsam mit James zu genehmigen.
„Und was ist mit unseren heutigen Vorsätzen?", fragte Isaac dominant, „Und denen von Morgen, die Hütten bauen sich nicht von alleine, außerdem kann ich nicht zwei meiner Männer einfach in den Regenwald schicken, ohne zu wissen, was ihr da genau wollt."
„Wir sollten uns langsam mal einen Plan von der Umgebung machen. Wir können doch nicht ewig hier bleiben ohne zu wissen wo wir überhaupt sind.", warf Mark ihm vor. James hielt sich aus der ganzen Diskussion heraus, lehnte an der Wand und blickte nur zu Melissa, die lauschte. Genüsslich lächelte er ihr entgegen, als habe er Spaß die beiden beim Streit zu beobachten. Erst jetzt fiel Melissa seine dünne und trockene Haut auf. An Stirn, Augen und Wangen zeichneten sich stellenweise Falten und unliebsame Flecken ab. Doch seine hellen blauen Augen und sein kurzes pechschwarzes Haar, machten es Melissa schwer sein Alter zu schätzen.
„Wir wissen doch gar nicht was da draußen alles lebt.", entgegnete Isaac und deutete in Richtung Wald.
„Warum lässt du uns es nicht heraus finden?", schimpfte sein Gegenüber. Isaac schnaubte.
„Bitte, geht wohin ihr wollt, anscheinend hält sich so oder so keiner außer mir an die Planungen.", fluchte Isaac und stapfte wütend und verständnislos an Mel vorbei aus der Kapsel. Überwältigt und sprachlos starrte Melissa Mark an und wusste, dass das die Chance für sie war dem Drang, in den Wald zu gehen, umzusetzen.
„Ich hol dann mal die Ausrüstung.", gab James von sich, schlurfte in ihre Richtung und nickte ihr zu als wüsste er schon was sie gleich fragen wollte.
„Darf ich mitkommen?",fragte Melissa noch immer eingeschüchtert als James an ihr vorbei lief.
„Ich habe ehrlich gesagt fest damit gerechnet.", freute sich James und klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter.
„Wenn du es schaffst deine Klamotten und deine Ausrüstung schnell genug zu packen, dann habe auch ich nichts dagegen"
Mit einem lautlosen Nicken zu Mark, griff sie hastig zu einem geräumigen Rucksack sowie zu ihrer Kleidung für vier Tage und allem was sie sonst noch für wichtig empfand.
Die beiden Männer ließen sie in der Kapsel alleine, aber James lief, kurz bevor Mel fertig gepackt hatte, noch einmal zu ihr.
„Wofür ist das?", fragte Melissa als James ihr einen Gürtel mit einem Messer in einer ledernen Scheide entgegenstreckte.
„Nur für den Fall.",entgegnete James ernst. Sie biss sich auf die Unterlippe.
„Glaubst du wirklich, dass es nötig ist?", sie blickte kritisch in seine Augen.
„Man weiß ja nie.", antwortete er schnell und drückte den Gürtel noch fester in ihre Hand.
Mit großen Bedenken schnallte sich Melissa den Gürtel um, zog das Messer aus der Scheide und betrachtete die Waffe. Der hölzerne Griff, lag gut in der Hand. Die Damaszenerklinge mit hauchdünnem Klingenblatt, wies eine klare Struktur auf. Das Messer war in einem sehr guten Zustand, sie erkannte keine Gebrauchsspuren.
Nachdem sie es zurück gesteckt hatte und etwa ein halbes dutzend der gelben Früchte in ihrem Rucksack verschwinden lies, griff sie zu einer der großen Wasserflaschen. Doch als sie zu dem Kanister in der Kapsel lief, sah sie, dass dieser nur noch bis zu einem Drittel befüllt war. Sie wusste, dass es der letzte Kanister war und sie danach auf Regenwasser und Quellen angewiesen waren. Das Problem bei der Sache war nur, dass es seit ihrer Ankunft nicht geregnet hatte und eine Quelle noch nicht entdeckt worden war, weil Isaac bisher nicht wollte, dass das Gelände ausgekundschaftet wird, damit niemand in Gefahr gebracht wird.
Melissa war sich unsicher ob sie ihre Flasche noch befüllen oder ob sie das Wasser denen, die hier bleiben würden überlassen sollte und damit zwar ein großes Risiko einging, den anderen damit aber mehr Zeit verschaffte Trinkwasser zu finden. Oder ob sie sich nur um ihre eigenen Pläne kümmern sollte.
James und Mark riefen schon nach ihr, als sie immer noch überlegte. Sie beschloss ihre Flasche mindestens bis zur Hälfte zu füllen.
Hastig packte sie die halbvolle Flasche ein, warf sich den Rucksack über die Schulter und rannte nach draußen, wo die anderen beiden schon am Rande des Waldes auf sie warteten. Kate, Zoe und auch Christian winkten ihnen hinterher, Isaac lies sich nicht blicken, als sie zwischen den ersten Bäumen verschwanden.
Mark blieb stehen und hatte denselben erstaunten Gesichtsausdruck wie Melissa als sie das erste mal den Urwald betrat, die dunklen Augen weit aufgerissen, den Mund leicht geöffnet und die Augenbrauen gekräuselt.
„Willkommen im Dschungel!", grinste Melissa und stupste ihn mit ihrer Schulter absichtlich an. Sie und James gingen vor und Mark trabte um sich schauend hinterher.
Sie liefen schon etwas über drei Stunden als der Wald immer dichter und schwer begehbarer wurde. Doch James war Jäger und schien deshalb auf alles vorbereitet zu sein. Er holte aus seinem Rucksack ein großes Buschmesser heraus. Gekonnt schlug er eine Bresche durch die Gräser und durch das mit Dornen besetzte Gestrüpp.
Die Schwüle machte ihnen das Atmen schwer und die Temperatur des Nachmittags war fast unerträglich heiß. Immer weiter ging es im gleichen Trott, oft schreckten sie wegen den Tierlauten oder wegen Einbrüchen der Stille, auf, Doch außer einigen Libellen, Käfern und hoch oben in den Baumkronen sitzende Vögel, hatten sie noch keine Tiere gesehen.
James hatte ihnen geraten, sich nicht durch laute Geräusche zu verraten. Leise schritt er als erstes voran - in der rechten Hand das Buschmesser in der anderen den Kompass. Die meisten Bäume erinnerten Melissa ein wenig an Drachenbäume, Eukalyptus oder Ameisenbäume.
„Christian hätte jetzt seinen Spaß.", flüsterte sie leise Mark, der hinter ihr lief, zu. Der grinste nur.
Ein leises: „Psst!", kam von vorne zu ihnen. Sie drangen durch die letzten Büsche und Farne, bis sie auf eine, wenn auch nur sehr kleine Lichtung kamen. An diesem Ort, wo das Sonnenlicht den Untergrund traf, verwandelte sich der Waldboden in eine Wiese. Ein kleiner Bach plätscherte. Mel riss sich ihren Rucksack vom Leib und kramte ihre bereits leer getrunkene Flasche und ein Reagenzglas für einem Wasserschnelltest heraus. Nach dem positiv ausgefallenen Testergebnis, trank sie gierig und versuchte das Wasser in ihre Flasche zu füllen.
„An einem solchen Bach und der Lichtung müsste man doch eigentlich einige Tierspuren sehen, oder?", fragte Mark in die kleine Runde nachdem auch er sich an dem Wasser erfrischt hatte. James kratzte sich am Hinterkopf.
„Ja!", erwiderte er zögernd. Er blickte in alle Richtungen. Eine Zeit lang rasteten sie noch, bis jeder eine Frucht gegessen hatte und bereit war weiter zu gehen.
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