6. Durchbruch



Farne streiften ihre Beine, als Melissa am Rande des Waldes nervös auf und ab lief. Gespannt wartete sie darauf, dass James und Isaac wieder aus dem Wald traten, denn die Nahrung wurde langsam knapp und bis in den Beeten das Gemüse reif war dauerte es noch eine ganze Weile. Die beiden hatten sich schon vor über zwei Stunden durch die Lianen und Farne geschlagen um etwas Essbares zu finden. Melissa wusste ebenso gut wie die anderen, wie leicht es sei, sich in einem so monströsen Urwald zwischen all den Bäumen zu verlaufen und nie wieder herauszukommen. Und doch spielte sie mit dem Gedanken ihnen nachzugehen und sie zu suchen.

Während Christian in sein kleines Notizbuch schrieb, warf er ihr immer wieder argwöhnische Blicke zu, er wusste genau was sie sich dachte.

Das ist Sperrgebiet, du darfst da nicht so einfach hinein!", versuchte er es ihr erneut zu erklären. Doch Melissa beachtete ihn nicht.

Ein leiser hilfloser Ruf drang aus dem Regenwald zu ihr hinüber. Sie erkannte zwar die Stimme nicht, war sich aber dennoch sicher, dass es James oder Isaac sein mussten. Ihr Mundwinkel zuckte verdächtig, bevor sie noch einmal zu Chris schaute, mit einer kopfschüttelnden Bewegung blickte er zu ihr auf.

Das sieht der Plan nicht vor!", behauptete er kurz nachdem Mel schon im Dschungel verschwunden war und in die Richtung des Zurufs eilte. Bis zu diesem Zeitpunk, hatte sie diese unberührte Landschaft noch nicht betreten gehabt.

Schnell tauchte sie in eine Welt voller tropischer Schönheit ein. Sie bremste ab und riss verblüfft die Augen auf. Die unzähligen Blätter raschelten im Wind und ließen kaum einen Sonnenstrahl bis auf den Boden hinab scheinen. Die Schwüle machte ihr das Atmen schwer und bei jedem Schritt, sanken ihre Stiefel in dem weichen Untergrund ein. Die Geräusche waren so vielfältig, fremdartig, unheimlich und gaben Melissa ein Gefühl, das sie so noch nie hatte. Allein die Tierwelt konnte sie ins Staunen versetzen, nicht nur die vogelartigen Geschöpfe oben in den Baumkronen, sondern auch die Insekten, die um sie herumschwirrten. Es war ein Gefühl, als würde sie aus allen Wolken fallen.

Der Ruf ertönte noch einmal und durchdrang die Natur. Doch jetzt klang er unbekümmert und mehr wie ein Freudenschrei, als nach Angst und Panik wie zuvor. Langsam setzte sich Melissa erneut in Gang und steuerte auf die nun immer wieder schallenden Rufe zu. Sie marschierte noch nicht lange, als sie im Dickicht die zwei Gestalten bemerkte. Sie trugen zwei schwer aussehende Kisten, gefüllt mit reifen Früchten. Melissa wollte gar nicht wissen, ob sie dafür wirklich an einem der haushohen Bäume hinauf geklettert waren oder was sie sonst noch dafür riskiert hätten. Isaac schien über ihre Anwesenheit im Dschungel nicht begeistert zu sein, denn Melissa gefährdete schon wieder den Plan. Als sie näher kamen, nahm Melissa ihnen eine der Kisten ab. Zusammen schleppten sie diese bis an den Rand des Waldes. Als Chris die drei mit den Früchten erblickte, machte er Freudensprünge. Melissa fragte sich nur, ob diese wirklich ihnen galten oder den Früchten, die er nun ausgiebig untersuchen konnte. Auch Kate, Mark und Zoe bekamen die Ankunft mit und lugten neugierig aus dem Fenster der Kapsel.

Chris nahm eine sonnengelbe Frucht aus einer Kiste und betrachtete sie eingehend. Die Form glich einer Avocado, doch als Christian sie mit einem kleinen Messer teilte, sah man vereinzelt kleine Kerne. Ein süßer Duft stieg den Anwesenden in die Nase.

Habt ihr euch schon daran vergriffen?", fragte Chris. Empört schüttelte Isaac den Kopf.

Was glaubst du denn? Wir gefährden doch nicht unser Leben!", gab er von sich und starrte Melissa vorwurfsvoll in die Augen.

Chris untersuchte die Früchte um sicherzugehen, dass sie keine Giftstoffe enthielten. In der Zwischenzeit hatte sich Melissa auf ein Fundament der Hütten, die James und Isaac bauten, gesetzt. Tagträumend dachte sie an das was sie gerade eben alles wahrgenommen hatte. Auf einmal wusste sie nicht mehr, warum sie sich zuvor gescheut hatte den Regenwald zu betreten, und tief im Inneren verspürte sie den Drang noch einmal ihre Füße in den Wald zu setzen.

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Bei Anbruch der Nacht saßen alle Mitglieder beisammen und blickten in die lodernden Flammen des Lagerfeuers am Strand. Der Sand war noch warm. Eine leichte Brise verwehte das dunkle Haar von Zoe und vereinzelt flogen ein paar Funken mit dem Rauch in die Höhe bis sie verglühten. Chris teilte die essbaren Früchte aus und vorsichtig nahm Melissa einen Bissen. Auf der Zunge zerfiel die eben noch recht harte Frucht und ein süßlich schmeckender Saft trat aus dem Inneren. Sie biss sofort noch einmal hinein, es war ein Geschmack, den sie noch nie zuvor probiert hatte und doch hatte sie das Verlangen weiter daran zu naschen. Erst nach einigen Bissen schmeckte sie, den etwas bitteren Nachgeschmack, der im Mund blieb nachdem sie heruntergeschluckt hatte. Melissa blickte hinauf in den Himmel, die Sterne und der milchweiße Mond schienen ihr so vertraut wie eh und je und doch hatten auch diese sich verändert.

Mel hielt ihre sonst so warmen Hände an das Feuer und sah den Schattenspielen der Flammen auf dem Boden zu. Es schien alles so perfekt zu sein.

Nach und nach füllten sich die Bäuche der Teilnehmer und die gefräßige Stille wurde von Erzählungen, aus dem Leben vor der Mission, abgelöst. Melissa sprach kaum, aber sie hörte gespannt zu.

Wie schön es doch hier ist", begann Mark auf einmal, „Und dabei war die ganze Welt verbrannt und verglüht. All das hier ist ein Leben aus der Asche." Die anderen stimmten ihm zu.

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