(7) Risse
- Hermine -
Sonntag wurde Ron dann endgültig entlassen. Wir verbrachten den ganzen Tag in der Bibliothek, da ich angeboten hatte, ihm dabei zu helfen, den wichtigsten Stoff der Woche nachzuholen. Es fiel ihm schwer, lange konzentriert zu arbeiten, weshalb wir einige Pausen einlegen mussten.
„Du bist die Beste, Hermine. Ohne dich hätte ich das alles nicht geschafft", meinte Ron irgendwann. Viel hatten wir zwar eigentlich noch nicht geschafft, jedoch nahm ich das Kompliment zufrieden und etwas geschmeichelt an.
Ich war heute erstaunlich gut gelaunt. Zwei Mal bin ich schon beim Ei gewesen, um zu überprüfen, ob es ihm wirklich gut ging. Einmal einfach nur so, das zweite Mal weil mein Zauberstab kaum merkbar Signale gesendet hatte. Und tatsächlich, es war ein winziger, ganz kleiner Riss im Ei gewesen.
Ron hatte das Signal nicht einmal bemerkt und Malfoy wahrscheinlich auch nicht. Ich konnte das Schlüpfen beinahe nicht abwarten. Nicht nur weil ich eine gute Note beim Projekt erreichen konnte. Nein, weil ich endlich eine Aufgabe hatte. Ich trug große Verantwortung für dieses Geschöpf und wollte ihm das bestmögliche Leben bieten.
Ohne Liebe und Zuwendung würde es eingehen, wie jedes Lebewesen. Da schoss mir Malfoy durch den Kopf. Der war deswegen wahrscheinlich auch eingegangen.
Der Tag verging ohne weitere, besondere Ereignisse. Am Abend jedoch merkte ich erfreut, wie Ginny und Harry allein auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum saßen. Ich gestellte mich kurz zu ihnen, redete über Belanglosigkeiten und begab mich dann ins Zimmer, um die beiden allein zu lassen.
Ins Bett gekuschelt schnappte ich mir den Muggelroman meiner Mutter, Wolkenatlas, und las darin bis ich müde wurde.
*
Für die Stunde Pflege magischer Geschöpfe wurden alle Schüler zu dem Stall gebracht, den wir schon kannten. Natürlich eilte ich sofort zum Augurey-Ei. Erfreut bemerkte ich einen weiteren, feinen Riss in der harten Schale. Er musste entstanden sein, als ich geschlafen hatte, weil ich das Signal meines Zauberstabes nicht gespürt hatte, welchen ich übrigens seitdem ständig bei mir trug.
Ron kam zu mir und bestaunte die Risse ebenso. Malfoy war bei den anderen geblieben, wahrscheinlich sah er sich die Übergabe der anderen Tierwesen an die Schüler an. Ich überprüfte noch einmal den Wärmezauber, dann gingen wir ebenso zu den anderen.
Es waren alles winzige Wesen, Säuglinge. Sie alle stammten aus einer Umgebung, die ihnen nicht gut getan hätte. Ich bewunderte Hagrid dafür, dass er mit seinem Unterricht so vielen Tieren geholfen hatte.
Neugierig warf ich einen Blick in die Boxen der anderen Schüler. Ich sah einen Knuddelmuff, ein beliebtes Kinderhaustier mit vanillefarbenem Plüschfell und rosa Zunge, das wohl eine Vorliebe für Nasenpopel haben sollte.
Weiterhin entdeckte ich einen kleinen Kniesel-Säuging, eine gefleckte Katze, die magische Instinkte und Fähigkeiten hat.
Dann sah ich einen Moke, eine hellgrüne Eidechse, die sich bei Gefahr so klein machen kann, dass sie kaum mehr zu sehen ist.
In einer anderen Box schien in Zukunft ein Murtlap zu leben, einem rattenähnlichen Wesen, welches ein Rückengewebe hat, aus dem Heilmittel gewonnen werden könnte.
Mit Bestürzen sah ich dann noch eine kleine Baby-Fee, die unseren Augurey mit Vergnügen verspeist hätte, wenn die Boxen nicht magisch verschlossen wären.
In der letzten Box entdeckte ich eine Feuerkrabbe. Ihr Panzer war mit rot schimmernden Juwelen besetzt. Sie soll sich wohl durch explosionsartige Feuerschübe bewegen. Bei diesem Geschöpf standen Blaise Zabini, Parkinson und Malfoy. Da war er also geblieben, statt sich um unser Ei zu kümmern.
Pansy funkelte mich an und bedeutete mir mit einem bösen Blick, dass ich wieder gehen sollte. Arme Feuerkrabbe, dachte ich mir da. Dann rügte ich mich aber innerlich für meine Vorurteile. Vielleicht zog sie das Wesen ja trotzdem gut auf. Das hoffte ich zumindest.
*
Am Nachmittag war so schönes Wetter, dass wir spontan entschlossen, zum See zu gehen. Auch Neville und Luna begleiteten uns. Die Sonne schien warm am Himmel und ihr Sonnenlicht spiegelte und funkelte im hellblauen Wasser des Sees.
Wir waren nicht allein, anscheinend hatte es einige Schüler bei dem Wetter nach der Schule nach draußen gezogen. Wir setzten uns alle auf ein paar ausgefaltete Picknickdecken.
„Ihr hättet Snape sehen sollen, wie Hermine ihn heute verbessert hat. Ich dachte ich brech jeden Moment in Lachen aus und Snape schneidet mir deswegen die Kehle durch", lachte Ron schon wieder los. Seit der letzten Unterrichtsstunde amüsierte er sich darüber.
„Ja, das war echt genial", stimmte ihm Harry grinsend zu.
„Snape hat es in letzter Zeit weniger auf dich abgesehen, kann das sein?", frage ich Harry nachdenklich. Der zuckte aber nur mit den Schultern.
Normalerweise war Snape wirklich gemein zu ihm, sogar fast schon unfair, was sich in den letzten Tagen aber gar nicht so gezeigt hatte. Es schien wirklich Ruhe nach Hogwarts gekommen zu sein, ganz wie ich es zu Anfang des Schuljahrs vorausgesagt hatte.
Naja, wenn man von dem einen Vorfall im verbotenen Wald absah.
Wir quatschten noch ein wenig, da verabschiedeten Ron und Harry sich. „Die Slytherins sollten jetzt mit dem Training fertig sein. Kommst du nicht mit, Ginny?", fragte Harry verwundert, da die Weasley einfach auf der Decke liegen blieb.
„Ja, ich komm ja schon", antwortete diese mit qualvoller Stimme. Sie hatte die Ruhe und den Sonnenschein wohl genossen. „Ich muss dir später noch was erzählen", flüsterte sie mir zu, bevor sie aufstand.
„Okay", meinte ich lächelnd, voller Neugier, was sie mir Spannendes zu sagen hatte.
Neville, Luna und ich lagen noch faul auf den Decken herum und blinzelten in den Sonnenschein, während wir uns Witze und Geschichten erzählten. Langsam wurde es ein bisschen kälter und die Sonne schien nicht mehr ganz so stark. Sie war schon in die Richtung der Hügel gewandert, hinter denen sie untergehen würde.
Plötzlich fühlte ich mich alarmiert. Ich griff nach meinem Zauberstab. Er leuchtete und strahlte Wärme aus. Er vibrierte sogar etwas. Schnell entschuldigte ich mich bei Neville und Luna und erklärte, dass ich sofort gehen musste. Die beiden winkten beruhigend ab und sagten, dass es kein Problem für sie sei, gleich hier aufzuräumen. Dankend verabschiedete ich mich und ging schnell um das Schulgebäude herum.
War der Augurey gerade schon am schlüpfen? Und war Ron schon mit dem Training fertig? Aufgeregt beschleunigten meine Schritte sich, bis ich beinahe rannte.
Ich öffnete die Tür der Scheune und hörte die Geräusche von einigen der Tierwesen. Doch Schüler waren hier keine, die genossen bestimmt ebenso den warmen Sommerabend. Ich eilte zur letzten Box der Scheune und betrat sie mit laut und heftig klopfendem Herzen. Niemand war da. Nur das Ei in der Mitte des Raumes, umgeben von dem Wärmezauber.
Ich stellte mich an die Heukiste und betrachtete das Ei. Seit ich es das letzte Mal gesehen hatte, hatte es viel mehr Risse. Es konnte nun wirklich nicht mehr lange dauern. Ich schätzte ab, ob ich es noch in mein Zimmer schaffen würde, um die Gläser mit den Insekten zu holen. Dann beschloss ich, dass ich es noch rechtzeitig schaffen würde und sprintete los.
Meine Seiten taten weh, doch ich war in Rekordzeit in meinem Zimmer, schnappte mir die Gläser und raste dann zurück zur Scheune.
Ich zog die Tür auf und rannte zum Ei. Merlin sei dank, es war noch nicht geschlüpft. Zeit, um mir Gedanken zu machen wo Ron oder Malfoy waren, hatte ich keine. Mir tat alles weh, so schnell war ich gelaufen. Die Risse im Ei kreuzten sich nun sogar. Und ich hörte ein ganz leises, sanftes Knacken der Schale. Ich stand einfach dort und bestaunte das Ei.
Dann zog ich mir meine dünne Stickjacke aus. Vom Rennen war mir wirklich warm und der Wärmezauber kühlte mich nicht gerade ab.
Gut, dass wir heute in der Unterrichtsstunde noch die Box mit gezaubertem Gras und Moos ausgelegt hatten. Ein wenig Zeit zum Schlüpfen des Vogels hatte ich noch.
Konzentriert sah ich die Ecke der Box an und zauberte einen kleinen Baum, dessen Baumkrone die Decke des Stalles berührte. Das war gar nicht so einfach, weil mein Zauberstab immer heißer wurde und mehr vibrierte. Der Baum hatte einige zur Seite ringende Äste, auf denen der Vogel später ein Nest bauen könnte. Ich war gerade dabei, die Gläser aus meinem Rucksack zu holen, da hörte ich die große Scheunentür aufschwingen.
Schnelle, schwere Schritte waren zu hören. Malfoy erschien im Eingang zur Box. Seine Haare waren etwas dunkler als sonst, weil sie nass waren. Sie tropften ihm auf sein weißes Hemd, das im übrigen, wohl in Eile, falsch zugeknöpft wurde.
Das war das erste Mal, dass ich froh war, ihn zu sehen. Ich war nicht allein, wenn der Augurey schlüpfen würde.
„Hey", begrüßte er mich außer Atem.
„H-Hey", stammelte ich zurück.
Der Slytherin war schnell bei mir und stand vor dem Ei. „Merlin sei dank, ich bin rechtzeitig", schnaufte der. Er war ziemlich außer Atem.
Erstaunt blinzelte ich ihn an. War ihm der Vogel vielleicht wichtiger als ich geglaubt hatte?
„Was glotzt du so, Granger? Ich hab nur keinen Bock, dass das Vieh mich später nicht leiden kann", erklärte er mir sofort, als er meinen Blick bemerkt hatte. „Wo ist das Wiesel?", fragte er dann.
„Keine Ahnung. Vor einer Weile ist er zum Training gegangen." Ich konnte die Besorgnis in meiner Stimme hören. Es konnte nicht mehr lange dauern. Ron, beeil dich doch!
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Vielen Dank fürs Lesen!! ❤
Für Votes und Kommentare bin ich immer sehr dankbar, aber das kennt ihr ja jetzt schon von mir 😶😊
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