(5) Der Eulenturm
-Hermine-
Als ich außer Sichtweite sein musste, rannte ich los. Erst vor dem Gemeinschaftraum stoppte ich, nannte das Passwort und lief in mein Schlafzimmer. Ginny war nicht da.
Ich warf die Tür zu und lehnte mich mich heftig pochendem Herzen an sie. War Malfoy jetzt völlig durchgedreht? Das konnte doch nicht sein Ernst gewesen sein!
Nur dieses schreckliche Gefühl sagte mir, dass das alles vorhin überhaupt passiert war. Das erste Anzeichen von Gewalt und Bedrohung von einem dieser Familie und schon war ich geschockt und regungslos gewesen.
Meine Wangen glühten rot. Einerseits weil ich mich schämte und andererseits, weil ich so unglaublich wütend war.
Fieberhaft überlegte ich, wie ich mit damit umgehen sollte. Mit ihm umgehen sollte. Ich wusste, dass es seine Intention gewesen war, mich vollkommen einzuschüchtern. Genau das wollte er. Genau das durfte ich ihm also nicht geben. Am besten wäre es wohl, wenn ich so tun würde als wäre das nie passiert, als wäre mir das total egal.
Mein Ausraster vorhin hatte zwar etwas komplett anderes gezeigt, aber ich würde mich jetzt beruhigen und das alles vergessen.
Hoffentlich war Ron bald schon wieder gesund. Mit diesem Arschloch von Malfoy würde ich ganz sicher nicht mehr alleine irgendwo hingehen.
Im Badezimmer spritze ich mir kaltes Wasser ins Gesicht. Es war Zeit zum Abendessen und ich war fest entschlossen, mir nichts anmerken zu lassen.
*
„Hermine, ist alles ist Ordnung?", kam es beim Essen prompt von Ginny. Oh man, war ich echt so leicht zu durchschauen?
„Ja natürlich, warum?", ich bemühte mich um einen unwissenden Gesichtsausdruck.
„Keine Ahnung, du siehst irgendwie gestresst aus", erwiderte sie.
Das lag wohl an der Anstrengung, nicht den kleinsten Blick zum Slytherin-Tisch zu werfen. „Das liegt wohl an den Schulaufgaben und unserem Projekt", meinte ich nachdenklich.
Mitfühlend sah mich Ginny an.
„Kommst du denn gleich trotzdem mit, Ron besuchen?", erkundigte sich Harry.
„Aber natürlich", sagte ich entschlossen.
Dieses Vorhaben setzten wir nach dem Abendessen auch in die Tat um. Ron schien es auch tatsächlich schon besser zu gehen. Er sah wieder normal aus, machte wieder Scherze und erzählte, dass er das Quiddichtraining vermisse. Madam Pomfrey erlaubte sogar, dass wir mit ihm draußen ein wenig frische Luft schnappen konnten.
Langsam und warm angezogen ging er in unserer Mitte die Treppen hinunter. Als wir dann einen Gang entlanggingen, wäre ich am liebsten sofort wieder umgekehrt. Diesen ging nämlich gerade Malfoy mit Parkinson entlang, genau auf uns zu.
Ich hörte Ron neben mir genervt stöhnen. „Nicht der." Er sprach exakt meine Gedanken aus.
„Ach, Weasley, zum Spazierengehen geht es dir aber gut genug?", spottete der blonde Junge mit erhobenem Kopf.
Mir war sofort klar, dass Malfoy den Ausflug in den Wald andeutete. Bei dem Gedanken daran versuchte ich angestrengt, nicht rot oder wütend zu werden.
Ron sah verwirrt aus. „Ja, warum?", warf ihm Ron entgegen.
„Ach, nur so. Wir sehen uns dann Montag, Projektpartner." Mit diesen Worten ging Malfoy auf uns zu. Parkinson sah mich giftig an, Malfoy dagegen würdigte mich keines Blickes.
"Was?", fragte Ron erschrocken. Die Situation wurde immer unangenehmer.
„Oh, da hat dir Granger ja wohl noch was zu erzählen", säuselte Malfoy, während sie vorbeigingen.
Entnervt hielt ich mir die Finger auf meine Schläfen.
„Ähm, Hermine?" Ron sah mich fassungslos an. Schuldbewusst sah ich zurück.
„Entschuldige bitte. Ich hab es für besser gehalten dir noch nicht davon zu erzählen."
„Wovon zu erzählen?"
„Malfoy wurde in Pflege magischer Geschöpfe in unser Projekt eingeteilt", gab ich schließlich zu.
„Was? Warum? Und wieso hast du es mir nicht erzählt?", platze es aus ihm heraus.
„Ich wollte nicht das du dich aufregst, nicht bei deinem Gesundheitszustand", erklärte ich und sah hilfesuchend zu Harry.
„Ja das stimmt wirklich. Sie hat sich nur Sorgen gemacht", pflichtete er mir bei.
Ron sah nicht sauer aus. Er wirkte eher schockiert. „Das ist doch total scheiße. Hätte er nicht wo anders mitmachen können?"
„Nein, als du nicht da warst hat Professor Raue-Pritsche ihn einfach bei uns eingeteilt und Hagrid meinte, er soll bei uns eingeteilt bleiben damit ich nicht alleine arbeiten muss", berichtete ich unglücklich. Wir setzten unseren Weg zum Schulhof fort.
„Dann musstest du ja die ganze Woche allein mit ihm arbeiten", realisierte Ron plötzlich erschrocken.
„Ja, wir haben uns aber einfach ignoriert", beruhigte ich ihn. Er wirkte immer noch erschüttert, weshalb Harry und ich versuchten ihn abzulenken, indem wir das Thema wechselten.
Die Abendluft war angenehm kühl und fühlte sich frisch in den Lungen an, wenn man tief einatmete. Ich erzählte Harry und Ron von dem Augurey, den ich gezogen hatte. Wie erwartet war Ron nicht begeistert, aber er beschwerte sich nicht so, wie Malfoy es getan hatte.
Später brachten wir Ron wieder zurück und verabschiedeten uns. Nachdem ich noch ein paar Schularbeiten erledigt hatte legte ich mich erschöpft ins Bett.
Es war wirklich ein anstrengender Tag gewesen. Ohne noch viel nachzudenken war ich auch schon eingeschlafen.
*
Vom durch das Fenster scheinendem, hellen Sonnenlicht wurde ich irgendwann wach. Müde setzte ich mich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Ginny schlief noch.
Ich ging ins Bad, nahm eine erfrischende Dusche und machte mich fertig. Als ich ins Zimmer zurück kam, saß eine Briefeule am Fenster und pikte gegen das Glas. Dass Ginny davon nicht wach geworden war, war ja fast schon ein kleines Wunder.
Zügig öffnete ich und streichelte die Eule sanft. Dann nahm ich den Brief an mich. Sofort flog sie wieder weg. Anscheinend wurde keine Antwort erwartet.
Liebe Hermine,
das Augurey-Ei ist da! Komm bitte nach dem Frühstück zu meiner Wildhütte. Die anderen sind schon informiert.
Liebe Grüße,
Hagrid
Einerseits hoffte ich, Ron würde heute dabei sein, damit ich nicht mit Malfoy alleine war. Andererseits hatte ich Angst davor, dass er Andeutungen machen könnte und Ron von dem Vorfall im verbotenen Wald erfahren könnte. Aber egal wie es auch kommen würde, durch Grübeln konnte ich sowieso nichts ändern.
Sanft weckte ich Ginny, die wohl sehr tief und fest geschlafen hatte. Beim Frühstück bekam ich kaum etwas herunter. Ich freute mich wirklich schon auf das Augurey-Ei und war gespannt, wann es endlich schlüpfen würde. Zwar war ich mir sicher, mittlerweile schon jeden Artikel der Schulbücher über das Wesen gelesen zu haben, trotzdem fühlte ich mich irgendwie unvorbereitet.
Ich konnte sowieso nichts mehr essen, deshalb machte ich mich direkt auf den Weg zur Waldhütte.
Laut klopfte ich an, doch niemand öffnete. Naja, wahrscheinlich war ich einfach etwas früh. Deshalb setzte ich mich auf die Holzstufen vor der Tür und beobachtete einige vor dem Eulenturm herumfliegende Eulen. Majestätisch streckten und falteten die ihre Flügel, flogen ihre Bahnen um den Turm herum oder waren auf dem Weg zum Schloss.
Manchmal fragte ich mich, wie es wohl wäre, so hoch oben in der Luft zu sein. Für mich bedeutete es wohl pure Angst, aber für manch anderen bedeutete es vielleicht die pure Freiheit.
"Granger." Mein Herz machte einen Satz. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie sich Malfoy genähert hatte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top