(36) Schule, Lernen, Zukunft

- Hermine -

Der einzige Ort, wo ich Malfoy außerhalb des Unterrichts gesehen hatte, war in der großen Halle bei den Mahlzeiten. Freitag Mittag war er nicht da. Das bemerkte ich, weil ich irgendwie immer aus Versehen zu seinem Tisch geschaut hatte. Ich versuchte nicht darüber nachzudenken und wandte mich wieder meinem Essen zu.

„Wollen wir heute Abend in der Bibliothek lernen?", schlug Ginny vor und lenkte mich damit von meinen Gedanken ab. 

Ron und Harry stöhnten genervt, doch ich war natürlich begeistert. „Ja, klar! Und ihr beiden solltet wirklich mitkommen, die Prüfungen stehen bald an", wandte ich mich zu den beiden Jungs.

„Aber-", setzte Harry an, doch dann sah ich, wie sein verängstigter Blick neben mir hängen blieb. Ich sah zur Seite und erkannte Ginny, wie sie ihn eindringlich ansah. Ich schmunzelte und blickte Harry an, der unter ihren Blicken aufgab und seufzte. „Ja, machen wir."

„Nach dem Abendessen?", fragte Ron und richtete seinen Blick auf mich, woraufhin ich nur nickte. Ich musste dringend mit ihm sprechen. Und ihm sagen, was ich bei dem Kuss gefühlt hatte. Beziehungsweise, was ich nicht gefühlt hatte.

Doch er sah mich die ganze Zeit mit diesem Blick an und war so nett zu mir. Ich hatte wirklich Angst ihn zu verletzen und unsere Freundschaft aufs Spiel zu setzen. Aber gleichzeitig wusste ich, wie unfair es von mir war, ihn so mit dieser Hoffnung zappeln zu lassen.

Langsam nervte mich dieses Liebeschaos wirklich gewaltig. Wir waren in einer Schule und sollten lernen und uns auf unsere Zukunft vorbereiten, statt unsere Zeit und Nerven zu verwenden, als wären wir in einem Drama!

Diesen Satz machte ich zu meinem Mantra, als ich beim Abendessen saß und merkte, dass Malfoy schon wieder nicht da war. Schule, lernen, Zukunft. Zeit und Nerven sparen. Schule, lernen, Zukunft. Zeit und Nerven sparen...

Nach dem Essen gingen wir also zu viert in die Bibliothek und verkrochen uns in eine hinten liegende, ungestörte Ecke. Wir packten unsere Schulbücher aus und ich erkannte, dass ich die einzige war, die bereits für die Prüfungen mit unzähligen Lernzetteln und Aufsätzen vorbereitet war.

Bei Merlins Bart, die erste Prüfung fand in 21 Tagen statt und die hatten fast noch nicht mal ein Drittel gelernt? Ich verzichtete auf eine meiner Reden und meine Vorwürfe. Das alle drei an Arithmantik oder Kräuterkunde verzweifelten, war wohl schon Bestrafung genug.

  *

Sonntag Abend, als ich Malfoy wieder nicht beim Essen ausmachen konnte, begann ich mir Sorgen zu machen. Ich wusste, ich sollte das nicht tun. Aber ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, wo er wohl war und wie es ihm ging.

Nachdenklich sah ich hinüber zu Pansy, die sich sogar nicht zu wundern schien, dass Malfoy nicht da war. Wahrscheinlich deshalb nicht, weil sie wusste, wo er abgeblieben war. Ein Gedanke durchfuhr mich. Besser gesagt eine Idee, die ich nicht mehr aus dem Kopf bekommen konnte.

  *

Ich hätte wohl niemals vermutet das ich heimlich und spionierend hinter Pansy Parkinson herschleichen würde. Vorsichtig war ich ihr nach dem Essen gefolgt. Möglichst unauffällig hielt ich Abstand, nur um dann zu erkennen, dass sie durch die Tür zum Gemeinschaftsraum der Slytherins verschwunden war. Mist.

Ich stand unschlüssig im Gang und kam mir total bescheuert vor. Was war das nochmal gewesen? Schule, lernen, Zukunft, Zeit und Nerven sparen? Ich fühlte mich wie eine Verräterin gegenüber mir selbst. Beschämt wollte ich umdrehen, da sprang die Tür wieder auf.

Eilig schlich ich um die Ecke und schaute vorsichtig um sie herum. Tatsächlich, Pansy kam gerade mit einem mir unbekannten Mädchen heraus. Und sie gingen geradewegs auch mich zu. Panisch flüchtete ich den Gang hinab.

Ich hörte, wie sie redend weitergingen und glücklicherweise abbogen, sodass ich ihnen wieder folgen konnte. Je näher ich ihnen kam, umso deutlicher konnte ich ihr Gespräch hören. Doch ich vernahm nur einige Fetzen über Kleidung und irgendwelche Schulaufsätze.

Den Weg, den sie nun einschlugen, kannte ich wohl mit verschlossenen Augen. Die beiden Mädchen steuerten auf die Bibliothek zu. Erleichtert betrat ich hinter ihnen den Raum. Hier dürften sie mich gerne sehen, das würde ja keine Aufmerksamkeit erregen.

Sie setzten sich in zwei Sessel und zogen Bücher hervor, die sie dann zu besprechen schienen. Ich stellte mich an ein Bücherregal in ihrer Nähe und tat so, als würde ich nach etwas Bestimmtem suchen.

Ich wollte nicht darüber nachdenken, wie lächerlich und komisch ich war. Ich wollte einfach nur wissen, wo Malfoy steckte. Und wie ich Pansy kannte, dürfte es doch keine fünf Minuten dauern, bis sie wieder über ihn redete.

Ich wartete ab und schlug ein Buch auf. Oh, über Arithmantik. Interessiert schlug ich das Kapitel über die Zuordnung numerischer Werte zum lateinischen Alphabet auf. Ich überflog die Seite, jedoch erfuhr ich nichts, was ich nicht schon wusste.

„...Draco?"

Ich horchte auf und fluchte innerlich. Ich hatte nur noch seinen Namen aufgeschnappt. Meine Aufmerksamkeit richtete sich vollkommen auf die beiden Mädchen, die mich nicht beachteten.

„Morgen kommt er wieder", quietsche Pansy fröhlich. Ich konnte sehen, wie sie sich in ihrem Sessel aufrichtete. „Und dann?", fragte das Mädchen gegenüber von ihr neugierig. „Tja, naja, dann geht es wohl weiter mit uns", bekam sie eine gekicherte Antwort. Was ging weiter? Wo war er? Warum kam er erst morgen zurück, da begann die Schule doch schon wieder?

„Ach, du kannst dich so glücklich schätzen. Fast jedes Slytherinmädchen träumt davon, du zu sein", schwärmte das blondhaarige Mädchen mit eifersüchtigem Unterton. Fast hätte ich geschnaubt. So toll war er nun wirklich nicht. Er nervte gewaltig, war sarkastisch, gemein und egoistisch. Die Gefühle anderer interessierten ihn nicht. Das alles redete ich mir zumindest ein...

„Kein Wunder. Er kann so gut küssen... Aber das von Freitag im Kerker hab ich dir ja bereits erzählt, oder?" 

„Ja Pansy, hast du. So gut wie jedem."

„Naja. Ich freue mich wirklich auf morgen."

Irgendwas zog sich in mir zusammen. Ich hatte sowas ähnliches erwartet, aber jetzt tat es doch irgendwie weh, es zu hören. Mit Pansy kann er immerhin ungehindert zusammen sein. Bei Merlin, was tat ich hier? Ich hatte die Sache mit ihm doch beenden wollen. Trotzdem machte ich mir Sorgen um ihn und schnüffelte seiner Freundin hinterher.

Die beiden wechselten das Thema. Ich wusste noch immer nicht, wo Malfoy war, aber ich wollte es auch nicht mehr erfahren. Ich ärgerte mich über mich selbst. Meine Dummheit. Mein Interesse für diesen Typen. Das musste jetzt wirklich aufhören.

Ich stellte das Buch zurück und eilte aus der Bibliothek. Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors angekommen, sah ich wie Harry allein vor dem Feuer saß und ein Buch las.

„Harry, hast du Ron gesehen?", platze es ohne Umschweife aus mir heraus. 

„Ähm, ich glaube der ist im Zimmer. Kann aber sein, dass er schläft, ich weiß nicht genau." 

„Danke", rief ich, während ich mich schon auf den Weg zu seinem Zimmer machte.

Dreimal klopfte ich an, bis mir wenige Sekunden später eine raue Stimme antwortete, dass ich hereinkommen konnte. Ich öffnete die Tür und trat ein. Ron saß aufgerichtet auf seinem Bett und rieb sich die Augen.

„Hermine?", fragte er dann erstaunt, plötzlich hellwach.

„Ron, ich muss mit dir reden."

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Oh mein Gott. 😂

Ich liebe es.

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