(3) Auslosen

- Hermine-

„Ich finde wirklich nicht, dass wir ihm davon erzählen sollten." 

„Warum? Irgendwann erfährt er es sowieso. Jetzt kann er sich noch darauf vorbereiten", wand Harry nachdenklich ein. 

„Nein, er braucht Ruhe zum Genesen. Das würde ihn jetzt nur unnötig aufregen", entgegnete ich bestimmt. 

Harry sah mich an. „Vielleicht hast du Recht. Ron würde sich bestimmt wieder krank ärgern."

Wir bogen ein paar Mal rechts und links ab, bis wir schließlich das Krankenzimmer betraten. Dort standen mehrere Betten, welche durch Vorhänge voneinander abgetrennt waren. Wir schritten den hellen Gang entlang und gingen dann zu Rons Bett auf der rechten Seite.

„Hey Leute", begrüßte er uns schwach. Er sah noch blasser aus als sonst und sein übliches Grinsen glich nur dem Hauch eines Lächelns. „Gut, dass wir ihm keine Schokolade mitgebracht haben", bemerkte Harry. „Ja, mir ist wirklich speiübel", stimmte ihm der kranke Ronald zu.

Dieser Virus schien gerade wirklich durch die Schule zu gehen. Auch in anderen Betten lagen vereinzelnd blass und kränklich aussehende Schüler. Ob Hagrid auch dieser Virus getroffen hatte?

„Was hat Madame Pomfrey gesagt? Wann wird es dir wohl etwas besser gehen?", erkundigte ich mich vorsichtig. 

„Ich hab keine Ahnung. Vielleicht eine Woche. Höchstens. Hoffe ich zumindest." Mit jedem Wort wurde Ron unsicherer.

„Ist irgendwas Spannendes passiert?", wechselte er schnell das Thema. 

Ich fühlte den Anflug eines schlechten Gewissens, weil ich Ron die Sache mit Malfoy verschwieg. Deshalb war ich wirklich dankbar, als Harry irgendwas von Quidditch und Verteidigung gegen die dunklen Künste erzählte.

Wir blieben noch ein wenig, um ihn zu unterhalten, doch bald sah er sehr müde aus und wir verabschiedeten uns von ihm. Harry und ich beschlossen, in die Bibliothek zu gehen, um ungestört unsere restlichen Hausaufgaben zu erledigen.

Nachdem wir diese mithilfe der lehrreichen Bücher dort erledigt hatten erklärte ich, dass ich noch etwas bleiben und lesen würde. Schließlich fing es draußen an zu dämmern und ich ging zurück in mein Schlafzimmer.

*

Hagrid war gegen Ende der Woche wieder da. Das freute mich wirklich. Die weitere Stunde Pflege magischer Geschöpfe hatten Malfoy und ich wieder damit verbracht, schweigend irgendwelche Texte durchzuarbeiten, die ich sowieso schon alle gelesen hatte.

Ich hatte bemerkt, dass seine Freunde scheinbar zufällig öfter an uns vorbeigingen und blöde Kommentare machten. Mir war das egal, aber Malfoy schien das zu nerven. „Ich sitze hier ganz sicher nicht freiwillig, du Spinner", warf er Blaise irgendwann an den Kopf, natürlich ohne Rücksicht auf mich zu nehmen.

Er schien mir auch nie näher kommen zu wollen, als unbedingt nötig war, setzte sich beinahe auffällig weit von mir weg. Ob sich je etwas an seiner Einstellung zu Hexen mit Muggel-Abstammung ändern würde?

Mir war das egal. Sobald das Projekt vorbei war konnten wir sowieso wieder getrennte Wege gehen. Bis dahin mussten wir aber wohl oder übel miteinander auskommen müssen.

Nun standen wir im Klassenzimmer und warteten auf Hagrid, der im vorderen Teil des Raumes in seiner Tasche kramte. Ich war besonders aufgeregt. Heute würden wir endlich erfahren, um welches Geschöpf wir uns kümmern mussten.

Malfoy neben mir sah nicht ansatzweise so erfreut aus, wie ich mich fühlte. Mit Genugtuung bemerkte ich allerdings, wie seine Augen interessiert auf dem Lehrer lagen.

„Gibt's was, Granger?", brummte Malfoy, der mich nicht mal angesehen hatte. 

„Nichts", stammelte ich ertappt und konzentrierte mich wieder auf Hagrid. Der zog eine kleine Schachtel aus seiner Ledertasche und öffnete sie langsam. Mittlerweise ruhten sämtliche Augenpaare der Schüler auf ihm.

„Okay, jedes Paar wird nun nen Zettel mit dem Namen des Geschöpfes ziehn, welches ihr aufzuziehn habt. Ich erinner euch nur nochma daran, dass das nich nur ein Schulprojekt is. Ihr habt auch n Leben eines Geschöpfs inner Hand und das is ne große Verantwortung. Deswegen werd ich natürlich auch immer n Auge auf euch un euer Wesen habn", ermahnte der Wildhüter die Klasse abermals, wie er es schon einige Male in dieser Stunde getan hatte.

Die Schüler zogen nach und nach die Zettel aus der Schachtel. Manche stöhnten enttäuscht, einige freuten sich aber auch. Vereinzelnd vernahm ich Namen wie „Fee", „Feuerkrabbe" und „Murtlap". 

Schließlich wurde mir die Schachtel vor die Nase gehalten. Zögernd warf ich einen Blick auf Malfoy. „Nun mach schon", drängte mich dieser. 

Ich atmete tief ein und konnte mein Herz heftig in meiner Brust schlagen hören. Meine Fingerspitzen berührten ein raues Stück Pergament. Langsam zog ich meine Hand aus der Schachtel und nahm den ersten Zettel mit, den ich berührt hatte.

Gespannt faltete ich ihn auf. Malfoy beugte sich zu mir herüber, um die Schrift lesen zu können. 

Auch Hagrid schaute darauf. „Merlin sei dank", seufzte dieser dann erleichtert. „Genau wie ichs gehofft hab." 

Verwundert sah ihn an, dann sah ich wieder zum Zettel zurück. Augurey, stand dort in Hagrids Schrift. 

„Was ist das?", fragte mich Malfoy ausdruckslos.

Ich nahm mir das Schulbuch und blätterte kurz darin. Dann legte ich es vor uns ab, damit er es lesen konnte.

Der Augurey war ein kleiner, ausgezehrter, schmächtiger Vogel mit schwarz-grünem Gefieder. Er machte meist einen verzweifelten, traurigen Eindruck. Das trübsinnige Wesen hatte eine Vorliebe für Regenwetter und verließ sein Nest in der Regel auch nur bei diesem Wetter. Seine Jammerschreie hatten lange Zeit als Todesohmen gegolten, doch wie sich später herausstellte, kündigte dieser wohl bloß Regenwetter an.

„Da hast du dir ja echt das blödeste Wesen von allen rausgesucht", sagte Malfoy kalt. 

„Unmöglich, das habe ich ja schon als Projektpartner", zischte ich wütend zurück. Sofort bereute ich es. Aber seltsamerweise verspürte ich schon jetzt den Drang, mein kleines Geschöpf beschützen zu müssen.

„Was hast du da gerade gesagt, Granger?" Sein bedrohlicher Blick bereitete mir beinahe eine Gänsehaut zu, doch das ließ ich mir nicht anmerken. „Ich warne dich. Als Schlammblut solltest du lieber etwas freundlicher zu mir sein", flüsterte er mir nahe an mein Ohr.

Ohne etwas zu erwidern rückte ich von ihm ab. Ich wollte hier nun wirklich keine Diskussion verursachen.

In der restlichen Stunde brachten wir dann noch in Erfahrung, dass wir das Ei des Vogels erhalten würden und dann beim Ausbrüten helfen mussten. Danach würden wir den Vogel gemeinsam großziehen müssen.

Wie sich Ron und Malfoy dabei anstellen würden? Ron hatte nichts gegen die meisten Tierwesen und für mich würde er sich hoffentlich gut um den Augurey kümmern. Doch ich konnte mir bei bestem Willen nicht vorstellen, dass Malfoy ein Herz für Tiere hatte. Von ihm erwartete ich mir keine große Hilfe. Durch harte Arbeit würde sich dieses Defizit aber bestimmt ausgleichen lassen.

Als die Stunde vorbei war und alle anderen Schüler den Unterrichtsraum verlassen hatten, kam Hagrid auf mich zu. „Wie gehts Ron?", erkundigte er sich. 

„Schon etwas besser. Ich hoffe wirklich, dass er nächste Woche wieder zum Unterricht kommen kann", antwortete ich. 

„Ja, hoffen wir ma. Kann euch das Ei morgen oder übermorgen gebn. Bis zum Schlüpfen kann es dann nich mehr lange dauern. Bis dahin solltet ihr Nahrung besorgen."

Darüber hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht und wollte mehr Details von dem Wildhüter wissen. „Der Augurey frisst große Insekten und Feen. Wie sollen wir an die herankommen?" 

„Ich stell euch ne Genehmigung fürn verbotenen Wald aus. Für die Insekten braucht ihr nich weit rein gehn. Trotzdem stell ich die für mindestens zwei Personen aus. Du gehst mir nich allein da rein, Hermine", schilderte er eindrücklich. Bei diesen Worten ahnte ich bereits Böses und bekam ein ungutes Gefühl. „Wenige Wochen nach'm Schlüpfn fängt er sich seine Nahrung sowieso selbst." 

„Okay", murmelte ich als Antwort. Ich wollte gerade gehen, da fiel mir noch etwas ein. „Hagrid, warum hast du gehofft, dass ich den Augurey ziehe?"

Der Wildhüter schaute mir in die Augen, bevor er schließlich antwortete. „Du bist ne schlaue, einfühlsame Hexe, Hermine. Wenn jemand sich um nen Augurey kümmern sollte, dann bist du es. Du weißt, wie man sich durch ne traurige, trübselige Welt zu kämpfn hat."

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