Kapitel 9
Mit Vorfreude auf die kommende Unterrichtsstunde und mit neu gefundenem Stolz betrat Saskia gemeinsam mit Sina das Klassenzimmer.
Ihre Unsicherheit, jemanden zu beißen oder zu würgen, war wie weggeblasen.
Im Gegenteil.
Energiegeladen und mit purem Optimismus blickte Saskia der Kampfstunde entgegen.
Sie trug immer noch ihre Jeans und ihr vollgesprittes T-Shirt und sich nicht umgezogen.
Saskia wusste nicht ganz warum, aber wahrscheinlich weil diese Klamotten unfassbar gemütlich waren im Gegensatz zu denen, die sie ihr ganzes Leben lang tragen musste.
Aber vielleicht auch, weil sie einfach nur den bescheuerten Regeln ihrer Eltern trotzen wollte.
Saskia war gespannt auf die Stunde und schon kurz darauf erschien auch ihr Lehrer Mr. Brighteneye.
Seine Miene sagte nichts über die folgende Stunde aus, er ließ seinen Blick bloß über die Schüler schweifen, bis er schließlich an ihr hängen blieb. Er schien sie praktisch zu durchleuchten und Saskia konnte nicht verhindern dass ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.
Doch Mr. Brighteneye schien auch nur keinen Gedanken dran zu verschwenden, sie anzusprechen oder aufzurufen. Sein Blick glitt weiter, musterte jeden seiner neuen Schüler, bis er schließlich verkündete:
"Bevor ihr euch dem Ernst des Lebens stellt, werde ich euch kurz noch ein paar Regeln in eure Köpfe prügeln."
Ein leichtes Grinsen lag auf seinem Gesicht, was vermutlich darauf hinwies, dass das mit dem "Ernst des Lebens" nicht ernst gemeint war.
"Eigentlich gibt es nur zwei Regeln. Erstens:
Ich bin der Alpha hier.
Niemand von euch hat mir was zu sagen und ihr habt mir zu gehorchen.
Zweitens:
Hier wird niemand ernsthaftig verletzt.
Sollte jemand es wagen, diese Regel zu missachten, kann diese Person mir einem oder zwei Verweisen rechnen.
Bei drei fliegt man von der Schule.
Außerdem wird nicht zugebissen, gekratzt, geschlagen oder was weiß ich.
Verstanden?"
Ihre Klasse nickte sofort.
Saskia war dieser Lehrer irgendwie unheimlich. Offensichtlich war er ein Wolf, die hatte Saskia noch nie besonders gern gehabt.
Begeistert über die Aussicht, diesen Lehrer dreimal pro Woche zu sehen war sie ebenfalls nicht.
Ihr wurde klar, dass sie diesen Lehrer nicht mochte.
"Nun, da jetzt die Regeln geklärt sind, würde ich sagen dass wir starten.
Ich werde nun jedem von euch einen Kampfpartner zuteilen. Wenn ich euch das Signal gebe, startet den Kampf und versucht euren Gegner zu besiegen."
Ohne ein weiteres Wort begann er, Paare zu bilden.
Saskia flüsterte Sina ein schnelles "Viel Glück" zu, als sie zu einen Mädchen mit rabenschwarzem Haar geschleppt wurde.
Saskia wartete geduldig darauf, auch jemandem zugeteilt zu werden, doch sie wartete vergeblich.
Schließlich war nur noch sie als einzige ohne Partner übrig.
Wirklich als einzige?
Nein, mehrere Meter von ihr entfernt stand ein anderer Junge. Mit Schrecken stellte Saskia fest, dass es der Junge war, der heute in sie reingelaufen war.
Erst jetzt kam sie dazu, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen.
Er war etwa einen Kopf größer als sie, war eher drahtig als kräftig gebaut und hatte braunblondes Haar.
Er schaute sie garnicht an, sein Blick war an irgendetwas gerichtet, das Saskia nicht sehen konnte.
Warscheinlich war er am Tagträumen und in Gedanken in einer komplett anderen Welt. Saskia beneidete ihn ein wenig.
Erst jetzt fiel Saskia auf, wie sehr sie den Jungen anstarrte und wandte rasch den Kopf ab.
"Sooo...Nun da-"
"Was ist mit mir?
Ich habe noch keinen Kampfpartner.
Und er da auch nicht." Sie deutete auf den Jungen. Ihre Mutter hätte in dieser Situation sicher Mut entsetztem Blick eine ihrer Weisheiten von sich gegeben, wie:
"Mit nackten Fingern zeigt man nicht auf angezogene Leute"
Der Gedanke an ihre Mutter schmerzte, und Saskia wandte sich schnell wieder an Mr. Brighteneye.
Die Miene ihres Lehrers verhärtete sich unübersichtlich. Er schien zu ahnen worauf sie hinauswollte.
"Nein.
Du kämpfst nicht gegen Ezo.
Du kannst dann gegen Diana kämpfen, wenn sie und Sina ihren Kampf beendet haben"
Saskia runzelte die Stirn, und mit einem Schlag war die Entschlossenheit in ihr wieder da, die vor der Stunde noch wie ein ewig wütendes Feuer in ihr gelodert hatte.
Nein, Regeln hin oder her, sie würde gegen diesen Jungen kämpfen.
Warum genau sie gegen ihn überhaupt kämpfen wollte, wusste sie nicht genau, aber eine Art Verlangen danach war in ihr aufgeflammt.
Schließlich war sie viel zu neugierig.
Was hat es mit dem Jungen auf sich?
Und vor allem schien es nichts besonderes zu sein, dass er nicht mitkämpfte.
Aber warum? Saskia mochte es noch nie, wenn ihre Fragen unbeantwortet blieben.
So auch jetzt.
"Nein!"
Saskia erhob sich von ihrem Platz und blickte Mr. Brighteneye direkt in die Augen.
"Ich werde gegen Ezo kämpfen, ob sie wollen oder nicht."
Saskia ging in großen Schritten auf den Jungen zu, stellte sich ihm gegenüber.
"Du bist dabei, einen großen Fehler zu begehen, Saskia."
Mr. Brighteneyes Blick war abzulesen, was er von der ganzen Sache hielt.
Doch Saskia würde sich ganz sicher nicht von ihm aufhalten. Ihr Lehrer schien ähnliche Gedanken zu haben, denn seine nächsten Worte waren:
"Aber so wie ich dich einschätze, Saskia, werde ich nichts dagegen tun können.
Ich erlaube dir den Kampf, aber sage mir danach nicht, ich hätte dich nicht gewarnt wenn du anschließend nur noch zur Krankenstatuon kriechen kannst."
Mr. Brighteneye wirkte nicht sehr glücklich, aber er schien es ernst zu meinen.
Seine Miene war wie versteinert, er beobachtete Saskia und jede ihre Bewegungen ganz genau. Saskia ahnte, dass ihr Lehrer auf alle Zeit bereit zum Eingreifen war und notfalls den Kampf beenden könnte.
Trotzdem wurde Saskia mulmig zumute.
Hatte ihr Lehrer Recht?
Würde sie wegen ihrer dummen Neugier um ihr Leben fürchten müssen?
"Alle bereitmachen!",
wies ihr Lehrer sie an.
"Kämpft...jetzt!"
Erst jetzt wurde ihr klar, wie blöd das eben von ihr gewesen war. Aber sie wusste auch:
Es war schon viel zu spät, um einen Rückzieher zu machen.
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