87 - everythingoes
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Kapitel 87
»everythingoes«
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Julia
Ich wusste nicht so ganz, was ich schlimmer finden sollte: dass Jeon Jungkook Gefallen an TikTok-Tänzen fand oder dass er mich dazu zwang, sie auch zu lernen. Wir standen jetzt seit einer halben Stunde in seinem nur spärlich beleuchteten Zimmer vor der Handykamera und versuchten uns synchron zu Obsessed von Mariah Carey zu bewegen. Das bedeutete im Klartext, dass Jungkook neben mir wie ein Gott seine Hüfte schwang und mir jedes Mal ein Kissen ins Gesicht schleuderte, wenn ich es verpatzte. Also so ziemlich genau alle fünfzehn Sekunden.
»Wieso zwingst du mich dazu, an einem freien Tag zu tanzen?«, jammerte ich. »Wir haben doch demnächst genug Auftritte.«
»Alles nur Übung«, erwiderte er schulterzuckend. »Du kannst es gebrauchen.«
Ich verdrehte gespielt beleidigt die Augen. »Ist klar.«
Da wir schon morgen unseren Flieger in die Staaten nehmen würden, hatte uns das Management heute einen Ruhetag gegönnt – der alles andere als ruhig war, wenn man bedachte, dass ich gerade vom Maknae zu irgendwelchen lächerlichen Ganzkörper-Verrenkungen gezwungen wurde. Schuld daran waren genau zwei Personen: Taehyung, der sich seit einer halben Ewigkeit im Bad verbarrikadierte, und Maya, die mich verlassen hatte, um Hoseok dabei zu helfen, Outfits für die Reise auszusuchen. Blieb mir also nur Jungkook, um die Zeit zu überbrücken, bis wir zu Taehyungs Familie losfahren würden.
Nicht, dass ich nicht gerne mit Jungkook abhing – aber er fand immer irgendwelche dämlichen Wege, um mich bloßzustellen. Ob es nun mein Versagen bei TikTok-Tänzen, Overwatch oder Fortnite war...oder die peinlichen Videos auf seiner Kamera, die er ganz am Anfang bei unseren Rote-Teppich-Übungen gefilmt hatte...Irgendwas hatte er immer auf Lager, um meinen Geduldsfaden so weit zu dehnen, bis er sich langsam aufzudröseln begann. Würde es mir in Anbetracht der Versöhnung mit Maya nicht um einiges besser gehen, hätte ich mir das heute garantiert nicht gefallen lassen.
»Was soll das denn überhaupt sein?!«, brummte ich, als Jungkook zum mindestens tausendsten Mal versuchte, mir diese komische Helikopter-Bewegung mit den Händen beizubringen.
»Ein Figure 8 Hand Spin«, erwiderte er ganz sachlich. »Guck mal, du musst die Hände doch einfach immer nur dicht beieinander drehen und diese...hier...diese Bewegung machen.«
Ich versuchte seine wirren Handumdrehung nachzuahmen, verfiel aber schnell in ein haltloses Kichern. »Das sieht so bescheuert aus.«
»Nicht, wenn man's richtig macht.«
»Hey!«, protestierte ich laut, trug dabei aber ein fettes Grinsen im Gesicht.
Jungkook schüttelte nur ebenfalls schief grinsend den Kopf, ehe er sich seinem Handybildschirm zuwandte. »Los, wir probieren jetzt nochmal zu filmen.«
Ich stieß laut und theatralisch Luft aus, ehe ich neben ihn trottete und meinem – beziehungsweise Taehyungs – Abbild in der Kamera mit einem eisernen Pokerface entgegenstarrte. Der Countdown der App lief ab und der Sound, der sich nun seit einer halben Stunde unaufhörlich in mein Gehirn brannte, begann zu spielen. Ohne jegliche Regung in der Mimik oder große Bemühungen im Ausführen der Bewegungen begann ich zu tanzen. Wenn man es denn so nennen konnte.
Natürlich flog bei meinem Glück Jungkooks Zimmertür in genau dem Moment auf, in dem Mariah Carey »Lying that you're sexing me« sang und die Choreografie die obszönsten Hüft- und Handbewegungen verlangte. Auf der Handykamera vor mir konnte ich auch direkt sehen, wer da eben hinter uns ins Zimmer geplatzt war.
Während Jungkook neben mir dreckig zu lachen begann, wirbelte ich in einer schwindelerregenden Geschwindigkeit zu Namjoon herum, der sich unangenehm berührt über den Nacken fuhr. Das Schamgefühl, das sich immer schneller in meinem gesamten Körper ausbreitete, ließ mich in meiner Haltung zusammenfallen wie ein Sack Kartoffeln.
»Sorry, ich wollte euch nicht stören bei...ähm...was auch immer ihr da gerade tut. Ich hätte klopfen sollen, tut mir leid.«
»Ist schon okay«, presste ich hastig hervor. »Du...du störst nicht. In meinem Fall kann man wohl er von einer Rettung sprechen.«
Ich warf Jungkook einen bösen Seitenblick zu, doch er schnaufte nur belustigt und griff dann nach seinem Handy, um die Aufnahme endlich zu stoppen.
»Dann trifft sich das ja ganz gut«, erwiderte Namjoon mild lächelnd. »Ich habe nämlich ohnehin nach dir gesucht. Hast du Zeit für ein kurzes Gespräch?«
»Ähm...klar. Kein Ding. Ich– ja«, stammelte ich überfordert. »Bis später, Jungkook.«
Mit flauem Magen folgte ich Namjoon aus dem Zimmer durch den Flur, bis wir in einem weiteren Schlafzimmer landeten, das offensichtlich ihm selbst gehörte. Das unwohle Gefühl nahm nun noch einmal um zehn Herzschlagaussetzer mehr zu – oder in welcher Einheit man auch immer Panik maß.
»Bitte, setz dich doch«, bot mir Namjoon schnell an und deutete auf seinen Schreibtischstuhl. Er selbst nahm nur einen Meter entfernt auf seiner Bettkante Platz, wo er die Ellenbogen auf den Oberschenkeln abstützte. Schließlich verschränkte er die Hände, um auf ihnen wiederum sein Kinn abzulegen. Es war eine nachdenkliche Pose, die den durchdringenden Blick, mit dem er mich musterte, perfekt untermalte.
»Entschuldige, falls dich das gerade etwas überrumpelt. Aber ich habe das Gefühl, dass wir noch ein Gespräch nachholen sollten, für das wir uns bislang keine Zeit genommen haben. Und da wir schon morgen alle nach Amerika fliegen werden, wo der Terminkalender wieder völlig überfüllt ist, würde ich das gerne jetzt tun.«
»Klar«, erwiderte ich verwirrt. »Auch wenn ich nicht wüsste, was für ein Gespräch zwischen uns noch dringend aussteht...«
»Das dachte ich mir schon«, murmelte er, mehr zu sich selbst. »Aber ich habe noch ein paar Dinge, die ich dir sagen muss. Allem voran...wäre wohl eine Entschuldigung angebracht.«
Mein Gesicht verzog sich zu einer verwirrten Grimasse. »Eh...okay? Und...wofür genau?«
»Ich weiß nicht, wie bewusst du das wahrgenommen hast, aber ich habe mich ziemlich indiskret von dir distanziert, nachdem ich realisiert habe, dass ich dein...nun ja...Bias bin. Das hätte ich definitiv anders lösen sollen, zum Beispiel durch ein Gespräch. Aber –«
»Tut mir leid, ich will dich ehrlich nicht unterbrechen«, sagte ich laut und begann eher unfreiwillig, meine Finger zu kneten. Dieses Gespräch hatte gerade erst begonnen und war jetzt schon dermaßen unangenehm, dass ich am liebsten wegrennen wollte. »Allerdings will ich auch nicht, dass du dich in einer Entschuldigung verrennst, die nicht notwendig ist. Ich meine, wenn dann bin ich doch diejenige, die am Anfang absolut unprofessionell damit umgegangen ist.«
Namjoon seufzte laut auf. »Okay, bevor wir uns jetzt in irgendwelchen sinnlosen Schuldzuweisungen verlieren...Ich möchte, dass du weißt, dass ich sehr dankbar bin, dass du mich als Member deiner Lieblingsband so sehr unterstützt. Was auch immer du in mir siehst, dass ich diesen Titel bei dir verdient habe, ich weiß es sehr zu schätzen.«
Ich musste schwer schlucken. Es fühlte sich überraschend gut an, das so persönlich gesagt zu bekommen. Die Jungs dankten ihren Fans so oft...aber es war ganz anders, zu wissen, dass diese Worte gerade nur an mich gerichtet waren. Namjoon bedankte sich als mein Idol – RM – für meinen Support und meine Fanliebe. Jetzt galt es dringend, dies ganz klar von ihm als Privatperson zu trennen.
»Weißt du...«, setzte ich an. »Am Anfang war ich traurig, dass wir uns nach Mayas und meiner Ankunft hier nie wirklich näher kennengelernt haben. Eben weil du mein Bias warst. Aber nach mehreren Monaten hier habe ich gelernt, dass...dass es okay ist. Wir sind als völlig Fremde zu euch gekommen. Ich dachte immer, Maya und ich würden euch schon kennen, und dass deswegen alles am Anfang so unangenehm war. Die Wahrheit aber ist, dass es eher unangenehm war, weil wir glaubten, euch zu kennen. Namjoon, dich anders als die anderen zu behandeln, weil du mein Lieblingsmitglied einer Band warst, war lächerlich. Wir hätten euch von Anfang an nicht als Idols, sondern als Mitmenschen betrachten sollen. Das hätte alles vereinfacht.«
»Du lässt es klingen, als wäre das so leicht«, schnaufte Namjoon. »Aber ehrlich, ich rechne dir diese Erkenntnis hoch an. Du kannst stolz auf dich sein. Du bist seitdem ihr hier seid wirklich über dich hinausgewachsen.«
Ich kratzte mir verlegen den Hinterkopf. »Findest du? Ich weiß nicht...ich mache immer noch so dumme Fehler.«
»Du wirst dein ganzes Leben weiter Fehler machen. Das ist menschlich«, lachte er auf. »Aber als ihr hier angekommen seid, warst du so verbissen in deinen Prinzipien und Ansichten, dass du automatisch sehr viele Menschen aus deinem Leben ausgesperrt hast. Es war wirklich unangenehm zu betrachten, wie du alle auf Distanz gehalten, mich aber in diese Sonderrolle als dein Bias gerückt hast. Ich wusste nicht ganz, wie ich damit umgehen soll, und sicher war mein Ansatz, dich im Gegenzug auf Abstand zu halten und lediglich eine geschäftliche Beziehung zu führen, nicht perfekt. Dennoch habe ich das Gefühl, dass es geholfen hat, da du mich so nach und nach gedanklich von diesem Podest geholt hast. Und schau, wie dich das weitergebracht hat. Jungkook und du führt eine wundervolle Freundschaft, und das mit Taehyung...tja, das wisst wohl nur ihr.«
Wir beide sahen einander kurz an, wobei ich ihn eher überrumpelt anstarrte, bevor ich mit hitzigen Wangen den Blick senkte und scheu lächelte.
»Ich glaube, das wissen nicht mal er und ich...«
»Wie gesagt, ich bin nicht in der Position, um über euer Verhältnis zu urteilen. Aber so wie ich das beobachtet habe, blüht ihr am meisten auf, wenn ihr beieinander seid. Du lächelst mehr und ehrlicher, beginnst deine Abwehrhaltung abzulegen und hast nicht dieses extreme Bedürfnis, beim Sprechen jedes Wort maschinenartig perfekt zu wählen. Du bist...authentischer. Was Taehyung angeht, nimmt er sich mehr Zeit für seine Gedanken, wenn er bei dir ist, und teilt diese bewusster durch Worte als durch unkontrollierte Emotionen mit. Taehyung ist in seiner Entwicklung über die Jahre deutlich reservierter geworden. Er redet weniger und äußert seine Standpunkte stattdessen stillschweigend mit heftiger Körpersprache. Aber bei dir fängt er automatisch an, es abzulegen. Taehyung fühlt sich bei dir so wohl, dass er seinen Gedanken Worte verleiht. Er hat keine Angst, dass du ihn verurteilst für sein scheinbar sprunghaftes Verhalten, weshalb er unbeschwerte Momente mehr genießen kann. Wie du siehst, habt ihr beide unfassbar viel voneinander zu lernen und gleichermaßen viel, was ihr einander geben könnt. Ihr seid der Ausgleich des jeweils anderen. Ich will dir mit diesen Worten übrigens nichts aufzwingen; du entscheidest, was du daraus machst. Aber du solltest wissen, dass so etwas, wie ihr beide es habt, nur ganz selten ist. Ob nun platonisch oder nicht.«
Für eine ganze Weile konnte ich ihn nur hilflos anstarren. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet...schon gar nicht von Namjoon. Seine Gabe, Menschen zusammenzubringen und ihre Gefühle einzuschätzen, machte ihn in der Tat zum perfekten Leader und gleichzeitig zu einem guten Gesprächspartner für solche Themen. Ich hatte ihn in dieser Hinsicht wohl unterschätzt.
»Aber«, murmelte ich schließlich, »ist es nicht schräg, einer Person so...nah zu sein, wenn sie in deinem Körper steckt?«
»Versuchst du dir das gerade selbst einzureden oder möchtest du meine ehrliche Meinung dazu hören?«
Ich grinste verlegen. »Teils, teils...schätze ich.«
Namjoon lehnte sich auf dem Bett ein Stück nach hinten und nickte langsam mit gespitzten Lippen. »Okay, dann lass es mich so formulieren: Es ist ungewöhnlich, keine Frage. Aber ist es nicht genau das, was eure ganze Geschichte so aufrichtig schön macht?«
»Was meinst du genau?«, fragte ich und legte den Kopf schief.
»In einer Gesellschaft, die von Oberflächlichkeit regiert wird...in der das Gesicht, die Figur und die Kleidung eine Person bestimmen...in der man sich keine Zeit mehr nimmt, andere so richtig kennenzulernen...Da habt ihr es geschafft, gänzlich auf Äußerlichkeiten zu verzichten und einzig und allein den Kern einer Person schätzen zu lernen. Was für eine schönere Bestätigung kann es geben, dass man dich wirklich als den Menschen mag, der du bist?«
Namjoon hatte Recht. Ich mochte Tae nicht für seinen Körper, den ich momentan ernähren, pflegen und behüten musste – obwohl der attraktiv war, keine Frage. Aber er spielte keine Rolle, wenn ich Zeit mit Tae verbrachte. Wofür ich Taehyung mochte, war die Art, wie er alles leuchten ließ, das sonst so dunkel wirkte. Wie er die kleinen Dinge bewunderte, obwohl er bei seinem Status alles haben konnte. Wie er mir Aufmerksamkeit schenkte, wenn ich sie brauchte, und sie von mir nahm, wenn es mich bedrückte. Sein kehliges Brummen, wenn er nachdachte, und seine Art, überdramatisch zu lachen. Seine schiefen Grimassen, wenn er etwas betonen wollte, und die strahlenden Augen, die Begeisterung besser ausdrückten, als es Worte je können würden. Seine irren Ideen, die die besten Erinnerungen schufen, und seine Angewohnheit, beim leidenschaftlichen Singen die Augen zu schließen. Ich mochte jeden wirren Gedankenfetzen, den er in den Raum warf, mindestens genauso sehr wie die gutgewählten, tiefsinnigen Worte. Taehyung war eben einfach...Taehyung.
»Ich glaube, ich habe mich so sehr an der ganzen Körpertausch-Sache aufgehängt, dass ich es bis...naja...eben...nicht wirklich wertschätzen konnte, wie besonders es ist, dass ich Taehyung auf diese Art kennenlernen durfte.«
»Richtig«, nickte Namjoon. »Aber weißt du, das kann dir niemand übelnehmen. Ich kann mir gut vorstellen, dass man so damit zu kämpfen hat, sich nicht selbst zu verlieren, wenn man in so einer Situation ist – da hat man gar nicht die Kapazität, die Lage von der Metaebene aus zu betrachten und zu erkennen, dass man dem eigenen Glück nur –«
Er wurde unterbrochen von Taehyung, der laut aus dem Flur „Julia! Wir müssen los!" brüllte. Ich warf Namjoon einen kurzen Blick zu, ehe ich mich auf dem Drehstuhl zur Tür wandte und dann laut »Komme gleich!« zurückschrie. Dann drehte ich mich mit fragendem Blick wieder zurück zum Leader.
»Dass man dem eigenen Glück nur selbst im Weg steht«, beendete dieser seinen Satz.
»Denkst du denn ehrlich, dass ich mein Glück finden kann, so lange ich hier gefangen im Alltag eines anderen bin?«, murmelte ich zweifelnd.
Namjoon lachte. »Genau das meine ich, Julia. Du siehst es immer noch nicht. Aber ich bin nicht der Richtige, um dir diese Erleuchtung zu bringen. Das muss dein Köpfchen selber schaffen.«
»Du sprichst in Rätseln«, sagte ich nüchtern.
»Ich glaube, dass du mich insgeheim schon verstanden hast«, erwiderte er matt lächelnd. »Du musst es nur noch realisieren. Aber wie gesagt...da kann ich dir nicht weiterhelfen. Los jetzt, du solltest Taehyung nicht noch länger warten lassen. Viel Spaß bei seinen Eltern, Julia.«
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Yeontan wuselte wild um unsere Beine, als wir den Dorm verließen. Doch so penetrant sein Hecheln und Herumspringen auch war, es reichte nicht, um meinen Blick von Taehyung auf den Welpen zu lenken. Tae hatte das Flechten nun endgültig gelernt und sich heute damit einen hübschen, halboffenen Zopf gesteckt. Das königsblaue, langärmlige Kleid mit kleinen Akzenten in Spitze harmonierte perfekt mit den Haaren und verlieh ihm eine leuchtende Aura. Sogar sein Make-Up hatte er heute völlig allein gemeistert. Taehyung ließ meinen Körper wirklich strahlen...er sah schön aus.
»Sollten wir uns je zurückverwandeln, stelle ich dich als meinen Stylisten an«, grinste ich.
»Mir macht das so viel Spaß, ich würde nicht einmal Geld dafür verlangen.«
»Oh, wow«, rief ich sarkastisch und griff mir theatralisch ans Herz. »Wie großzügig von dir, mein Romeo.«
Er hielt mir die Tür im Erdgeschoss auf und verbeugte sich tief, als ich an ihm vorbei über die Schwelle ins Freie trat. »Alles für meine Julia.«
Ich presste fest meinen Mund fest zusammen, um nicht loszulachen, als Taehyung nach meiner Hand griff und sie anhob, um sie zu küssen. Doch kurz bevor seine Lippen meine Haut berührten, umklammerte er meine Finger fest und zog meine Hand nach unten, so dass die Kraft mich ihm entgegen stolpern ließ. Schnell trat er einen kleinen Schritt auf mich so, drückte beide Hände gegen meinen Rücken und fing so meine strauchelnde Bewegung ab.
Ich sog scharf Luft ein, als mir bewusstwurde, wie nah aneinandergepresst wir dastanden, wobei mir sofort der Geruch von teurem Parfum in die Nase stieg. Taehyung verstärkte den Druck seiner Hände auf meinem Rücken, damit ich mich nicht mehr aus seinem Griff befreien konnte, und kitzelte mich dann in den Achselhöhlen. Als ich laut zu quieken begann, verfiel Yeontan in ein aufgeregtes, unhaltbares Kläffen.
»Lass«, ich keuchte schwer, »den Scheiß.«
»Unfassbar«, lachte Taehyung und unterbrach tatsächlich seine Kitzelattacke. »Da bist du schon in dem stärkeren Körper und kannst dich trotzdem nicht befreien. Versuchst du's überhaupt?«
»Hm, wer weiß?«, erwiderte ich mit neckender Stimme und irre schnell schlagendem Herzen, woraufhin Tae sich tatsächlich von mir löste, um mich anzustarren. Ich grinste nervös.
»Was hast du gerade –?«
»Komm schon, unser Wagen wartet. Ich will nicht zu spät kommen«, unterbrach ich ihn fröhlich und begann dann, mit Tannie an der Leine vorneweg zu gehen. Da es bereits später Nachmittag war, warfen die Terrassenhäuser und Bäume von Hannam The Hill lange Schatten auf den Gehweg. In den anliegenden Beeten sprießten, knospten und sprossten die Pflanzen in den saftigsten Grüntönen. Der Frühling war endgültig in Seoul eingezogen.
»Julia, jetzt warte doch mal!«
»Wieso sollte ich?«, erwiderte ich, wobei ich das breite Grinsen einfach nicht unterdrücken konnte. »Ich will dich unbedingt in diesen High Heels rennen sehen.«
»Du Monster.«
»Du Lahmarsch.«
»Na warte.«
Ich begann laut lachend zum Auto zu rennen, als Taehyung wenige Meter hinter mir auf den hohen Schuhen lossprintete. Das rhythmische Klacken der Absätze auf den Pflastersteinen, unser Gelächter, das Rauschen des Windes und Yeontans aufgeregtes Bellen mischten sich zu einer Geräuschkulisse, die jeder andere als störend empfunden hätte. Doch ich schwor mir in diesem Moment, sie nie wieder zu vergessen. Es klang nach Sorglosigkeit. Nach Freiheit. Nach Zuhause.
Vielleicht waren wir etwas zu alt für solche Verfolgungsjagden, doch ich glaubte inzwischen fest an so etwas wie einen Taehyung-Effekt: Er ließ dich jung und losgelöst fühlen, als hättest du gerade fliegen gelernt. Und außerdem sorgte er dafür, dass du dich verliebst. Nicht sofort, aber dafür langfristig umso heftiger.
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