54 - Give It To Me
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Kapitel 54
»Give It To Me«
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Julia
Es gab viele Momente, in denen ich gar nicht mehr wirklich realisierte, was für ein Leben ich im Moment führte. Ich lebte von Termin zu Termin, von Trainingsstunde zu Trainingsstunde. Das Rasieren, das Duschen, die Toilettengänge und die neue Garderobe nahm ich inzwischen gar nicht mehr bewusst als unangenehm wahr. Dass mein Alltag nun aus Singen, Tanzen, Anproben und Meetings mit diversen Managern bestand, fand ich nur dann noch abstrakt, wenn ich abends in einem Bett lag, in dem Kim Seokjin vielleicht schon mal geschlafen hatte, und trotz völliger Übermüdung nicht in den Schlaf fand. Es war absurd, wie ich nachts wach lag und mit leerem Kopf an die Decke starrte, vormittags dann aber so energielos war, dass ich teilweise sogar auf den Stühlen im Tanzsaal einschlief. Dabei war ich nie der im-Sitzen-einschlafen-Typ gewesen.
»Hier, du solltest etwas trinken«, sagte Jimin fürsorglich und reichte mir eine Wasserflasche. »War doch gut heute, meinst du nicht?«
Ich nickte abwesend und nahm schnell einen großen Schluck, um ihm nicht weiter antworten zu müssen. Heute war nämlich keiner dieser Tage, an dem der Idol-Alltag einfach an mir vorbeizog. Heute war ein Tag, an dem mir das alles mal wieder so richtig bewusstwurde. Ein Tag, an dem ich realisierte, dass es mein Arbeitskollege Park Jimin war, der mir da gerade netterweise etwas zu Trinken angeboten hatte. Jetzt gerade unterhielt er sich mit einem weiteren Kollegen – Jeon Jungkook – über irgendwelche Adlibs in Mikrokosmos, die noch ausgebessert werden sollten. Es war doch viel zu verrückt, dass wir hier zusammen im Tonstudio standen und für anstehende Konzerte probten. Ich meine...was hatte jemand wie ich hier verloren?!
»Du managst den Bariton jetzt auf jeden Fall besser und triffst die meisten der Töne«, lobte mich unser heutiger Gesangscoach. »Wirklich problematisch ist nur die Höhe bei Answer: Love Myself. Aber das kriegen wir schon noch hin. Gute Arbeit, Jungs. Jin, bleibst du vielleicht noch kurz hier? Die Produzenten und ich haben uns abgesprochen und wir würden bei Dionysus deinen Part gerne nochmal neu aufnehmen. Der Rest kann gehen.«
Wir verabschiedeten uns alle mit einer Verbeugung, dann verließ ich mit Jungkook, Jimin und Taehyung – der uns die ganze Zeit nur schweigend zugeguckt hatte – das Studio. Inzwischen fühlte ich mich in dieser Gruppenkonstellation gar nicht mehr so unwohl, aber es wäre definitiv angenehmer, wenn Maya hier wäre. Da sie bei den Treffen der Vocal Line aber nichts verloren hatte, trennten sich hierbei unsere Wege jedes Mal. Vielleicht studierte sie ja gerade weiter die Choreografien ein oder gönnte sich ausnahmsweise mal eine Pause. Wo auch immer sie sich in diesem riesigen Gebäude gerade herumtrieb...ich vermisste sie hier an meiner Seite. Und ich hätte nicht gedacht, dass ich irgendwann in meinem Leben mal an einen Punkt kommen würde, an dem mir irgendetwas fehlte, während ich zwischen drei BTS-Members durch die BigHit-Flure schlenderte. Aber Maya und ich fanden in letzter Zeit so wenig Momente, in denen wir uns mal vernünftig austauschen konnten, dass ich fast das Gefühl bekam, meine beste Freundin so langsam zu verlieren. Zu gerne würde ich sie fragen, warum sie heute Vormittag einfach aus dem Tanzsaal gestürmt war. Aber mir blieb einfach kein Zeitfenster für sowas.
»Julia, können wir reden?«, fragte mich Taehyung mitten aus dem Nichts. Naja, eigentlich nicht wirklich. Ich hatte schon das gesamte Gesangstraining damit gerechnet, dass ihm irgendetwas auf dem Herzen lag und er mich früher oder später darauf ansprechen würde. Er war auffallend still gewesen.
»Eigentlich wollte ich zu Maya...«, murmelte ich.
»Ich glaube, sie ist beschäftigt«, warf Jimin ein. »Hobi hat mir vorhin eine Nachricht geschrieben, dass er mit ihr noch irgendetwas wegen der Rap-Parts absprechen wollte. Kann gut sein, dass sie damit noch nicht durch sind.«
Inzwischen waren wir vor dem Aufenthaltsraum angekommen, dessen Tür wie gewöhnlich geschlossen war. Man konnte jedoch das leise Brummen von Stimmen hören, weshalb wir alle innehielten. Jungkook lehnte sich schließlich mit einem verschmitzten Grinsen gegen das Holz der Tür und lauschte für einen kurzen Moment.
»Klingt nicht, als würden sie sich über irgendwelche Rap-Parts unterhalten«, witzelte er flüsternd. »Wie auch immer...ich bin weg. Sungdeuk meinte irgendetwas von Veränderungen in der Euphoria-Performance für die Encore-Tour...irgendetwas mit Fliegen. Das wollte ich noch mit ihm absprechen...Bestellt ihr für mich mit? Ich nehm' Bibimbap.«
»Wir wissen, was du bestellst, Kookie«, grinste Jimin, ebenfalls mit gesenkter Stimme, um Maya und Hobi im Raum nicht misstrauisch zu stimmen. »Ich bin aber auch erstmal weg...Meeting mit den PR-Managern wegen eines Livestreams. Bis später.«
Taehyung und ich blieben allein vor der Tür stehen, doch während er mich erwartungsvoll anstarrte, debattierte ich für einen Moment innerlich, ebenfalls zu lauschen. Die Gespräche meiner besten Freundin mit einem anderen Mann gingen mich zwar einen feuchten Dreck an, aber vielleicht würde ich ja so herausfinden, warum sie so komisch drauf war im Moment.
»Du weißt schon, dass es nicht gut ist, anderen hinterher zu spionieren, oder?«, brummte Taehyung leise und lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand, um mich dann mit verschränkten Armen weiter nieder zu starren.
»Hatte ich nicht vor«, log ich. »Ich dachte, du willst mit mir reden? Na los, dann jetzt.«
Er nickte, stieß sich nonchalant von der Wand ab und bedeutete mir dann durch kleine Handgesten, ihm zu folgen. Ich warf einen letzten Blick auf die Tür des Aufenthaltsraums, wobei mich so unvorbereitet und schmerzhaft eine Welle der Einsamkeit traf, dass ich am liebsten an Ort und Stelle losgeheult hätte. Eigentlich war ich in letzter Zeit nie allein...ständig umgaben mich Leute, die irgendetwas von mir wollten. Aber je mehr Termine ich wahrnehmen musste und je mehr Menschen mich bedrängten, desto einsamer fühlte ich mich. Denn alles, was in solchen Momenten meinen Kopf füllte, waren die Erinnerungen daran, wie es einst gewesen war. Wie ich an Nachmittagen spazieren hatte gehen und an Wochenenden meine Familie hatte besuchen können. In dieser Zeit war ich öfter mal allein gewesen, hatte Musik gehört oder aus dem Fenster geguckt und Passanten beobachtet. Aber einsam hatte ich mich nie gefühlt. Nicht, seitdem ich Maya kannte. Das Gefühl war mir neu. Und es tat verdammt weh.
Taehyung und ich kamen in einem kleinen Raum an, den ich aus diversen Livestreams kannte. Er war schlicht, hatte nur einen Schreibtisch mit Drehstuhl und ein Klavier. Gespielt interessiert musterte ich die ganzen Gerätschaften auf der Tischplatte, um dem Blick der Person mir gegenüber aus dem Weg zu gehen.
»Wann hattest du vor, mich über die Sache mit Singularity aufzuklären?«, platzte es schließlich aus Taehyung heraus. Bereits an seinem Ton wurde deutlich, dass dieses Gespräch nicht friedlich enden würde. Er war total emotional geladen und vermutlich genauso gestresst wie Maya und ich. Wahrscheinlich würde er all den Ballast jetzt in Form eines Streits an mir auslassen.
»Ist es so wichtig? Betrifft dich ja nicht wirklich, du musst es ja nicht performen«, murmelte ich und klammerte mich dabei an Sungdeuks Argumentation, gegen die ich vor ein paar Tagen noch selbst diskutiert hatte.
Taehyung lachte fassungslos auf. »Wow. Vielen Dank, Julia, echt. Ich meine...versteh mich nicht falsch...ich weiß, dass du mich nicht magst. Ist mir auch egal. Mach was du willst. Aber ich dachte, dass wir wenigstens im geschäftlichen Sinne auf einer Seite stehen.«
»Das tun wir. Hier stehen alle auf einer Seite. Auf der Seite der Band.«
»Spar dir diese ach so großen Worte. Das ist genau das, was uns die Geschäftsleitung immer an den Kopf wirft, wenn sie wieder Entscheidungen gegen unseren Willen treffen«, schnaubte Taehyung. »Ist mir schon klar, dass du als Fan denkst, dass wir hier alle eine Familie sind. Aber es wird langsam Zeit, dass du aus dieser Fantasie rauskommst, die tut dir offensichtlich nicht gut. BigHit macht auch vieles, womit wir nicht einverstanden sind. Und es dreht sich alles ums Geld und um den Ruf des Unternehmens. BTS ist ihr Produkt. Wir sind ihre Einnahmequellen, nicht ihre Söhne. Und Maya und du sind denen scheißegal. Es geht um den Profit, den sie aus euch schlagen müssen. Also lass den Scheiß und hör auf, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Egal, was sie dir auftischen; du hast immer noch deine eigenen Rechte. Da kommen sie auch nicht mit ihren lächerlichen Verträgen gegen an.«
»Du tust so, als wäre ich ein Kind, das keine Ahnung hat, wie es in der Berufswelt so zu sich geht«, schnappte ich. »Nein, ich habe nie gedacht, dass ihr hier alle eine Familie seid. Aber was bringt es dir, mich jetzt gegen das Management aufzubringen? Es ist doch in deinem Interesse, dass ich tu, was sie mir sagen.«
»Gott, Julia«, stöhnte Taehyung auf. »Du checkst es nicht. Gar nichts. Mir geht es nicht darum, dass du BigHits Marionette wirst. Diese Rolle habe ich jahrelang gespielt, bis ich verstanden habe, dass BigHit von uns als Band abhängig ist, weil wir ihre einzige nennenswerte Einnahmequelle sind. Also chill. Die können uns nicht rauswerfen.«
»Du klingst gerade einfach nur egoistisch, abgehoben und manipulativ«, erwiderte ich trocken. »Freut mich ja für dich, wenn du innerhalb dieses Unternehmens diesen Status hast. Aber ich persönlich habe gar keinen Bock, die Geschäftsleitung gegen mich aufzubringen!«
»Hör auf, mich schon wieder anzuschreien! Du gehst immer davon aus, dass ich dir schaden will. Ich mache mir aber eigentlich Sorgen um dich! Du machst dich gerade zu ihrem Schoßhündchen und verlierst dich dabei selber. Ich sehe doch, was in den letzten Wochen aus Maya und dir geworden ist. Ich bin doch nicht dumm! Ihr seid nicht mehr die gleichen Mädels, die hier angekommen sind. Die Industrie hat euch jetzt schon in eine völlig falsche Richtung verändert.«
»Weißt du was?!«, fauchte ich. »Du gibst mir gerade das Gefühl, dass du nicht damit klarkommst, wie ich mit BigHit zusammenarbeite. Nur weil du damit angefangen hast, die Regeln des Managements zu ignorieren, muss ich das nicht auch, nur um dir einen Gefallen zu tun! Von wegen Sorgen machen. Ich bin dir sowieso egal, also komm mir nicht mit solchen Argumenten, um mich von irgendetwas zu überzeugen.«
»Wie wenig hältst du eigentlich von mir als Mensch?! Du bist mir nicht egal, du gibst mir nur mit jedem weiteren Gespräch weniger Gründe, dich zu mögen.«
Für einen kurzen Moment verharrte ich, selbst davon überrascht, wie sehr mich diese Worte verletzt hatten. Dann jedoch funkelte ich ihn wütender denn je an. »Warum bist du so?! Ich kann nichts dafür, wie es mit Singularity gelaufen ist. Und für deine Probleme mit deinen Arbeitgebern kann ich auch nichts. Also zieh mich nicht in irgendwelche Scheiße rein, nur um dann meine Aussagen gegen mich zu verwenden. Das ist nicht fair!«
»Es geht doch nicht nur um Singularity. Es geht um dich. Ich glaube, ich kenne mein eigenes Gesicht gut genug, um zu sehen, wenn die Gesichtszüge vor Leere oder Schmerz verzogen sind. Ich will dir helfen. Wann kapierst du das?!«
Ich holte tief Luft. »Lass mich einfach in Ruhe, Taehyung. So wie ich dich in Ruhe lasse. Glaub mir, das ist besser so. Sonst reiten wir uns nur noch weiter in die Scheiße rein.«
Damit wandte ich mich von ihm ab, bereit, den Raum zu verlassen. Ich wollte dieses Gespräch nicht weiterführen. Es beängstigte mich. Noch vor ein paar Wochen waren mir die Streitereien mit Taehyung herzlich egal gewesen, doch nun schwang so viel mehr in unseren Worten mit, wofür ich nicht bereit war. Ich bemerkte selbst, dass ich angefangen hatte, eine emotionale Bindung zu ihm aufzubauen. Er bedeutete mir etwas. Und das wollte ich nicht.
»Wow, sehr erwachsen. Gehst du jetzt einfach? Ohne mir zu erklären, was zur Hölle du meinst?!«
Meine Finger umklammerten schon die Klinke und zitterten dabei vor Wut. Für einen Moment ging ich alle Ereignisse der letzten Wochen durch. Die Momente, die sich mit Taehyung an meiner Seite gut angefühlt hatten. Er hatte den wirklich üblen Aspekten meines neuen Lebens ein wenig Hoffnung und Freude eingehaucht. Und dann war dieser seltsame Moment beim Astralreisen-Meeting geschehen, wo wir denselben Traum gehabt hatten...ganz so, als wäre an dieser Geschichte von den Zwillingsflammen, die Samsoon-nim uns erzählt hatte, doch etwas dran. Wie ich sagte...es war beängstigend. Neben all dem Stress, der momentan unseren Alltag bestimmte, hatte ich einfach keine Kapazitäten, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen, wie ich denn nun zu Kim Taehyung stand.
»Julia...bitte«, hörte ich Taehyung hinter mir nun murmeln. »Mach mit Singularity von mir aus, was das Management sagt. Ja, es wäre schön gewesen, über meinen eigenen Solo-Song ein wenig mitzuentscheiden. Aber das ist schon okay. Ich mache mir nur Sorgen, wie es dir mit all dem geht.«
Ich spürte, wie meine Nase zu kribbeln begann und meine Augen sich mit Tränen füllten. Als Tae dann auch noch seine Hand auf meinen Oberarm legte, wurde es mir zu viel und ich drehte mich energisch zu ihm um.
»Natürlich geht es mir nicht gut!«, schrie ich ihn an. »Alles läuft gerade scheiße und ich weiß nicht mal, mit wem ich reden soll, weil es allen Eingeweihten mindestens genauso scheiße geht und ich sie nicht runterziehen will! Ich kann nicht mehr, okay?! Es geht nicht! Dieses ganze Training und dann diese ständige Angst, aufzufliegen!«
»Woah, woah, woah. Julia, immer mit der Ruhe«, stammelte er nun überfordert. »Das...das wird schon alles irgendwie. Wir...wir finden einen Weg.«
»Bis dahin wissen eh schon alle Bescheid! Ich hab so verdammt Angst, was auf den Konzerten passiert, man! Ich hab's ja sogar schon vor deinem Bruder verkackt!«
»Warte...was?!« Taehyungs mitfühlender Blick hatte sich innerhalb einer einzigen Sekunde in eine völlig verstörte Miene verwandelt. Nun realisierte ich erst, was mir da vor blinder Verzweiflung rausgerutscht war. Super. Jetzt war es offiziell vorbei.
»Ja, bitte sehr. Jetzt weißt du es. Mir sind vor deinem Bruder ein paar dumme Dinge rausgerutscht und er weiß, dass irgendwas faul ist. Hat aber nicht weiter nachgebohrt«, grummelte ich mit gesenktem Blick.
»Und das sagst du mir jetzt?! Eine ganze, verkackte Woche später?«, fauchte Taehyung. »Sag mal, sicher, dass bei dir beim Körpertausch nicht doch sämtliche Gehirnmasse verloren gegangen ist?! Spinnst du?!«
»Ich wollte dich nicht zusätzlich belasten...«, erwiderte ich nun ziemlich kleinlaut.
»Und deswegen entscheidest du dich prompt dazu, vor mir zu verstecken, dass wir vor meiner Familie quasi aufgeflogen sind. Aber sonst geht's dir gut, ja?!«
»Wir sind in dem Sinne ja nicht aufgeflogen...Ich glaube, Jeongyu hält dich höchstens für irgendeinen Junkie oder so...«
Taehyung schlug nun mit der flachen Hand an die Wand neben mir, wobei so ein lautes Klatschen entstand, dass ich heftig zusammenzuckte. Ich starrte ihn völlig verängstigt an.
»Ich hab dir vertraut. Ich war echt so dumm und hab dir vertraut!«
»Taehyung, ich...«
»Halt einfach den Mund. Ehrlich, spar's dir. Es sei denn, du hast noch irgendwelche Dinge, die du vor mir versteckt hast, weil ich die Wahrheit ja in deinen Augen scheinbar nicht ertragen kann. Das ist doch echt lächerlich. Lächerlich!«
Er raufte sich die Haare und begann, in dem Raum auf und ab zu tigern, während mir nun wirklich die erste Träne die Wange hinabrann. Hastig wischte ich sie mir mit dem Handrücken weg und versuchte, Blickkontakt zu ihm aufzubauen. Vergebens.
»Es tut mir leid, okay? Ich habe es wirklich getan, um dich zu schützen.«
»Schützen wovor? Schützen davor, deine verlogene Seite zu entdecken?! Danke, aber von der hätte ich gerne früher gewusst! Dann hätte ich es mir nämlich sparen können, irgendwelche Hoffnungen in dich zu setzen. Aber ich dachte mir immer "Hey, wenn sie schon nicht tanzen kann...und nicht singen...dann muss sie ja irgendwie was anderes können oder vielleicht doch super nett sein oder so". Wenn ich geahnt hätte, dass du von vorne bis hinten einfach nur ein furchtbarer Mensch ohne jegliche Talente bist, dann hätte ich BigHit gleich sagen können, dass sie dich zurück nach Deutschland schicken sollen.«
Ich stand einfach nur fassungslos da und starrte ihn mit zunehmend verschwommener Sicht an. Für den Hauch eines Moments schien er selbst geschockt von seinen Worten, dann jedoch stürmte er an mir vorbei und knallte die Tür hinter sich zu. Das war der Moment, in dem ich laut zu schluchzen begann und mich wankend gegen die Wand lehnte. Von allen Dingen, die ich verkackt hatte, war mein größter Fehler wirklich gewesen, Kim Taehyung emotional an mich heranzulassen.
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Es war bereits kurz nach 23 Uhr, als wir letztendlich auf Hannam The Hill ankamen und uns alle zurückzogen. Ich fühlte mich einfach nur elend und hatte irgendwie das Gefühl, mit jemandem über alles reden zu wollen. Andererseits fehlte mir die Lust, die ganze Situation irgendjemandem von vorne erklären zu müssen. Also war ich auf mich allein gestellt. Mit diesem Hintergedanken wünschte ich Maya auch direkt nach unserer Ankunft im Apartment eine gute Nacht und zog mich auf den finsteren Balkon zurück. Mein erster Griff ging dort direkt in die Gesäßtasche, wo ich mein Handy und meine Kopfhörer hervorzog. Ich wusste genau, welchen Song ich jetzt brauchte. Kaum setzte der langsame Drumbeat ein, kehrten die Erinnerungen an den Traum sofort zurück.
I know you're tired, I know you tried
Just say your point of view
Yeah, sick of all the poison in me
What did I do wrong for me, babe?
Uh, I see myself in you, I see myself in you, baby
Als die Melodie langsam ausklang, ließ ich den Song gleich nochmal laufen. Während meine Gedanken rund um den Streit kreisten, lehnte ich mich gegen das Geländer und ließ den Blick ein wenig wandern. Ich war noch kein einziges Mal auf dem Balkon gewesen, was ich jetzt, wo ich die tolle Aussicht sah, ein wenig bereute. Die Anlage The Hill war überall mit warmem Licht durchflutet und weiter im Hintergrund erstreckte sich mit kleinen Lichtpunkten auch der Rest Seouls. Von diesem Hügel aus konnte man wirklich eine Menge erkennen, vor allem aber den Nachtverkehr hören, den ich so in der Art auch schon aus Berlin kannte. Der eisige Wind blies mir durch die Erhebung aber auch unangenehm um die Nase, weshalb ich es nicht lange im Freien aushielt. Einen klaren Kopf hatte ich dadurch auch nicht bekommen. Eher den Drang, mich vom Geländer zu stürzen. Auch, wenn ich Taehyungs Körper natürlich nie schaden wollen würde.
Mechanisch schlurfte ich schließlich in mein eigenes Bad, um mich vielleicht wenigstens durch eine Dusche wieder ein wenig menschlich zu fühlen. Das wäre dann zwar heute durch das viele Tanztraining schon meine dritte Dusche...aber es könnte mich in dem Moment nicht weniger interessieren. Genervt stellte ich allerdings fest, dass ich meine Zahnbürste und meinen Rasierer heute morgen bei Maya im Bad vergessen hatte, als wir uns mal wieder gegenseitig beim Enthaaren des Kinns geholfen hatten. Für einen kurzen Augenblick hob ich den Blick, um mein bemitleidenswertes Abbild im Spiegel zu betrachten. Dann trottete ich lustlos quer durch das Apartment zu Mayas Bad und öffnete gedankenlos die Tür.
In diesem Moment kehrten allerdings mit einem Schlag alle meine Lebensgeister wieder zurück. Der laute Schrei, der meine Kehle verließ, hatte sie alle wiedergeholt. Vielleicht hatte ich mit diesem schrillen und schiefen Ausruf, der durch Taehyungs tiefe Stimme unfassbar unheimlich klang, sogar ein paar Dämonen beschworen. Wer weiß.
Im Badezimmer, unter der Dusche, stand Maya, nach wie vor in Yoongis Körper. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass sie nackt war und mit einer Faust die Erektion fest umgriffen hielt. Sie hatte sich gegen die weißen Fliesen gelehnt und das Wasser laufen lassen, entweder zur Entspannung oder um das Stöhnen zu übertönen, das ihren noch immer geöffneten Mund vermutlich hin und wieder verlassen hatte. Natürlich hatte sie mich durch meinen Schrei sofort bemerkt und kreischend begonnen, ihren Schritt zu verdenken. Was ihr natürlich eher schlecht als recht gelang, wenn man den aktuellen Zustand des Glieds bedachte.
Ohne weiter darüber nachzudenken, trat ich direkt wieder einen Schritt zurück und knallte die Tür völlig in Schock zu. Mein Herz raste und mein Atem ging flach. Heilige Scheiße, ich hatte gerade Min Yoongis Körper nackt gesehen...und nun ein deutliches Bild im Kopf, wie er beim Masturbieren aussehen würde! Oh Gott. Oh Gott, oh Gott, oh Gott.
Im Bad hörte man, wie Maya das Wasser abdrehte. Für einen kurzen Moment herrschte völlige Stille, dann drang Yoongis Stimme durch die Tür zu mir.
»Julia?! Hör zu, ich...«
»Nein, schon gut. Tut mir leid! Mach...mach weiter. Ich...ähm...ja. Es ist alles okay. Bring es einfach...zu Ende. Ich bin weg.«
Damit stürmte ich zur Eingangstür und verließ rasant das Apartment, ohne mir überhaupt weiter darüber Gedanken zu machen, wo ich denn zu so später Stunde eigentlich hinwollte. Die Entscheidung wurde mir jedoch abgenommen, als ich die Treppe gerade einmal eine Etage hinabgestiegen war. Dort stand nämlich Jungkook in Sportsachen und musterte mich mit großen Augen. Zumindest half mir diese Überraschung, für einen Moment das Bild von Yoongis masturbierendem Körper aus meinem Kopf zu verbannen, ebenso wie die ganzen Fragen, die sich mir darüber stellten. Hatte Maya ihn einfach so berührt? Hatten sie sich abgesprochen? Wie bekam sie überhaupt einen hoch? Ich könnte mich niemals selbst mit einem Penis befriedigen. Das wäre zu...seltsam.
»Ist alles okay bei dir?«, fragte mich der Maknae etwas verwirrt. »Wo willst du jetzt noch hin?«
»Ich...ähm...ich wollte zu dir«, entfuhr es mir spontan und mit hochrotem Kopf. Das war nicht einmal gelogen...unterbewusst hatte ich tatsächlich nach Jungkook, Jimin oder Hobi gesucht.
»Zu mir?«, lachte er überrascht auf. »Wieso das denn?«
»Du...ich...naja. Ich könnte wirklich deine Hilfe gebrauchen. Wenn es dir denn nichts ausmacht, ein paar Überstunden für mich zu machen...«
Nun schien ich sein Interesse vollends geweckt zu haben. »Prinzipiell macht es mir nichts aus. Kommt aber darauf an worum es geht. Und wofür.«
Ich holte tief Luft. »Taehyung. Ich mache es für Taehyung.«
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author's note:
Ehm...Happy Festa?? ^-^' Oh man, jetzt dachte ich mir so, ich mach euch eine Freude und lade zum Geburtstag schon einen Tag früher hoch...und jetzt ist das einfach das Todes-Drama-Cringe-Kapitel XD I'm really sorry. Aber hey, wir schaffen das. Am Donnerstag geht's dann weiter :)
PS: Habt ihr alle schön brav das MUSTER geschaut?
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