28 - Just Dance Pt. II

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Kapitel 28
»Just Dance Pt. II«

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Taehyung

Es war eine seltsame Sache, quasi sich selbst bei den Dingen zu beobachten, die man sonst selbst den lieben langen Tag tat. Zumindest ging es Taehyung so, als er Julia zu all den Stationen begleitete, die ihr Können testen sollten, ihn zeitweilig zu ersetzen. Beim Tanzen hatte sie schon einen mehr als miserablen Job hingelegt. Nun befanden sie sich im Studio, wo Pdogg sich gerade ein Bild darüber zu machen versuchte, wie gut Maya und sie die Stimmen kontrollieren konnten. Und Taehyung betete, dass Julia es dieses Mal besser hinbekommen würde.

Der bisherige Stand hatte ergeben, dass die Erfahrungen, die Yoongi und er über die Jahre stimmlich gesehen gemacht hatten, wohl nicht an die Mädels mit übergegangen waren. Zumindest hatte es sich so angehört nach der kurzen Bestandsaufnahme beim gestrigen Meeting im Hotel.

Taehyung beobachtete missmutig, wie Maya sich mit eingezogenem Kopf vor dem Mikrofonständer platzierte, der in Pdoggs Studio quasi mitten im Raum stand. Er selbst saß an seinem PC und nahm ein paar letzte Einstellungen in seinen Programmen vor, ehe er ihr die Kopfhörer reichte, die sie zum singen – oder in ihrem Fall rappen – aufsetzen musste.

Wenn sie es heute so gut machen würde wie das Tanzen zuvor, dann konnte zumindest Yoongi erst einmal durchatmen, dachte sich Taehyung und seufzte resigniert in sich hinein. Er selbst schien da wohl das eindeutig schlechtere Los gezogen zu haben. Vor allem dank der Tatsache, dass diese Julia ihm schon nach einem Tag ziemlich an seinen sonst so strammen Nerven zehrte. Er hasste es, wenn man ihm versuchte vorzuschreiben, was er essen sollte und was nicht.

Als Maya testweise erneut First Love zu rappen begann, sah man ihr von Kopf bis Fuß an, wie sehr sie sich dabei vor sich selbst gruselte. Ab und zu verlor sich der ein oder andere Ton in ihrer Stimme, so dass es klang, als würde sie gleich anfangen zu weinen. Sie ließ Yoongis Körper so hilflos und verschreckt aussehen, dass ihm plötzlich jedes Kätzchen-Meme wie die Faust aufs Auge passte. Wenn es nicht eine so beschissene Situation gewesen wäre, hätte Taehyung es irgendwie süß gefunden.

Er fragte sich in diesem Moment auch, ob es sich wohl für die beiden Mädels oder für Yoongi und ihn seltsamer anfühlte, mal auf die ganze Sachlage bezogen. War es unheimlicher im Körper einer völlig fremden Person aufzuwachen oder in dem eines Menschen, den man irgendwie schon kannte? Taehyung fand für sich selbst keine Antwort auf diese Frage.

Sein Blick fiel auf Yoongi, der hochkonzentriert auf dem kleinen Sofa an Pdoggs Studiowand saß und Maya keinen Moment aus den Augen ließ. Taehyung war überzeugt, dass man eine Bombe neben ihm hochgehen lassen könnte, ohne dass er sich abwenden würde. Wenn es um seine Musik und speziell seinen Rap ging, konnte ihn nichts aus seiner Trance reißen. Und hier stand zumal so viel mehr auf dem Spiel. Er übergab all das, was er sonst immer selbst kontrolliert hatte, in die Hände einer Fremden. Genau wie Taehyung. Kein Wunder konnte man in diesem Fall sogar durch Yoongis sonst so undurchdringliche Augen die Angst durchblitzen sehen.

Dabei machte Maya ihren Job gar nicht mal sooo schlecht, wenn ihre Stimme nicht gerade versagte und sie sich für ein paar Sekunden konzentrierte. Nur konnte Tae sich gut vorstellen, dass es ihr absolut schwerfallen würde, das Tanzen und Rappen auf der Bühne zu verbinden. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihre Atmung richtig kontrollieren musste und kam selbst jetzt, im Stehen, schon viel zu oft aus der Puste. Dazu hatte sie nicht das gleiche Rhythmusgefühl wie Yoongi und traf die Beats absolut nicht so präzise wie er.

Als Julia an der Reihe war und Singularity singen sollte, sah es da ganz ähnlich aus. Taehyung hatte jahrelang mit seinen Gesangslehrern geübt, seine Atmung so zu trainieren, dass er sie beim Singen perfekt kontrollieren konnte. Diese Erfahrung war wohl absolut nicht an Julia mit übergegangen. Wie Maya bekam sie immer wieder Probleme und konnte die Töne nicht so lange wie nötig halten. Dazu gesellte sich die Tatsache, dass sie lange nicht so viel Gefühl in die Strophen dieses emotionalen Songs steckte, wie sie eigentlich sollte.

Taehyung bereitete das, was er sah und hörte, jedenfalls einiges an Magengrummeln. Denn es war nicht nur Tatsache, dass die Person, die seinen Körper nun steuerte, nicht wie er singen und tanzen konnte. Julia agierte auch völlig anders. Sie besaß eine ganz andere Mimik, eine ganz andere Körpersprache. Und allein diese würden bei öffentlichen Auftritten schon seltsam genug auf die Fans wirken, um wilde Spekulationen über seinen Geisteszustand loszutreten. Aber das war das letzte, was Taehyung wollte.

Er hatte sich inzwischen halbwegs damit abgefunden, dass er Julia ein gewisses Maß an Vertrauen schenken musste. Dass er ihr für die öffentlichen Auftritte seine Klamotten leihen würde. Genauso hatte er sich mit der Tatsache abgefunden, dass er wahrscheinlich viele Stunden alleine mit ihr verbringen musste, um sie durch ein persönlichen „How-to-be-V"-Training zu jagen. Aber dann gab es da noch diese andere Seite an ihm. Eine Seite, die mit jeder Interaktion mit Julia dominanter wurde. Eine Seite, die sie einfach nur unausstehlich fand. Und das war wirklich etwas, das man bei einem geselligen Menschen wie ihm wirklich schwer provozieren konnte.

Eigentlich wollte Taehyung gut mit Julia auskommen. Er wollte es wirklich! Aber die Tatsache, dass sie seinen Körper besaß und dazu auch schon den ein oder anderen ihm nicht ganz so lieben Kommentar hatte fallen lassen, sorgten dafür, dass der sonst so umgängliche Sänger unfreiwillig eine kleine Abneigung entwickelte.

Er mochte die Art nicht, wie steif Julia seine Gesichtszüge aussehen ließ. Er hasste es, dass sie mindestens genauso steif seine Songs sang. Aber am meisten widerstrebte es ihm davor, Zeit mit ihr zu verbringen. Wahrscheinlich würde sie ihn nur wieder daran erinnern, dass er ihre blöden langen Haare abgeschnitten hatte. Oder sie regte sich erneut darüber auf, dass er Fleisch aß. Irgendwie schätzte er sie so ein, dass das Thema, trotz ihres Nachgebens am gestrigen Abend, noch lange nicht vom Tisch war.

Heute morgen hatte sie kein einziges Wort mit Taehyung gewechselt. Nicht, dass sie das bisher überhaupt einmal freiwillig getan hätte. Aber heute war da schon wieder dieser seltsame Blick gewesen. Dieser Blick, als hätte er erneut etwas falsch gemacht. Dieser Blick, dem man dem Babysitter seines eigenen Hundes gab, wenn man diesem nicht zutraute, sich gut genug um den kleinen Schatz zu kümmern. Und Taehyung nervte das so unbeschreiblich.

War sie nicht ein Fan seiner Band? Warum gab sie ihm denn keine Chance? Warum verlangte sie gleich von der ersten Sekunde solche absurden Dinge von ihm und war dann letztendlich trotzdem sauer, wenn er das tat, was sie wollte? Er hatte doch mit allen Mitteln versucht, nett zu ihr zu sein, trotz der bestehenden Umstände! Trotz der Tatsache, dass es ihn eigentlich immer ziemlich fertigmachte, wenn er sie ansehen musste. Frauen waren komisch. Und nun war er selbst eine. Ob das nun hieß, dass er selbst so seltsam werden würde? Ob das wohl an den Hormonen lag?!

Taehyung schüttelte heftig den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. Inzwischen war es Mittagspause und sie saßen alle Vier unter der Aufsicht von Sejin im Aufenthaltsraum, wo man ihnen – wie eigentlich immer – bestelltes Essen bereitgestellt hatte.

Nachdem Julia so niedergeschlagen aus Pdoggs Studio gekommen war, hatte Tae letztendlich doch Mitleid mit ihr gehabt und sich beim Essen nur ein paar Stücke der Pizza Margarita genehmigt. Letztendlich war er sich aber nicht einmal sicher, ob es ihr in ihrem ganzen Trübsal überhaupt aufgefallen war und diese Tatsache hatte ihn letztendlich wieder ein wenig säuerlich gestimmt. Noch schlimmer wurde es dann, als er sah, dass Maya und Yoongi es offensichtlich hinbekamen, sich in friedlicher Eintracht eine Pizza zu teilen. Zufälligerweise mochten sie beide am liebsten Gambas als Belag. Sie schauten sich dabei nicht wirklich an, aber dennoch merkte man, dass die zwei nicht allzu abgeneigt von der Anwesenheit des jeweils anderen waren.

Taehyung konnte es nachvollziehen. Er hätte auch lieber die Gewissheit, dass Julia ihn leiden konnte. Das würde alles so viel einfacher und erträglicher für ihn machen. Aber er besaß in diesem Moment herzlich wenig Ambition, etwas an der Situation zwischen ihr und ihm zu ändern. Dafür war er zu beleidigt über das bereits Geschehene.

Nach der Mittagspause ging es für sie Vier zu dem angekündigten Gesundheitscheck, der von dem bereits gestern anwesenden Arzt ausgeführt werden sollte. Dafür wurden sie zunächst in einem Raum mit zwei Sofas zwischenabgestellt und erst nach und nach durch eine weitere Tür aufgerufen. Julia war als erste dran.

»Bleib bei den Spritzen ganz locker, das ist dann nur halb so schlimm«, versuchte Yoongi gerade Maya zu beruhigen, die offensichtlich ziemlich nervös angesichts der anstehenden Schulterinjektionen war. Die beiden saßen auf der Couch, die sich am nächsten zur Tür zum Nebenraum befand.

Ob Yoongi ihr wohl auch sagen würde, dass sie wahrscheinlich die nächsten beiden Tage nicht mehr besonders viel mit dem linken Arm anfangen können würde? Taehyung wusste das durch die unzähligen Male, die er das nun schon mitbekommen hatte. Bei Mayas Anblick jedenfalls konnte er nachvollziehen, warum der Rapper es ihr nicht erzählen wollte. Es war so seltsam, sein nun von Maya befehligtes Gesicht so unglaublich niedergeschlagen zu sehen. Eine Emotion, die der eigentliche Besitzer dieses Körpers mit Bravur zu verstecken wusste.

Es dauerte etwa 20 Minuten, bis schließlich Maya in den Raum gerufen wurde und tatsächlich galt ihr letzter hilfloser Blick Yoongi und nicht Julia, die ihr auf ihrem Weg zur Tür entgegenkam. Der Rapper presste die Lippen aufeinander und nickte ihr ein letztes Mal zu, ehe sie verschwunden war und er sich seufzend seinem Handy zuwendete.

Zu Taehyungs großer Überraschung ließ sich Julia neben ihm auf dem Sofa nieder. Eigentlich hätte er darauf gewettet, dass sie sich lieber zu Yoongi setzen würde, aber dem war wohl nicht so. Was ihn aber dann noch einmal mehr schockierte, war die Tatsache, dass sie offensichtlich drauf und dran war, ein Gespräch mit ihm anzufangen.

»Hat man euch gestern auch Blut abgenommen?«, fragte sie ihn leise. »Ich war ein wenig überrascht.«

Taehyung musterte sie kurz argwöhnisch von der Seite, ehe er antwortete. »Ja, hat der Doktor gemacht. Aber ich weiß nicht, wozu das gut sein soll.«

Julia seufzte. »Morgen will er noch einen Ausdauertest machen. Auf so einem komischen Laufrad-Ding...«

»Fahrradergometer«, korrigierte er sie und fühlte sich dabei sofort etwas besser. Wie immer, wenn er etwas wusste, was die andere Person allem Anschein nach nicht wusste. Es hatte in Taehyungs Fall nichts mit Hochmut zu tun. Eher mit einer kindlichen Freude, irgendwann einmal aufgenommenes Wissen endlich sinnvoll gebrauchen zu können.

»Ja...wie auch immer...«, brummte Julia, offensichtlich nicht so begeistert darüber, belehrt zu werden. »Ich hoffe ja mal, dass sie bei diesem ganzen Aufwand auch wissen, was sie tun. Ich will nicht als ein Versuchskaninchen enden.«

»Ach was«, erwiderte Taehyung beschwichtigend. »Dieser Arzt hat uns schon so oft geholfen, wenn wir mit irgendwas Probleme hatten. Ich denke, er wird auf jeden Fall das Richtige tun, um uns bestmöglich zu helfen.«

Er lächelte sie aufmunternd an, doch zu seinem großen Frust erntete er nur einen skeptischen Blick. Und zu seinem größten Verdruss blickte sie dann wieder verdächtig lange auf die abgeschnittenen roten Haare, die ihm ins Gesicht fielen.

»Hättest du die nicht abgeschnitten, hättest du sie bei dem Test morgen wenigstens zu einem Zopf binden können«, murmelte sie verdrießlich und wandte den Kopf ab.

Taehyung presste die Lippen aufeinander und versuchte zwanghaft, den in ihm aufkeimenden Zorn zu unterdrücken. Warum musste sie jetzt schon wieder mit sowas anfangen? Es waren doch nur Haare! Sie tat fast so, als hätte er ihr ein Tattoo unter die Haut gestochen. Auf der anderen Seite...wollte er jetzt wirklich schon wieder beleidigt abdampfen? Immerhin...könnte sie vielleicht schon ein wenig Recht dazu haben, ihm einen Vorwurf zu machen. Aber woher hätte er denn wissen sollen, dass das solche Konsequenzen nach sich ziehen würde, wenn er morgens als Frau aufwachte und sich darauf die Haare abschnitt?!

»Sie werden schon wieder wachsen...«, brummte er hervor und senkte dabei den Kopf ein wenig beschämt zu Boden. Einmal einen schuldbewussten Gedanken eingefangen, so wurde er ihn meist nicht mehr so schnell wieder los.

Julia rümpfte die Nase und blickte – so nahm er aus den Augenwinkeln wahr – ebenfalls nach unten. Auf die Schuhe, von denen er sich totsicher war, dass sie verdammt billig gewesen waren. Ob er ihr wohl...seine eigenen Sachen anbieten sollte? Irgendwie würde er es gerne tun...aber irgendwie auch nicht. Aber letztendlich...war es das einzig Sinnvolle, wenn sie ihre Klamotten ein wenig austauschen würden...oder nicht? Immerhin rannte er selbst gerade noch mit viel zu großen Schuhen herum, die Seokjin Yoongi und ihm geliehen hatte. Und mal schnell in einen Laden würden seine Chefs ihn ganz sicher nicht gehen lassen!

»W-was...was denkst du...Ehm...ich meine, was würdest du eigentlich davon halten, wenn...wenn...«

Taehyung strich sich nervös die roten Fransen hinter die Ohren, nur um missmutig feststellen zu dürfen, dass sie ihm sofort wieder nach vorne fielen. Mist, vielleicht hatte sie doch mehr recht, als es ihm lieb war.

»Ich meine...nur wenn du willst, dann können wir...naja...uns ein paar Klamotten...gegenseitig leihen...also ich rede jetzt von Schuhen und sowas!!...Ich meine...es wäre nur logisch, oder?«

Er wagte es vorsichtig, wieder zu Julia zu sehen, die ihn ein wenig unbeholfen anblinzelte. Man konnte fast sagen, sie wirkte vor den Kopf gestoßen. Das veranlasste Taehyung dazu, sofort zu bereuen, sie jemals gefragt zu haben.

»Wenn dir das unangenehm ist, kann ich auch neue kaufen!«, schob er schnell noch hinterher und zwang sich zu einem unbekümmerten Schulterzucken. Jedoch konnte er nicht verhindern, dass seine Augen wahrscheinlich viel zu weit aufgerissen waren.

»Nein, nein...das geht schon klar...«, murmelte Julia und verschluckte sich dabei fast am letzten Wort. »Yoongi...Yoongi und Maya machen das auch so...«

Sie wirkte plötzlich ziemlich seltsam und Taehyung brannte darauf, zu wissen, was sie gerade dachte. Jedoch würde er einen Teufel tun und sie das fragen! Lieber klammerte er sich an der Tatsache fest, dass sie Ja gesagt hatte. Das konnte man wohl...als kleinen Teilerfolg werten.

»Cool...«, antwortete er und schenkte ihr den zaghaften Ansatz eines Grinsens. Es fühlte sich an, als würde er seinen großen Zeh ausstrecken, um zu testen, ob das Wasser zu heiß war.

Julias starrte ihn an...ehe ihre Mundwinkel zuckten. Es sollte wohl ebenfalls sowas wie ein Lächeln darstellen. Eines, über das sie sich wohl noch nicht so ganz sicher war, ob sie es auf den Weg schicken sollte. Kurz fragte sich Taehyung, ob sie es vielleicht nur deswegen nicht zeigte, weil sie es sich selbst nicht erlaubte...Ja, vielleicht erlaubte sie sich selbst nicht in dieser schwierigen Situation auch nur den Hauch von Glück zu empfinden...Oder vielleicht konnte sie ihn einfach wirklich nicht leiden. Letztendlich hatte er keine Ahnung.

Eventuell würde sie ihn ja doch irgendwann nett finden und sich das Lächeln erlauben, wenn er nicht mehr so grantig auf ihre schnippischen Kommentare reagierte. Ja...vielleicht musste er einfach daran festhalten.

Immerhin war er immer noch Taehyung. Ein guter Junge.

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