Kapitel 1

,, Und so ging diese Welt verloren und eine neue, unsere Welt wurde geboren"

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Die Veerum ,die vor meiner Mutter und mir saß, hatte einen strengen Anblick. Die rabenschwarzen Haare streng nach hinten gekämmt, das beige Kostüm mit frischen Bügelfalten versehen. Das ,,Band" natürlich in einem klaren weiß .

Alles an ihr war perfekt und tadellos .

Ein totaler Kontrast zwischen ihr und meiner Mutter.

Schwarz und weiß.

Sonne und Mond.

Meine Mutter, das Haar unordentlich gepflochten, die Hände unruhig auf ihren Schoß, ihr ,,Band"  grau, war ganz sicher nicht ein Vorbild in dieser Welt.

Eine Welt kontrolliert und beherrscht von den moralisch perfektesten Menschen, die Veerum. Diese Menschen verhielten sich moralisch korrekt, in jeder Lebenssituation, keine persönlichen Ängste, keine Fehlentscheidungen, keine Fehltritte.

Niemals. 

Ein Vorbild und eine Aufforderung ,sich genauso perfekt zu verhalten wie sie.

 Und genau so ein Exemplar saß vor meiner Mutter und mir.

Meine Hand wanderte langsam und vorsichtig unter den Tisch zu der Hand meiner Mutter. Meine Finger umschlossen ihre schwitzige Hand.

Mein Daumen strich über ihr Handdrücken.

Versuchte Halt zu geben, in dieser ausichtslosen Situation.

Ich rutschte unruhig auf den weißen Stuhl, hergestellt aus künstlich erzeugten Holzzellen, hin und her.

Gleich war es soweit, eine Minute noch, dann würde laut der Veerum vor mir  die Besprechung enden.

Eine Minute. Sechzig Sekunden. Sechzigtausend millisekunden.

Ich merkte wie auch meine Mutter die Uhr an der Wand gegenüber nicht aus den Augen ließ. Ihr war klar das ihre Zeit hier in der Mitte der Gesellschaft langsam ablief.

Ich wünschte ich könnte die Zeit für meine Mutter festhalten , wusste aber das es unmöglich sein würde. Ein aussichtsloser Versuch, vergleichbar wie wenn man versuchte einen Schmetterling ein zu fangen.

Die Zeit und die Veerum konnte man nicht stoppen.

Beim Versuch würde man genauso ausgestoßen werden wie die Expulsos.

Als die Expulsos bezeichnet man die Menschen, die in unserer Gesellschaft durch moralische Fehler ausgestoßen worden sind. 

Diese Fehler sind nicht nur die ,,typischen" Verbrechen , sondern auch moralische Fehlentscheidungen wie Abtreibung, Sterbehilfe, aber auch Depressionen, da man durch diese unsere ganze, tadellose und perfekte Welt belastet.

Moralisch zu sein bedeutet hier perfekt zu sein.

Keine Belastung für die Gesellschaft.

Keine Gefahr für die Exsistenx dieser neuen Welt.

Jeder hier trägt sein Band, ein einfacher Armreif wo in der Mitte ein ovaler Stein eingelassen ist. Dieser Stein verändert je nach moralischen Verhalten seine Farbe in insgesamt fünf Stufen.

Die erste Farbe ist ein klares weiß, die zweite hellgrau wie ein Himmel voller Wolken , die dritte grau wie bei einem Sturm , die vierte dunkelgrau  und die fünfte und damit letzte Stufe schwarz wie die Nacht.

Die Bänder wurden von den Veerum auf unser inviduelles, moralisches Verhalten programmiert. Bei jedem moralischen Fehler oder jeder Fehlentscheidung ,,lädt" sich das Band damit auf. Bei zu vielen oder zu schweren Fehler  verändert sich die Farbe des Bandes ,innerhalb der fünf Stufen, seine Farbe.

Die ersten zwei Stufen ,weiß und hellgrau, werden in der Mitte der Gesellschaft akzeptiert und toleriert.

Stellen keine Gefahr da.

Wenn das Band jedoch die Farben der Stufen drei und vier hat, werden diese Menschen in ein sogenanntes Lager gebracht.

In diesen Lager sollen die Betroffenen lernen sich wieder moralisch korrekt zu verhalten, mithilfe von verschieden Therapien oder Aufgaben.

Gleichzeitig werden diese ,,Sünder"  , oder halt eben auch die Expulsos,  vom Kern der Gesellschaft isoliert, damit sie die moralisch Perfekten nicht mit ihren Fehlverhalten oder dunklen Gedanken infizieren können.

Verhält man sich in so einem Lager wieder richtig, kann es sein das sich das Band wieder in eine der Farben der ersten zwei Stufen verfärbt. Ist dies der Fall darf die betroffene Person wieder zurück zu seiner Familie und seinem alten Leben.

 Es kann jedoch auch sein das sich die Expulsos nicht wieder von ihren moralischen Sünden erholen und sich ihr Band in die letzte Stufe verfärbt. Ein Schwarz so tief und undurchschaubar wie die Nacht.

Diese Menschen werden dann aus den Lagern geschafft und man hört nie wieder was von ihnen.

Sie sind dann verloren.

Für immer.

Der Sinn dieses ganzen Systems ist, dass die Gesellschaft moralisch perfekt bleibt, keine Sünden die unsere ganze Welt belasten können.

Früher, als noch nicht die Veerum die Welt unter ihrer Kontrolle hatten, war der Planet von diesen moralischen Sünden geprägt. Persönliche Bedürfnisse wie Drogen oder Macht wurden über das Allgemeinwohl gestellt.

Die Folgen waren Lügen, der Klimawandel, Hunger und Armut.

Doch dann bildete sich eine Gruppe, die Veerum, die dies ein Ende setzten wollten.

Den Rest der noch übrig gebliebenen Welt retten.

Eine neue Welt entwicklen.

Mithilfe einer bestimmen Art von Atomenergie löschten die Veerum die ganze Menschheit bis auf sich selbst aus. 

Übrig geblieben ist eine kaputte Welt und eine Handvoll Menschen. Der Planet Erde hieß nun nicht mehr so, der neue Name war perfectus mundi, perfekte Welt.

Und so entstanden unter den Veerum eine neue Generation von Menschen. 

Eine bessere Generation. 

Eine Generation die nicht für ein bisschen Geld oder Macht Kriege führten.

Eine Generation die den Problemen ins Auge schaute und sich nicht in den Schleier aus Drogen ,Rauch oder tropischen Inseln, wie Mallorca, flüchteten.

Eine Generation wo an der ersten Stelle das Gemeinwohl stand, nicht das persönliche Wohl.

Doch diese Generation brauchte Schutz , damit sie weiterleben konnte. Gefahren waren dabei die Unperfekten und  die Unmoralischen, die Expulsos.

Oder eben auch meine Mutter.

Man konnte meiner Mutter nicht vorwerfen sich besonders unmoralisch verhalten zu haben, aber trotzdem hatte  ihr Band die Farbe der dritten Stufe angenommen.

Und das schon seit zwei Wochen.

Am Anfang meinten die Veerum, dass sie meine Mutter ungern abschieben würde, meinten meine Mutter habe noch Zeit sich selbst zu heilen. Sie hätte eine zweite Chance verdient.

Doch diese Zeit der Selbstheilung verstrich ohne Ergebnisse und meine Mutter versank noch tiefer in ihren Depressionen.

Ein schwarzes Loch ohne Chance auf Hilfe.

Sie war nicht in der Lage mich, ihre siebzehn jährige Tochter, weiter zu erziehen und zu unterstützen. Ein unmoralisches Verhalten in den Augen unserer Gesellschaft und damit ein Vergehen. 

Ein Vergehen das bestraft werden muss, zum Wohle der Gesellschaft.

Nach den Hintergrund der Depressionen fragte keiner. Warum auch, meine Mutter war eine Gefahr für Alle.

Mein Vater war für meine Mutter damals die ganze Welt.

Doch dann ist diese Welt vor ungefähr drei Jahren wie ein Häufchen Asche zusammengebrochen und nichts mehr ist davon übrig geblieben. 

Die Asche ist davon geweht und wird nie wiederkommen.

Ich habe meine Mutter verstanden, seine große Liebe zu verlieren ist sicherlich nicht einfach, und habe versucht sie zu unterstützen. 

Sie von ihrer Depression zu erlösen, ihr zu helfe, sie vor den Druck der Veerum zu schützen und einfach für sie da zu sein.

Plötzlich übernahm ich die Mutterrolle.

Ein völlig neues Gefühl für ein damals vierzehnjähriges Mädchen.

Doch auch ich konnte meine Mutter nicht vor dem System der Veerum beschützen. Auch ich war machtlos gegen das System.

Ich schloss kurz die Augen, dann wanderte mein Blich wieder zu der Uhr.

Noch fünf Sekunden, dann war die Minute vorbei. Meine Mutter drückte meine Hand leicht und schaute mir mit ihren glasigen Augen noch einmal tief in die Augen, lächelte leicht.

Sie war bereit ihren unwiederruflichen Schicksal entgegen zu treten.

Aber war ich dafür bereit meine Mutter zum Wohle der Gesellschaft zu verlieren?

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„Jeder ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt"

- Mark Taiwn

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