Kapitel 3

Markus

„Na du", begrüßte ich meine beste Freundin Vanessa, mit der ich mich zum Mittagessen in einem kleinen Café neben der Uni traf.

„Hey, Wuschelkopf." Freundschaftlich wuschelte sie mir einmal quer über den Kopf. Ich lachte über diese kleine vertraute Geste, die ich mir vor einem halben Jahr noch nicht hätte vorstellen können. 

Nachdem wir uns an einem Tisch nahe dem Fenster gelegen, gesetzt hatten, betrachtete ich die Freundin meines Bruders, wie sie konzentriert die Speisekarte studierte. Wie immer trug sie ihre Augen mit schwarzen Ringen umrahmt, die jedoch schon zu ihrem Markenzeichen geworden waren. Ihre schwarzen langen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, der über ihre Schulter glitt. Netzstrumpfhose, schwarzer Rock und Dr Martens durften bei ihrem Outfit nie fehlen. Trotz ihres etwas düsteren Modegeschmacks war sie die Nettigkeit in Person. Erst war sie von ihrem Kurs im Leben abgekommen, doch durch die Liebe meines Bruders hatte sie wieder zu sich gefunden. Und nicht nur er tat ihr unglaublich gut, auch sie hatte ihn aus dem schwarzen Loch in seinem Leben herausgeholt, in das er nach seiner Krankheit gefallen war. Gewiss war es kein leichter Weg für die beiden gewesen, um an diese Stelle in ihrem Leben zu gelangen, doch jedes Mal, wenn ich die beiden gemeinsam lachen sah, wurde mir ganz warm ums Herz. Ich freute mich so sehr für die beiden, dass sie sich gegenseitig den Halt gaben, den sie im Leben brauchten.

Mit funkelnden dunklen Augen hob Vanessa in diesem Moment den Blick und kaute ungeduldig auf ihrer Unterlippe. Sofort wusste ich Bescheid, dass sie mir unbedingt etwas sagen wollte und es kaum noch zurückhalten konnte.

„Was ist los?", ich legte die Karte aus den Händen und schenkte ihr meine volle Aufmerksamkeit.

„Ich muss dir unbedingt etwas sagen, Markus", fing sie an, wurde dann jedoch von der Bedienung unterbrochen, die unsere zuvor bestellten Getränke brachte.

Als sie auf dem Tisch standen, wandte ich mich wieder zu der schwarzhaarigen Schönheit mir gegenüber.

„Jetzt spann mich nicht so auf die Folter. Sag schon, was passiert ist", drängte ich sie endlich mit der Sprache rauszurücken.

„Also gut, Niklas und ich haben gestern Nacht die Wiederholung von Wedding Crashers geschaut und da ist uns etwas aufgefallen, was ...."

„Ihr habt euch verlobt?", brachen die Worte freudig aus mir heraus, bevor Vani den Satz auch nur im Entferntesten beenden konnte. Bei der stürmischen Beziehung, die die zwei als Pärchen durchgemacht hatten, würde ich ihnen alles zutrauen. Doch Vanis Kopfschütteln machte meinen Gedanken einen Strich durch die Rechnung.

„Was? Markus! Wie kommst du denn darauf? Eine Hochzeit, das ist dann doch etwas zu vorschnell", lachte sie.

„Ich wäre ein hervorragender Trauzeuge."

„Das bezweifle ich nicht im Geringsten, keine Sorge."

„Was habt ihr dann beschlossen? Ich tippe auf irgendwas Großes, sonst würdest du mich nicht extra dafür zum Essen einladen."

„Ich wusste gar nicht, dass ich dich eingeladen habe", feixte sie, wurde dann jedoch wieder ernst. „Wir wollen den nächsten Schritt gehen."

„Und der geht wohin?", fragte ich nun etwas ungeduldiger.

„Wir wollen zusammen ziehen. Weißt du, die Wohnung mit Joint ist wirklich toll und wir sind uns als Geschwister dadurch auch wieder näher gekommen, doch wenn wir mal ehrlich sind, bin ich die meiste Zeit dann doch bei Niklas. Da wäre eine gemeinsame Wohnung die sinnvollste Lösung, findest du nicht?"

„Natürlich!", antwortete ich bestimmt. „ich freue mich für euch, dass ihr den Schritt wagt. Und ich bin mir sicher, dass ihr den richtigen geht", wischte ich damit hoffentlich ihre Zweifel beiseite.

Sie schenkte mir ein warmes Lächeln. „Danke. Genau das wollte ich hören."

„Und wenn es doch nicht klappen sollte, können wir zwei immer noch eine WG gründen", zog ich sie auf.

Sie schnaubte bei der Vorstellung. „Und was ist, wenn du mal in festen Händen bist? Dann werden wir ein Dreigespann?"

„Auf diesen Hengst wird keiner einen Sattel legen", ich richtete mich auf und ließ spielerisch meine Muskeln in den Armen zucken.

Ein herzliches Lachen ihrerseits. „Was würde ich nur ohne dich tun!"

„Glaub mir, das willst du irgendwann herausfinden, wenn du mich mal satt hast", bemerkte ich und erwiderte ihr Lachen.

„Auf jeden Fall musst du bei der Einweihungsparty dabei sein", sie klang schwärmerisch, als sie sich die Wohnung bildlich vorstellte.

„Ja, und wahrscheinlich auch beim Umzug. Habt ihr schon eine Wohnung in Aussicht?"

„Wir werden uns in den nächsten Tagen einige in der Nähe anschauen. Du weißt, schon, der Weg zum Sportplatz darf nicht zu lang werden", beschwerte sie sich über die Fußballsucht meines Bruders. Tja, hatte er einmal Feuer gefangen, konnte man ihm es einfach nicht mehr austreiben.

Wir unterhielten uns während unseres Essens um weitere Wohnungsmöglichkeiten und über das Zusammenziehen ihrer besten Freundin und ihrem Bruder, das logischerweise auch bald folgen würde. Einige Male fielen meine Gedanken auf Annabelle und ich stellte mir die Frage, ob ich mir ebenso eine Zukunft mit ihr vorstellen konnte. Wenn sie Daniel, ihrem Freund alles beichten würde, könnten wir dann glücklich werden? Konnte ich das meinem Freund antun? Die Antwort darauf ließ mich aufschrecken, sodass ich mich wieder ins Gespräch einklinkte. An diesem Punkt in meinem Leben musste ich der Vernünftige sein, andererseits würde ich Menschen verletzen, die es nicht verdient hatten. Und diese Schuld konnte ich nicht auf mich nehmen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top