Kapitel 13

„Markus, schön dich zu sehen. Du bist sicherlich wegen Annabelle da."

„Wir wollten Tennis spielen, sie muss sich aber noch fertig machen", antwortete ich höflich.

„Die Zeit sollte sie sich nehmen, man muss auch beim Sport eine gute Figur machen", sagte sie etwas überheblich. Lucys Schnauben zog ihre Aufmerksamkeit auf sie. Als hätte sie ihre zweite Tochter erst jetzt gesehen, runzelte sie missmutig die Stirn.

„Lucy, du bist ja auch hier."

Diese bekam gar keine Chance zu antworten, da deutete ihre Mutter mit dem Zeigefinger auf das Nutellaglas.

„Ich wusste gar nicht, dass wir so etwas ungesundes im Haus haben. Woher kommt das?"

„Ich habe es gestern Abend geklaut", erklärte Lucy so trocken wie immer und das bekannte Zucken meiner Mundwinkel setzte ein.

Ein falsches Lächeln erstreckte sich auf den Lippen ihrer Mutter, während sie mir einen unsicheren Seitenblick zuwarf. Die Situation war ihr wie Annabelle zuvor in der Kneipe sichtlich unangenehm. Als Lucy ihre Worte als Scherz abtat, lachte sie laut, zu laut auf.

„Sag einfach Bescheid, wenn du das nächste Mal einkaufen gehst, dann kannst du noch andere Dinge besorgen."

„Ei Ei", salutierte Lucy mit dem Löffel an der Schläfe.

Kopfschüttelnd fasste sich ihre Mutter an die Stirn. „Ich denke Annabelle wird bald fertig sein", richtete sie sich mit mitleidiger Miene an mich. War ich denn der einzige, der sich in Lucys Anwesenheit nicht unwohl fühlte?

„Achja, Lucy du solltest nicht so viel von dem Zeug essen, das macht fett."

Damit verschwand ihre Mutter aus dem Raum. Wie ein kleines bockiges Kind und als könnte sie ihrer Mutter damit eins reinwürgen, nahm sie im nächsten Atemzug einen extra vollen Löffel und schob ihn ärgerlich in ihren Mund.

„Die Fette, die da drin enthalten sind, können in großen Mengen wirklich schädlich für die Leber sein", konnte ich mir meinen Kommentar nicht verkneifen.

„Weißt du was noch schädlich ist? Wenn ein Freund mir mein geliebtes Nutella schlecht redet."

„Heißt das, wir sind immer noch Freunde?"

„Klar, was lässt dich anders darüber denken?", sie legte den Kopf leicht schief als würde sie so meine Gedanken lesen können.

„Ich ... keine Ahnung", hilflos zuckte ich mit den Schultern.

„Na dann, müssen wir unsere Freundschaft mit einem Löffel Schoki besiegen", erwartungsvoll hielt sie mir das besagte Besteck hin und schob das Glas auffordernd in meine Richtung.

Betont langsam strich ich mit dem Löffel einmal am Rand entlang, um so wenig wie möglich aufzunehmen.

„Markus", ich erschrak darüber, dass sie mich mit meinem Namen ansprach. Sonst wurde ich Blondschopf oder Mister Nettigkeit genannt, da wusste ich erst mein Gefühl über meinen Namen auf ihrer Zunge nicht einzuordnen. „Da geht noch mehr" Abermals rückte sie das Glas ein Stück näher an mich heran.

Daraufhin gab ich mich geschlagen, nahm eine großzügige Portion und schlug dann sachte gegen ihren Löffel.

„Auf die Freundschaft."

Mit einem Strahlen im Gesicht wartete sie darauf, dass ich die Schokolade aß. Erst als ich schon fast fertig war, tat sie es mir gleich und schloss für einen kurzen Moment genießerisch die Augen.

„Es gibt wahrlich nichts besseres", sie stockte, sah mich dann erschrocken an und hüpfte zum Kühlschrank. „Was sage ich denn da? Manchmal sollten meine Lügen verboten werden."

Ein Lachen meinerseits ließ sie herum fahren, eine Packung Erdbeeren in der Hand.

„Pass auf", beschwor sie feierlich, als sie eine Erdbeere nahm und mit der süßen Haselnussmasse umschloss. „Das wird die ultimative Geschmacksexplosion."

Angewidert verzog ich den Mund, während sie mit der Frucht auf mich zu kam und sich wieder auf den Hocker neben mich fallen ließ.

„Das sieht maximal eklig aus."

„Du hast es noch nicht einmal probiert", empörte sie sich. „Lohnt es sich nicht , es wenigstens einmal zu versuchen?" schlug sie mich mit meinen eigenen Worten.

„Über Essen kann man mit dir nicht streiten oder?"

„Mach den Mund auf, Blondschopf", wie einen Helikopter vollführte sie eine kreisende Handbewegung vor meinen Lippen ehe sie kurz davor anhielt.

„Muss das wirklich sein?", versuchte ich an ihr Mitleid zu appellieren, doch sie blieb hartnäckig.

„Na los, zier dich nicht so"

Mit einem Seufzen kapitulierte ich und öffneten den Mund einen Spalt breit. Gleich darauf stopfte sie mir ungeschickt die Erdbeere zwischen die Lippen, sodass die Schokolade sich mehr am Kinn als im Mund befand.

Mit großen Augen beobachtete sie jede meiner Kaubewegungen und tippte ungeduldig mit ihrem Löffel auf die Arbeitsfläche.

Langsam drang die Süße der Frucht durch die Schokolade und ich musste zu meinem Leidwesen zugeben, dass es gar nicht so schlecht schmeckte wie ich anfangs gedacht hatte.

„Es schmeckt dir", rief Lucy freudig aus, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

„Man kann es essen ja."

„Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts, Mister."

Sie lächelte siegessicher vor sich hin und ich konnte nicht anders als es zu erwidern.

„Du hast dich übrigens eingesäut." Sie deutete auf mein Kinn.

„Ich? Das warst doch du!" sie grinste frech. „Magst du mir eine Serviette geben?"

„Wozu?"

Als wäre sie geistig gerade nicht auf der Höhe schaute ich sie verwirrt an. „Na, um mir die Schokolade wegzuwischen."

„Das kommt überhaupt nicht in Frage. Nicht ein Gramm davon wird unnötig verschwendet."

Damit beugte sie sich ein wenig nach vorne, strich mit dem Daumen über meine Haut, um die besagte Schokolade aufzunehmen. Sie wollte sie schon ablecken, da kam ich ihr zuvor.

„Dann gehört der Rest aber auch mir."

Schnell umschloss ich ihren Finger mit meinen und zog ihn kurzerhand in meinen Mund.

„Was...", protestierte sie, schnappte dann jedoch geräuschvoll nach Luft.

Bevor ich überhaupt realisierte, was ich gerade tat und mit wessen Finger, war es auch schon zu spät.

Peinlich berührt gab ich ihren Finger frei, der jetzt jegliche Spur von Schokolade verloren hatte.

Wow.

„Ich ... es tut mir leid, ich weiß ehrlich gesagt nicht, was in mich gefahren ist", stotterte ich eher meine Erklärung und wandte mich von ihr ab, doch nicht bevor ich ihre geröteten Wangen sah. Die Tatsache, dass ihr der Moment unangenehm war, machte es für mich nur noch schlimmer. Mein Gesicht fühlte sich wie voller Glühwürmchen an.

„Schon gut", Lucys Stimme wackelte gefährlich. Trotzdem wusste ich, dass sie es wie immer mit Humor nehmen würde. Zumindest hoffte ich es. „Nutella lässt eben alle Hemmungen fallen. Davor kannst nicht einmal du dich wehren."

Sie stupste mich mit dem Ellenbogen an, versuchte es mir dadurch angenehmer zu machen. Ich tat ihr den Gefallen und begegnete ihr mit einem kläglichen Lachen.

„Anscheinend nicht einmal ich."

Diese einfache Handlung hatte mich mehr als erregt und dieser Gedanke wollte sich einfach nicht aus meinem Kopf vertreiben lassen.

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