✿ Kapitel 7

Ich habe keine Ahnung, wie ich mich fühlen oder verhalten soll.

Sollte ich nicht eigentlich erleichtert sein, das ich mit West ›Schluss‹ gemacht habe? Es war doch das Richtige, oder? Jetzt im Nachhinein fällt mir erst auf, was für einen Schwachsinn er erzählt hat.

Ich habe ihm nur geglaubt, weil ich die Alternative nicht ertragen könnte. Jetzt bin ich aber trotzdem noch ahnungslos. Vielleicht hätte ich noch etwas länger mitspielen sollen, nur um ihm Informationen zu entlocken. Mit ziemlicher Sicherheit habe ich mir West jetzt zum Feind gemacht. Fehler, ein großer Fehler.

„Emery! Hörst du mir zu?" fragt mich Eliza, während sie mit ihrem Finger vor meinem Auge schnippt.

Ich komme gerade wieder in der Realität an und bemerke, das wir bald am vereinbarten Treffpunkt sind.

„Natürlich, ich habe mir nur gerade gedacht, wie sehr ich mich auf Kanu fahren freue."

Skeptisch sieht sie mich an und tippt mit ihrem Finger auf meinem Arm herum.

„Interessant."

Verstört mustere ich erst sie und dann Chase an ihrer Seite.

„Deine Freundin hat eine Schraube locker. Was hast du gestern noch mit ihr gemacht?"

Ein Grinsen breitet sich in seinem Gesicht aus. „Das erzähle ich dir jetzt mal nicht."

Eliza schubst ihn leicht zur Seite. „Klappe, du Arsch. Auf jeden Fall, haben Chase und ich uns gefragt, wieso du nicht mehr so sauer wirst, wenn wir dir zu nahe kommen. Waren wir ein so guter Einfluss auf dich, das wir dich — von was auch immer — geheilt haben? Ich wusste es, wir sind der Hammer!"

„Ja, ähm... ihr seid meine Freunde, deshalb lasse ich es bei euch zu. Fühlt euch geehrt, ihr seid die Einzigen, bei denen ich dass erlaube."

Und bei Hunter, denke ich mir.

„Heißt dass ich kann dich endlich umarmen, Em? Wie lange habe ich darauf gewartet." Triumphierend schließt er die Augen und legt sich stolz die Hand an das Herz.

„Vergiss es, ich umarme sie zuerst!" droht sie ihm mit zusammengekniffenen Augen.

Ich verdrehe lächelnd die Augen. „Gruppenumarmung."

Beide stoppen mit ihrer Diskussion und sehen mich dann nachdenklich an. Bevor ich mich hätte umentscheiden können, werfen sich beide in meine Arme, worauf ich überrumpelt meine Augen aufreiße und umständlich meine Arme um beide schlinge. Erleichtert atme ich aus und schließe die Augen.

Wie konnte ich jemals aufhören meine Freunde zu umarmen? Es sind seit Jahren meine besten Freunde, ich war dumm zu glauben, das ich bei ihnen irgendwie in Panik ausbrechen könnte. Kleine Schritte, ich gehe kleine Schritte. Ich werde wieder normal... irgendwann.

„Ich hab euch lieb, Leute. Ihr seid die besten Menschen, die es gibt." nuschele ich gedämpft in die Umarmung.

Sie lösen sich und Chase ergreift grinsend das Wort. „Natürlich sind wir das. Wir sind Chemiza."

Verwirrt sehe ich ihn an. „Chemiza?"

Verletzt erwidert er meinen Blick. „Chemiza! Hallo! Chase, Emery und Eliza."

Amüsiert betrachtet seine Freundin ihn. „Genau, Chase. Wie konnten wir darauf nur nicht kommen."

„Ihr seid blöd."

Gespielt beleidigt läuft er ohne uns weiter, was wir nur lachend beobachten.

Eliza hakt sich bei mir unter und wir laufen zu zweit die letzten Meter zu dem See von gestern, wo wir heute in Zweiergruppen fahren werden. Solange ich nicht mit West machen muss, ist mir jeder recht.

Beim Treffpunkt angekommen, stellen wir uns neben Chase, welcher immer noch versucht seine Miene aufrecht zu erhalten.

Während Eliza ihn neckend in die Seite pikst, sehe ich zu meinen Schuhen und denke mir, das ich vielleicht Flip-Flops hätte anziehen sollen, denn ich spüre jetzt schon wie mir Sand in den Schuh gekommen ist, welchen ich verärgert versuche irgendwie rauszubekommen.

Als ich einigermaßen zufrieden bin, atme ich erleichtert auf und sehe direkt in Hunter's amüsierte Augen. Peinlich, hat er mich beobachtet? Mit roten Wangen wende ich den Blick zu unserem Lehrer, welcher gerade mit dem zählen fertig geworden ist.

„Also, ist hier schon einmal jemand Kanu gefahren?" Hoffnungsvoll sieht er uns an, worauf einige nicken, eingeschlossen mich. „Naja, immerhin ein paar. Gut, die wo schon Erfahrung haben, können sich einen Partner suchen und schon der anderen Lehrkraft ins Wasser folgen. Die anderen bleiben bei mir."

Unschlüssig blicke ich mich um und könnte mir gegen den Kopf schlagen, weil ich nicht daran gedacht habe, das Eliza und Chase noch nie gefahren sind. Obwohl dass wäre auch egal gewesen, denn die beiden wären sowieso in ein Kanu zusammen gegangen.

Unsicher sehe ich zu der kleinen Gruppe, die sich am Wasser gesammelt hat und stelle unglücklicherweise fest, das West auch dabei steht.

Okay, ich muss jetzt einfach schnell zu jemanden gehen und ihn fragen, bevor ich von West in die Fänge genommen werde. In zügigen Schritten laufe ich auf ein Mädchen zu, doch einen Meter vor ihr, werde ich zu jemanden gezogen, wo ich gar nicht lange nachdenken muss, wer es ist. Unauffällig will ich mich mit zusammengebissenen Zähnen von ihm losreißen.

„Was willst du?" frage ich genervt und mache einen Schritt nach hinten.

„Mit dir Kanu fahren. Wir sind doch jetzt Freunde." Das letzte Wort betont er besonders mit einem falschen Lächeln.

Ich räuspere mich und mache nervöse Handbewegungen. „Ja, nein. Ich, ähm... also... weißt du—"

Er unterbricht mich und legt eine Hand an meine Stirn, was mich stocken lässt.

„Alles gut? Sollen wir wieder zurückgehen?"

Wir machen gar nichts, du Arschloch.

„Nein! Also... nein. Mir geht es fantastisch. Du aber, ich bin schon in einem Kanu mit..." Verflucht, wie heißt sie?

„Mit mir." sagt jemand, der sich plötzlich neben mich stellt.

Was?" rufen West und Francesca gleichzeitig aufgebracht.

Unsicher sehe ich Hunter an, welcher nur mit den Schultern zuckt. „Unsere Eltern haben gesagt, wir sollen uns wieder anfreunden, sonst werden wir Konsequenzen bekommen. Aber eigentlich bin ich euch auch keine Rechenschaft schuldig. Bis dann, Leute."

Hunter greift mein Handgelenk und zieht mich zu einem Kanu, in das wir uns beide stumm niederlassen und er das Ruder übernimmt.

Für ein paar Minuten ist nur Stille und ich beobachte, wie die Bäume und Gewächse an uns vorbeiziehen. Womöglich betrachte ich auch, wie sich Hunter's Arme beim paddeln anspannen und sein Gesicht, dass in der Sonne golden glänzt.

Er sieht so wahnsinnig gut aus und ich kann mich noch genau daran erinnern, wie weich seine Haare sind. Moment, schwärme ich gerade über ihn? Verflucht.

„Ist der Sand aus deinen Schuhen?" fragt er belustigt und sieht beiläufig auf meine Schuhe.

Mit rotem Kopf antworte ich „Ja."

„Kein »Oh danke, Hunter. Danke, das du mich wieder aus der Klemme geholt hast«?" Er hebt eine Augenbraue.

Ich verschränke meine Arme und hebe das Kinn. „Du hättest es ja nicht machen müssen. Außerdem wollte ich sowieso in ein Kanu mit... Quinn."

Er presst die Lippen zusammen, um nicht loszulachen. „Achso, stimmt. Und mit Quinn meinst du eigentlich Emily?"

„Ist mir doch egal, wie die heißt. Du musst sie ja alle bestens kennen, wenn du mit ihnen allen schon im Bett warst." meine ich provozierend und ignoriere das Stechen in meinem Herzen.

Charmant lächelt er mich an und fragt „Ist da etwa wer eifersüchtig? Kann ich leider nichts dafür, wenn du deine Jungfräulichkeit an meinem besten Freund verschwendet hast."

Aufgebracht sehe ich ihn an. „Wer sagt denn, das ich sie verschwendet habe oder mit dir schlafen wollte?"

„Ich habe nie gesagt, das du mit mir schlafen wolltest, aber schön, das du es in Betracht siehst." lacht er belustigt.

„Vergiss es. Dein Sexleben geht mich nichts an. Aber es ist echt total schön zu sehen, das du Franziska so sehr liebst und dir eine Zukunft mit ihr vorstellen kannst. Ich freue mich echt für dich, Hunter." teile ich ihm ironisch mit, was er anscheinend nicht versteht.

Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. „Danke. Und ja, ich liebe sie, sonst wäre ich wohl kaum mit ihr zusammen."

Ich nicke knapp. „Schön."

„Und wieso willst du jetzt nichts mehr von West? Er hat sich gestern noch richtig bei mir ausgekotzt wegen dir." berichtet er ernst.

„Aha. Mir egal. Das geht dich nichts an, denn wir sind keine Freunde."

Ich wende den Blick nach rechts und beobachte die leider nicht ganz so schöne Aussicht, wie die davor.

„Du hast mir gestern meine Frage nicht beantwortet." fängt er schließlich wieder an.

Zum Glück. Ich dachte doch wirklich, das ich mir noch Hoffnungen bei ihm machen könnte. Stop... was?

„Ich weiß."

„Also?" fragt er so uninteressiert, wie es nur geht.

„Was interessiert es dich eigentlich so sehr? Frag doch West." entgegne ich schulterzuckend.

Böse sieht er mich an. „Ich will es aber von dir hören."

Überrascht blicke ich ihn an. „I-ich weiß nicht."

Seine Augen verdüstern sich. „Was soll das heißen? Hast du oder nicht?"

Das wüsste ich auch gerne, aber dass muss ich irgendwie noch herausfinden, auch wenn West es geleugnet hat.

„Vielleicht."

Angespannt nickt er. „Ah."

Verwirrt ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. „Was bist du denn jetzt so? Du schläfst mit Franziska doch bestimmt auch jeden Tag."

„Ja, weil sie meine Freundin ist und ich ernste Absichten mit ihr habe. Aber du und West..." Den Satz lässt er offen stehen.

„Weißt du was? Lassen wir das Thema. Ich will es nicht hören, weil ich sowieso schon weiß, wie du von mir denkst. Außerdem kann es dir egal sein oder hast du schon vergessen, was für ein Miststück ich bin?" Sauer sehe ich ihn an.

„Ich... ach scheiße verdammt." flucht er und lässt das Ruder los.

Verdutzt mustere ich ihn. „Was zum Teufel machst du?"

„Du kotzt mich so an. Ich hasse dich, beleidige dich und behandele dich wie den letzten Dreck und trotzdem bist du noch nett zu mir, nach allem was passiert ist. Kannst du mich nicht einfach hassen? Mich schlagen oder anschreien? Irgendwas!" Gestresst fährt er sich durch die Haare.

Sprachlos betrachte ich ihn. „I-ich will dich doch auch hassen, aber es geht nicht. Du warst mein ganzes Leben an meiner Seite und bist immer die wichtigste Person in dessen gewesen. Aber Hunter... wirklich hassen konnte ich dich nie. Du wirst mir immer wichtig sein, egal wie du von mir denkst."

„Das ist ein großer Fehler. Das darf so nicht sein." erklärt er mir seufzend.

„Wieso denn nicht? Warum, Hunter? I-ich vermisse dich." Traurig wische ich mir über die Augen.

„Wir können keine Freunde sein, denn du bist mir egal." keift er angespannt und sieht in das Wasser.

„Wie du willst." Ich ziehe mir mein Kleid über den Kopf und die Schuhe gleich dazu.

Er schluckt und fragt „Was machst du da?"

„Wir werden ja sehen, wie egal ich dir bin. Ich hoffe du weißt noch, das ich nicht schwimmen kann." erinnere ich ihn wieder.

Schulterzuckend nickt er. „Und?"

Ich stehe auf und ohne groß darüber nachzudenken, springe ich in das Wasser. Die angehaltene Luft ist schnell aus und ich kneife angespannt meine Augen zusammen. Okay, vielleicht nicht die beste Idee.

Ich schlucke ungewollt Wasser und hoffe doch innerlich, das er nicht so herzlos ist und mich hier ertrinken lässt. Ich kriege keine Luft. Gott, was dachte ich mir nur? Mein Strampeln wird langsamer und meine Sicht verschwommen.

Über mir springt Hunter in das Wasser und sucht hektisch nach mir. Als er mich findet, schwimmt er schnell auf mich zu und zieht mich an die Oberfläche. Schlaf hänge ich in seinen Armen, während er mich aus den See trägt und im Gras ablässt.

Fluchend versucht er mich wiederzubeleben und hält mir dann die Nase zu, während er mir seinen Mund auf meinen drückt und mir Luft gibt.

Nach ein paar Versuchen klappt es und ich spucke angewidert das Wasser aus, nur um dann in Hunter's fassungsloses Gesicht zu sehen.

Die Tatsache, das er mich indirekt geküsst hat ignoriere ich... nicht.

„Bist du komplett bescheuert? Geht's dir gut? Was ist nur los mit dir!" Er rüttelt mich an den Schultern und blickt mich besorgt an.

„Du bist mir hinterher gesprungen." stelle ich fest und sehe dann, das er nur noch seine Boxershorts anhat.

„Ach was, du Idiotin. Hätte ich dich absaufen lassen sollen, oder was?" Kopfschüttelnd sieht er mich an.

„Naja, wenn du mich hassen würdest, hättest du das machen können. Aber hast du nicht, also magst du mich noch." erwidere ich grinsend.

Er schließt die Augen und sagt „Natürlich, tue ich das."

Mein Grinsen wird breiter. „Na also, wieso tust du dann so, als ob du mich hasst? Und mich nennst du eine Idiotin."

„Weil... ist doch egal. Wie kannst du überhaupt jetzt noch so dumm lächeln? Du hättest sterben können." keift er mich wütend an.

Ich zucke mit den Schultern. „Ich wusste, das du mich holen würdest."

Plötzlich bemerke ich auch, wie nah wir uns eigentlich sind. Sein Gesicht ist nur ein paar Zentimeter von meinem entfernt und seine Hände sind links und rechts neben meinem Kopf abgestellt.

Ich spüre seinen warmen Atem auf meiner unterkühlten Haut und blicke in sein wunderschönes Gesicht, welches mich skeptisch ansieht.

Wie sehr ich ihn doch vermisse, auch wenn es nur als Freund wäre. Ich brauche ihn in meinem Leben. Ein Leben ohne ihn, ist wie ein Auto ohne Treibstoff - es funktioniert nicht. Das Jahr ohne ihn war schon schrecklich, aber für immer? Unvorstellbar.

„Emery, ich weiß nicht ganz, was du damit bezwe—" fängt er an, aber ich stoppe ihn, indem ich mich aufrichte und meine Arme um ihn schlinge.

Erst bleibt er wie erstarrt sitzen, legt dann aber zögernd seine Arme um meinen Rücken und vergräbt seufzend seinen Kopf an meiner Halsbeuge. Ich schmiege mich erleichtert an seine Schulter und genieße, wie mein Körper immer wärmer wird.

„Hunter?" wispere ich und spüre, wie er eine Gänsehaut bekommt.

„Ja?" flüstert er leise.

„Bitte lass uns wieder Freunde sein. Ich brauche dich, du warst schon immer alles was ich gebraucht habe. Versuchen wir es doch nochmal, ich bemühe mich auch, kein Miststück zu sein." versuche ich witzig an die Sache heranzugehen.

„Du bist kein Miststück, Emi." teilt er mir mit.

Bei meinem Spitznamen muss ich lächeln. „Du bist auch kein Arschloch, nur manchmal."

Er löst sich lachend und haut mir auf die Schulter. „Sehr nett, danke."

Ich halte ihm meinen kleinen Finger hin. „Freunde?"

Nachdenklich sieht er mich an, hakt sich dann aber ein. „Freunde."

Glücklich lächele ich ihn breit an. „Das gibt mir ein Déjà vu, als wir vor Jahren auch Kanu fahren waren und du mir versprochen hast, das du aufpasst, das wir nicht untergehen."

Wissend grinst er. „Wir sind ja auch nicht untergegangen, nur du."

Ich verdrehe die Augen und kann gar nicht mehr aufhören zu strahlen. Das es einen Sprung in das Wasser und tausende von Streitereien gebraucht hat, das wir endlich wieder Freunde werden, dachte ich nicht, aber immerhin sind wir jetzt wieder vereint.

Es wird nicht wieder wie davor und ich weiß, das er mir noch einige Fragen stellen wird, genau wie ich ihm, aber das kriegen wir hin.

Mit der letzten Behauptung hätte ich vorsichtiger sein müssen, denn ab heute wird das Drama erst richtig beginnen, welches niemand von uns beiden hätte erahnen können.
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Hello Friends! Ich wünsche euch einen tollen Tag und hoffe das es euch gut geht!🌝💗

Em und Hunter sind wieder Freunde... irgendwie. Was denkt ihr wie lange, die zwei aushalten ohne zu streiten? Was machen sie wohl als Nächstes?😂😏💘

Hab euch lieb. Wenn ihr gerade darüber nachdenkt, was ihr machen wollt - was auch immer es ist - und ihr es wirklich wollt, aber nur Angst habt es zu tun, macht es. Die Angst ist nur vorübergehend, aber bereuen werdet ihr es für immer. Macht es, ihr könnt es. Ich glaube an euch🙏🏼❣️

Bis im nächsten Kapitel,
Adios, Friends!❤️

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