✿ Kapitel 5
Wie Hunter es versprochen hat, hat er mich natürlich nicht abgeholt, weshalb ich laufen musste. Weil ich dann auch noch verschlafen habe — was mir eigentlich recht gelegen kam — habe ich dass gleich als Ausrede benutzt, damit ich mich nicht von meinen Eltern verabschieden muss.
Seit dem einen Abendessen ist die Stimmung angespannt und ich meide sie, weil ich Angst vor ihnen habe. Wie traurig mein Leben doch ist, das ich vor meinen eigenen Eltern Angst haben muss.
Da ich natürlich nicht schon genug Stress habe, stehe ich wortwörtlich schon vor dem nächsten Dilemma. Der einzige freie Platz im Bus ist direkt eine Reihe vor meinen Freunden. Schön und gut, wenn es nicht West wäre, der mich grinsend ansieht.
Wer von den Dreien dass eingefädelt hat, will ich gar nicht wissen. Ich hätte mir mein Bein brechen sollen, dann wäre ich jetzt nicht in dieser Situation.
„Ich habe dir noch einen Platz gesichert, Süße." Zwinkernd deutet er neben sich, was mich schlucken lässt.
Ich sehe unruhig zu Chase. „Willst du nicht neben West? Ihr müsst bestimmt über Footballkram reden, oder?"
Dieser legt aber nur einen Arm um Eliza, die schmunzelnd die Augen verdreht. „Setz dich ruhig neben deinen Schatz, ich bin hier bestens versorgt."
West lacht auf und klopft neben sich. „Genau, Em. Setz dich neben deinen Schatz."
Gerade als ich umdrehen will, stellt sich mir unser Klassenlehrer in den Weg. „Emery, wo willst du denn hin? Wir fahren jetzt."
Flehend blick ich ihn an. „Ä-ähm... ich habe meine Zahnbürste vergessen. Ich komme einfach nach, fahrt ohne mich los."
Abwinkend deutet er auf meinen Platz. „Ich bin mir sicher, das dir jemand eine Frische leihen kann. Setz dich."
Verkrampft lächele ich ihn an und lasse meine aufgestaute Wut in meine geballten Fäuste fließen. Langsam drehe ich mich und sehe West's charmantes Lächeln.
Drei Stunden Busfahrt.
Neben diesem Psycho.
Ich muss ruhig bleiben, ganz ruhig.
Wenn ich versuche mich selbst davon zu überzeugen, das alles gut ist, vielleicht wird es dann auch. Mit so viel Abstand wie es geht, setze ich mich an das Fenster und will gerade meine Kopfhörer in die Ohren packen, als ich seine Stimme nah an mir höre.
„Entspann dich, Em. Ich tue dir nichts, wann habe ich dir jemals etwas angetan? Ich bin kein schlechter Mensch, du hast letztes Jahr an der Party etwas völlig falsch in den Hals bekommen. Wir waren so eng befreundet, es wäre doch schade, wenn wir das wegen eines Missverständnisses wegwerfen würden, oder?" Offen sieht er mich an, was mich stutzen lässt.
Ehrlich gesagt, kann ich mich nur noch vage an die Party erinnern. Ich hatte viel getrunken, sehr viel. Vielleicht war ja alles was passiert ist meine Schuld und er hat recht. Es kann sein, das ich mir etwas zusammengereimt habe... oder?
Als er merkt, das ich nichts sage, redet er weiter. „Ich weiß nicht, an was du dich erinnerst, ich war auch ziemlich dicht, aber ich verspreche dir, das nichts schlimmes vorgefallen ist. Du hast denke ich nur etwas fantasiert und eine logische Lösung gesucht und jemanden als Schuldigen. Es ist mir egal, das du mich beschuldigst, doch dass was du gesehen hast, war nicht das was du denkst."
„Und warum drohst du mir dann immer wieder, mit irgendwelchen Konsequenzen, von denen ich eigentlich keinen Schimmer habe, was sie sind?" wispere ich mit schimmernden Augen.
Sanft lächelt er mich an und wischt mir über die Wange. „Ich wollte dir zeigen, das ich etwas gegen dich in der Hand habe, wenn davon jemand erfährt. Du kannst mir das nicht vorwerfen, irgendwie muss ich meine Haut retten, wenn du zur Polizei rennen solltest und ich wegen etwas angeklagt werde, dass ich mit Sicherheit nicht gemacht habe. Du sollst aber wissen, ich habe nichts um dich zu erpressen. Weißt du warum ich dir das sage? Weil ich will, das du mir glaubst und du mir vertrauen kannst."
Nachdenklich sehe ich ihn an. „A-aber es sah alles s-so eindeutig aus, West. Da war so viel Blut und zertrümmerte Sachen. Wenn jemand reingekommen wäre, hätte man mich wahrscheinlich als Mörderin abgestempelt."
Beruhigend streicht er mir über die Hände. „Deshalb habe ich mich darum gekümmert, weißt du nicht mehr? Ich habe alle Spuren beseitigt... für dich. Ich hätte doch niemals zugelassen, das dir ein Verbrechen zugeschrieben wird, das du nicht getan hast."
Ich kann mich nicht erinnern. Sagt er die Wahrheit? Es klingt logisch. Doch woher kam das ganze Blut und die kaputten Sachen. Wäre es möglich, das ich jemanden etwas angetan habe? Wenn ja, müsste ich mich bei ihm bedanken, das er mir geholfen hat. Aber um Gottes Willen, was wenn ich wirklich jemanden verletzt habe? Jemanden getötet. Bin ich wirklich eine Mörderin? Was ist in jener Nacht geschehen? Hat er mich wirklich vor etwas schlimmen bewahrt? Aber was hat er getan?
„Hey, nicht weinen. Es ist alles gut. Keiner kann dir oder mir etwas nachweisen, wenn es denn überhaupt jemand mitbekommen hat." Er zieht mich an seine Brust, was ich nur vage mitbekomme. „Ich werde darüber schweigen und du solltest das auch tun, sonst kommen wir womöglich beide ins Gefängnis. Mach dir keine Gedanken, es wird nie jemand erfahren."
Ich sehe stumm den Sitz vor mir an und könnte schwören, das ich in eine Schockstarre verfallen bin. Wieso hat er mir nicht eher davon erzählt? Oder hat er meine Beschuldigungen auf sich genommen, weil er uns beide dadurch schützt? Aber es macht Sinn. Ich werde auf sein Wort vertrauen... vorläufig.
***
Als wir am Sea Sight River angekommen sind, ist es bereits Abend und wir schlagen alle unsere Zelte auf. West war so freundlich und hat mir meins aufgebaut, was ich ihm verunsichert gedankt habe. Ich bin immer noch skeptisch, aber wenn dass stimmt, was er gesagt hat, dann habe ich ihn umsonst beschuldigt.
Jetzt verstehe ich auch, wieso er mich in der Öffentlichkeit immer küssen will und er so tut, als ob wir ein Paar wären - er will die Tatsachen verdrehen. Wenn alle denken, wir hätten etwas gehabt, würde keiner Fragen zu dem stellen, was eigentlich passiert ist... was denn auch immer passiert ist. Schlau, sehr schlau. Und ich habe immer versucht alles zu ruinieren. Verflixt.
Beim späten Abendessen — bei dem ich natürlich nichts esse — sitzen wir alle am Lagerfeuer und reden miteinander. Hunter hat mich die ganze Zeit ignoriert und ist sowieso viel zu beschäftigt Francesca abzulecken, als nur einen Blick an mich zu verschwenden. West neben mir unterhält sich gerade mit einem Kumpel aus seiner Mannschaft, bis ich unsicher meine Hand auf seine lege, was ihn überrascht umdrehen lässt.
„I-ich... ich wollte mich entschuldigen. Für all das blöde was ich zu dir gesagt und dich beschuldigt habe. Du wolltest uns nur beschützen. Danke, West." Meine Mundwinkel heben sich zögerlich, was er erwidert.
„Mir tut leid, das ich oft so grob zu dir war, aber ich hoffe du verstehst warum. Ich musste dir irgendwie begreiflich machen, das du sonst alles zerstörst. Es tut mir wirklich leid, Em." Schuldig sieht er auf seine Hände.
„Du brauchst dich nicht entschuldigen. Ich verstehe es schon. Gott, ich bin so verwirrt, aber auch erleichtert." lache ich leicht auf.
„Ich hätte es dir eher sagen müssen, aber jetzt weißt du es ja. Hab keine Schuldgefühle, keiner wird davon je erfahren, was auch immer du getan hast. Und nur das du es weißt, ich habe nie mit dir geschlafen. Das wäre sehr... komisch. Du bist zwar sehr hübsch und so, aber du bist eher meine kleine Schwester. Wenn der Preis um dich zu beschützen ist, das alle denken, wir hätten was, dann mache ich das, solange du sicher bist." meint er ernst.
Dankend drücke ich seine Hand und wollte etwas sagen, bis Chase etwas in die Runde brüllt. „Okay, wer hat Lust auf eine Runde »Ich habe noch nie...«? Mir ist langweilig, also wer ist dabei?"
Zum Glück sind die Aufsichtslehrer etwas abseits und sehen nicht, wie heimlich die Bierbecher herumgereicht werden. Ich lehne freundlich ab und bleibe bei meiner Cola. Eliza bekommt neben mir meinen Becher welchen sie in einem Zug austrinkt, bevor das Spiel überhaupt anfängt.
„Ich fange an. Ich habe noch nie, einen Filmriss gehabt und wusste nichts mehr am nächsten Tag." sagt Chase grinsend, worauf er trinkt.
Eliza trinkt, genau wie Hunter und Francesca. Ironisch lächele ich West an und stoße mit ihm an und trinke. Ich will gar nicht wissen, was in der Nacht passiert ist. Der Gedanke, das ich jemanden verletzt oder getötet habe, lässt mich erschaudern.
West spürt mein Unwohlsein und legt einen Arm um meine Schultern, worauf ich mich an ihn schmiege. Mein Blick wandert durch die Runde und bleibt bei Hunter hängen, welcher seinen Becher zusammendrückt und mich wutentbrannt ansieht. Sofort wende ich den Blick ab.
Francesca presst sich an Hunter und erzählt „Ich habe noch nie einen One Night Stand auf einer Party gehabt."
So eine falsche Schlange. Wissend sieht sie mich an und kichert böse. West boxt mir unauffällig in die Seite, worauf ich seufzend trinke. Was man nicht alles für die Sicherheit tut.
Ich frage mich, ob jemand außer West mitbekommen hat, was ich getan habe... oder nicht getan habe.
Sobald ich den Becher abgesetzt habe und sehe, das auch Hunter und Francesca getrunken haben, muss ich mich kontrollieren um nicht die Hand zur Faust zu ballen.
Früher war er nie so. Hat kaum getrunken, sich immer auf die Schule konzentriert und eine Beziehung nach hinten geschoben. Er hat mich sogar gewarnt und gemeint, ich solle nie so eine Bitch werden, wie viele auf unserer Schule. Dabei ist er jetzt selbst mit einer zusammen.
„Ich war noch nie verliebt." wirft Eliza schulterzuckend in die Runde und trinkt mit roten Wangen, was Chase natürlich nicht entgeht, worauf er ebenfalls trinkt.
Mein Blick wandert wieder zu Hunter und ich trinke. Alle werden jetzt denken, das ich West meine, weil er natürlich auch trinkt, aber ich meinte nicht ihn, sondern Hunter.
Er erwidert meinen Blick nicht, trinkt aber trotzdem, was Francesca natürlich besonders freut. Wieso kann ich das nicht glauben, das er in sie verliebt ist? Aber was geht es mich an, ich bin ja bloß die Ex-Beste-Freundin.
Ich beuge mich zu Eliza und flüstere ihr zu „Ich gehe schonmal ins Bett. Hab noch viel Spaß mit Chase, in den du überhaupt nicht verliebt bist."
Sie haut mir auf den Arm, was ich nicht kommentiere, was sie wiederum überrascht blinzeln lässt. „Äh, ja. Schlaf gut. Außerdem bin ich nicht in Chase verliebt!"
Ich nicke grinsend und beuge mich dann zu West. „Ich gehe schon schlafen. Danke nochmal für alles. Wir sehen uns morgen."
„Soll ich dich noch begleiten?" fragt er und wollte schon aufstehen, worauf ich ihn hindere.
„Nein, ist schon gut. Bis morgen, West." Zögernd gebe ich ihm einen Kuss auf die Wange und werde rot.
Zum Glück weiß ich, das dass nur freundschaftlich ist und er auch, aber was die anderen denken, kann ich mir zu gut denken.
Lächelnd erhebe ich mich und fühle mich nach der Aufklärung irgendwie befreiter, als ich in die Dunkelheit schnell in mein Zelt laufe. Ich hasse die Dunkelheit, ich komme mir da immer so klein und ungeschützt vor.
Da ich mein Handy im Zelt gelassen habe, kann ich kaum etwas sehen, worauf ich fluchend den Verschluss zu meinem Zelt suche, bis ich neben mir Schritte höre.
Panisch weiche ich ein paar Zentimeter zurück. „Hallo? Wer ist da? Hallo!"
Neben mir entfährt es jemanden ein genervtes Seufzen. „Kannst du mal aufhören so zu schreien?"
Hunter, super.
„Kannst du aufhören, dich so anzuschleichen! Du weißt genau, wie sehr ich Angst in der Dunkelheit habe."
„Dann hätte dich wohl dein Freund begleiten sollen, oder ist er dein fester Freund? Ich komme nicht ganz mit. Oder benutzt du ihn nur zum ficken?" fragt er herausfordernd.
„Hör auf so von ihm zu reden, er ist dein bester Freund." zische ich ihn an.
„Ach? Jetzt verteidigst du ihn, mal etwas ganz neues. Also wieder alles perfekt im Paradies?"
Ich kann ihn nicht richtig erkennen, kann mir aber sein selbstgefälliges Grinsen nur zu gut vorstellen.
„Das geht dich ja wohl einen Scheißdreck an. Was machst du überhaupt hier? Stalkst du mich?" Ich verschränke die Arme und sehe ihn auffordernd an.
Ein gehässiges Lachen entfährt ihm. „Das hättest du wohl gerne. Ich bin hier um schlafen zu gehen."
„Musstest du dein Zelt direkt neben meins stellen? Ich will das Stöhnen von dir und Franziska nicht hören." Ihren Namen betone ich extra falsch.
„Erstens, sie heißt Francesca. Zweitens, hast du nicht zu entscheiden, wo ich meinen Schlafplatz habe. Außerdem muss ich dein und West's Gestöhne wohl auch ertragen." keift er mich an.
Der Idiot weiß anscheinend nicht, das ich alleine in dem Zelt schlafe.
„Leck mich, Hunter!" erwidere ich aufgebracht.
„Nein, danke. Ich bin bestens versorgt." entgegnet er ebenfalls sauer.
„Arschloch."
„Miststück."
Kurz bleibt es ruhig, bis wir uns beide in unser Zelt begeben und ich mich hinlege und die Augen schließe um mich zu beruhigen. Wie kann es sein, das er mich so auf die Palme bringen kann? Wieso, um Gottes Willen, kümmert er mich überhaupt? Ich sollte einfach mit ihm abschließen, so wie er es schon ewig mit mir gemacht hat. Wenn es doch nur so einfach wäre.
Darüber mache ich mir ein anderes Mal Gedanken, heute ist sowieso schon zu viel passiert. Endlich kenne ich die Wahrheit, zumindest an das was West und ich mich erinnern. Trotzdem juckt es mich in den Fingern, zu wissen, was passiert ist in jener Nacht.
Mit meinen Wünschen hätte ich vorsichtiger sein müssen, denn in nicht allzu ferner Zeit, werde ich die Wahrheit wissen und würde mir wünschen, es nie erfahren zu haben.
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Hello Friends! Ich hoffe ihr habt einen schönen Tag und euch geht es allen fantastisch!🌸💗
Was sagt ihr zu West's Geständnis? Oder zu dem was Emery gemacht hat? Was denkt ihr ist in der Nacht geschehen?👀💕
Hab euch lieb. Denkt daran, das jeden Tag kleine Schritte zu machen, auch irgendwann zum Ziel führt. Lasst euch Zeit und stresst euch nicht, ihr habt euer ganzes Leben noch vor euch❣️
Bis im nächsten Kapitel,
Adios, Friends!❤️
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