✿ Kapitel 48
„... und ich weiß, das ich früher hätte kommen sollen, aber ich konnte nicht." beende ich meine Aussage und sehe Derry an.
Ich habe extra um ihn gebeten. Auch wenn wir uns nur flüchtig kennen, ist er mir in Erinnerung geblieben, genau wie ich bei ihm. Und man merkt, das die Geschichte ihm nahe geht. Vielleicht habe ich bei ihm mehr Chancen das etwas unternommen wird, da wir so etwas wie eine emotionale Bindung haben.
Möglicherweise erkennt er immer noch das kleine Mädchen von früher in mir und hat Mitleid. Und wenn es Mitleid kostet, damit mir jemand hilft, dann bitte.
Ich will einfach nur das mir jemand glaubt und für Gerechtigkeit sorgt.
„Das ist..." Er fährt sich über die Augen. „Es wird schwierig den Dreckskerl festzunehmen, wenn wir keine Beweise haben. Keine Augenzeugen. Keine Kameras. Wir können uns nur auf dein Wort verlassen und das ist nich gerade ausreichend."
Ich hole mein Handy heraus und sage „Ich hätte da etwas."
Neugierig betrachtet er mich, während ich die Aussage von Hunter und dann das Sextape abspiele. Mir ist das mehr als unangenehm, aber was bleibt mir übrig?
Das einzige Ziel dass ich vor Augen habe, ist West im Knast zu besuchen und ihn diesmal grinsend anzusehen.
Derry verzieht keine Miene während er das Beweismaterial ansieht, aber ich merke, das er West am liebsten erwürgen würde.
„Die Aufnahmen sind sehr gut. Zwar sieht man ihn kaum auf dem Video, doch mit der Aussage, die dein Freund gemacht hat, könnten wir eine Chance haben." Er deutet auf mein Handy. „Kann ich das kurz mitnehmen und auf unseren Rechner ziehen? Wir müssen das untersuchen."
Ich schiebe es ihm hin. „Sicher. Denkst du ich habe eine Chance, das ich das hier gewinne?"
An der Tür hält er inne. „Ich werde alles tun, damit dieser Mistkerl von mir persönlich abgeführt wird. Es wird schwierig werden, doch ich werde so lange daran arbeiten, bis ich ihn abführen kann. Es wäre zwar besser gewesen, wenn du schon damals hergekommen wärst, aber ich bekomme das hin."
Ich lächele dankbar. „Danke, Derry."
Er erwidert es. „Kein Problem. Ich komme gleich wieder."
Sobald er das Zimmer verlässt, lehne ich mich in den Stuhl zurück und atme aus. Es war komisch das alles zu erzählen, obwohl es schon lange her ist. Aber es wird immer komisch sein.
Ich bin optimistisch, das die Beweise reichen. West hat offen zugegeben, das er mich vergewaltigt hat und mit den Programmen der Polizei, kann man aus dem Video vielleicht mehr machen als gedacht.
Es wird klappen.
Ich werde nicht mehr schweigen, das habe ich viel zu lange. Jeder soll meine Geschichte wissen. Vielleicht kann ich für manche ein Vorbild sein, die noch nicht den Mut gefunden haben, dies zu tun. Wenn ich nicht darüber gesprochen hätte, hätte es mich aufgefressen und zu schlimmen Sachen geführt, die ich definitiv bereut hätte.
Ich habe gelitten, ja, doch ich bin auch stärker geworden. Es braucht eine Menge Willenskraft aus diesem dunklen Loch wieder hervorzukommen, doch ich habe es geschafft.
Wie Tory gesagt hat, es wird harte Tage geben, aber diese werde ich nicht gewinnen lassen. Ich bin stärker als das.
Ich habe es akzeptiert und verarbeitet. Es war ein möglicherweise prägender Teil meines Lebens der jetzt abgeschlossen ist. Und ich kann es kaum erwarten einen Neustart zu machen... mit Hunter. Wenn das geregelt ist, kann ich ausatmen. Dann bin ich wunschlos glücklich.
Die Tür öffnet sich und Derry kommt wieder herein, bleibt aber an der Tür stehen.
„Die Beweise werden jetzt gründlich untersucht, genau wie deine Aussage. Ich kann dir nicht versprechen, das morgen schon ein Wunder geschieht, aber es ist nicht aussichtslos." verspricht er mir.
Ich stehe auf und bleibe vor ihm stehen. „Ich möchte nur Gerechtigkeit schaffen. Wer weiß, ob ich sein einziges Opfer war oder erst das erste. Solchen Menschen gehört nichts anderes als der Knast."
Er brummt zustimmend. „Ganz deiner Meinung."
„Ich stehe für Fragen oder sonstiges zur Verfügung." Warm lächele ich. „Ansonsten bedanke ich mich, das ihr diese Sache für mich übernehmt."
Derry tätschelt meine Schulter. „Wir danken dir, das du hergekommen bist. Der Typ landet in der Zelle, ich verspreche es dir. Geduldige dich nur noch ein bisschen."
Ich nicke. „Werde ich. Ich gehe dann mal, ich habe noch eine Sache zu erledigen."
„Ach, Emery." sagt er plötzlich, was mich inne halten lässt. „Der andere Junge auf der Aufnahme, war das der den du hier mal abgeholt hast?"
Grimmig verziehe ich den Mund. „Ja."
„Geht es ihm gut? Nimmt er noch Drogen? Ein Drogenabhängiger kommt nicht so leicht von dem Zeug weg." teilt er mir besorgt mit.
„Er ist nicht drog—" Ich breche ab und stocke.
Er ist nicht drogenabhängig. Oder? Er hat es nur manchmal wenn es schwierig wurde genommen. Und außerdem hat er aufgehört.
Oh Gott, oder?
Ich bin davon ausgegangen, das er meiner Bitte nachgeht, weil ich seiner gefolgt habe. Aber ich war nicht abhängig von meinen Tabletten. Ich habe es nur gemacht, da ich dachte, das ich es tun muss. Denkt Hunter etwa er muss Drogen nehmen um zu leben?
Ein Bild kommt mir in den Sinn, was mich noch mehr stocken lässt. Manchmal hat er rote Augen gehabt, war erschöpft und hat sein Temperament verloren. Ich dachte das lag daran, da er gestresst ist oder wegen uns in letzter Zeit so traurig war.
Doch was ist, wenn er es immer versucht hat wegzulassen und es nicht geklappt hat? Was ist wenn die Abhängigkeit stärker war als er? Stand er die ganze Zeit unter Drogen?
Scheiße.
Meine Kehle schnürt sich zu, als ich an die Nachricht von vorhin denke.
Fuck.
Fuck.
Fuck.
Es war kein Abschied an uns beide. Es war ein Abschied an mich.
Für immer.
Er hat sich von dieser Welt verabschiedet.
Und dann wird es mir klar.
Hunter kann nicht mehr. Er will sich umbringen, mit der Sache die ihn umbringt. Drogen. Er will sich einer Überdosis unterziehen und ich habe mit unserer Trennung noch den Todesstoß gegeben.
Ich muss hier sofort weg.
„Alles gut? Du bist ganz blass geworden." fragt Derry besorgt.
Ich schlucke und sage schnell „Ja. Danke. Ich muss jetzt dringend gehen. Bis bald."
Und dann renne ich.
So schnell ich kann.
In meiner Lunge ist keine Luft mehr, aber ich renne weiter. Ich habe nur ein Ziel vor Augen und das ist Hunter vor einem gewaltigen Fehler zu bewahren.
Bitte Gott, lass es noch nicht zu spät sein.
Wann hat er die Nachricht geschickt? Vor zwei Stunden? Verflucht. Wie schnell wirkt sowas?
Ein Schluchzer entfährt mir und ich renne noch schneller, bis ich vor Hunter's Haus angekommen bin und klingele. Hunter's Vater öffnet die Tür und blickt mich prüfend an.
„Wie kann ich dir helfen?" fragt er gezwungen höflich.
Ich ignoriere ihn und stürme die Treppen nach oben.
Ich hätte es wissen müssen.
Ich hätte es erkennen müssen.
Er war jeden Tag bei mir, wieso zum Teufel habe ich es nicht erkannt? Ich bin so naiv und dumm. Und als wäre Hunter's Leben nicht schon schlimm genug, streue ich mit unserer Trennung nur noch mehr Salz in die Wunde.
Er hat so viel mehr verdient. Ich will das er all das Gute auf der Welt bekommt. Ich hoffe es ist noch nicht zu spät es ihm zu zeigen.
Oben angekommen flitze ich durch den Gang und rüttele an seiner abgeschlossenen Tür.
„Hunter! Mach auf! Bitte!" rufe ich laut und werfe mich gegen die Tür.
Stille.
Totenstille.
Ich ersticke fast an meinem Schluchzen, während ich mich immer wieder mit meinem ganzen Gewicht gegen die Tür ramme.
Immer und immer wieder.
Ich nehme all meine Kraft zusammen und trete mit meinem Fuß gegen die Tür. Und tatsächlich öffnet sie sich nach ein paar Versuchen.
Mit rasendem Herzen gehe ich in das Zimmer, in dem mir auch sofort ein Schrei entfährt. Ich falle auf die Knie und halte mir die Hände vor den Mund.
Trigger Warnung!
Da liegt er.
Auf dem Boden.
So gut wie leblos.
Ich habe noch nie etwas schlimmeres gesehen. Um ihn herum liegen so viele offene Packungen und kleine Tütchen, das ich gar nicht mitzählen kann. Aus seinem Mund läuft eine Mischung aus Speichel und einer weißen Substanz.
Auf allen Vieren krabbele ich zu ihm und lege seinen Kopf auf meinem Schoß.
„Hunter? Hörst du mich? Bitte sag was, Affe. I-ich..." Ein tiefer Schluchzer überkommt mich. „Hunter, komm schon. Ich bin da."
Nichts.
Panik überkommt mich.
Ich prüfe seinen Puls. Schwach, aber da. Mein Signal. Ich fische mein Handy aus der Hose und rufe den Notarzt.
„911, was ist der Notfall?" meldet sich eine tiefe Männerstimme.
„Überdosis. Kommen Sie schnell. Hiltonstreet 32." Meine Stimme zittert. „Bitte, beeilen Sie sich."
Ich lege auf und wiege Hunter hin und her. Meine Hand fährt über seine Haare und dann über seinen Arm.
„Hilfe ist unterwegs. Es wird alles gut. Ich bin bei dir." Weinend küsse ich ihn auf dem Kopf. „Ich liebe dich, Affe. Mein süßes Monster. Bleib stark, bitte. Ich weiß du kannst nicht mehr, aber nur noch ein paar Minuten durchhalten, ja? Für mich? Für uns?"
Ich prüfe wieder seinen Puls und erstarre.
Wo ist sein Puls?
Wo ist sein verdammter Puls?
Ich rüttele ihn verzweifelt. „Hunter? Nein. Wach auf. Du wirst mir hier jetzt nicht wegsterben! Wir wollten doch noch so viel zusammen machen! Ich glaube dir, hörst du? Verlass mich bitte nicht. Es tut mir so unfassbar leid. Es tut mir so leid."
Mein Kopf legt sich auf seinen und dann breche ich zusammen. Heiße Tränen laufen über mein Gesicht und gehen zu Hunter über.
Sein Gesicht ist nicht so schön braungebrannt wie sonst, sondern blass. Totenblass.
Das kann es nicht gewesen sein. So darf es nicht enden. Wir verdienen unser Happy End!
Mit einem Kloß im Hals wispere ich zu ihm „Ich liebe dich so, so sehr. Bitte, verlass mich nicht. Ich weiß, dass das hier meine Schuld ist, aber bitte lass mich es wiedergutmachen. Ich brauche dich."
Ich verteile Küsse in seinem Gesicht und wärme ihn mit meinen Händen in der Hoffnung, dass das irgendetwas bringt, obwohl ich genau weiß, das es das nicht tut.
Der Gedanke das Hunter tot in meinen Armen liegt, ist so unerträglich, das ich ihn sofort wieder verdränge.
Er lebt.
Er überlebt.
„Unsere Geschichte ist noch nicht vorbei. Sie fängt doch gerade erst an. Bitte, wach auf. Bitte, bleib bei mir." murmele ich und weine in seine Haare, während ich ihn so fest es geht an mich presse.
Am Rande bekomme ich mit, wie jemand die Treppe hochläuft und ich dann aufsehe.
„Hier! Hilfe! Bitte!" schreie ich mir die Seele aus dem Leib.
Die Notärzte kommen in das Zimmer und bauen irgendwelche Sachen auf. Kraftlos sitze ich daneben und sehe zu.
„Bitte, helft ihm." wimmere ich und betrachte sie flehend.
Sie führen ein paar Tests durch und ich kann nichts anderes machen, als die ganze Zeit Hunter zu halten und ihm zur Seite zu stehen.
Beide tauschen einen schnellen Blick aus und packen hektisch zusammen.
Panisch drücke ich mich an ihn. „Was ist los? Wird er wieder?"
Der Eine spricht in ein Funkgerät, während die Andere nach unten rennt. Da entdecke ich auch Hunter's Vater im Türrahmen stehen, der die Augen weit aufgerissen hat.
Unbeirrt weine ich weiter und verfluche mich selbst. Er hat mir Warnsignale gegeben. Ausreichend. Bis es dann zu spät war.
Ich habe kein einziges bemerkt.
Die Frau kommt mit Verstärkung und einer Trage bewaffnet nach oben und hieven dann beide Hunter darauf. Ich lasse ihn nicht los. Nie mehr.
„Du musst ihn loslassen, sonst können wir ihn nicht wegbringen. Sein Leben steht schon auf dem Spiel." erzählt mir die Frau eindringlich.
Meine Lippe bebt während ich sage „Ich werde ihn nicht verlassen. Ich kann nicht."
Sie deutet mit dem Kopf hinter mich und dann werde ich weggezogen und festgehalten. Von Hunter's Vater wie ich feststelle.
„Lass mich los! Ich muss zu ihm!"
Ich sehe wie er rausgetragen wird.
„Hunter! Lasst mich in Ruhe! Bitte."
„Emery, beruhige dich. Sie bringen ihn in's Krankenhaus. Wir fahren direkt hinterher, okay?" Fragend blickt mich sein Vater an.
Als Antwort trete ich ihm auf die Füße, was seinen Griff um mich lockert und ich losrenne.
Ich schwebe förmlich die Stufen nach unten und flitze auf den Krankenwagen zu, indem sie Hunter gerade einladen. Dort angekommen will ich einsteigen, aber sie versperren mir den Zutritt.
„Lassen Sie mich rein! Ich bin seine Freundin! Ich habe den Notruf gewählt. Lassen Sie mich verdammt nochmal rein!" zische ich angespannt und versuche Hunter's Gesicht zu erkennen.
„Tut mir leid. Nur für Familie." meint sie entschuldigend lächelnd.
„Ich bin seine Familie!" kreische und schluchze ich.
„Tut mir leid. Wenn du deinem Freund etwas Gutes tun willst, dann lässt du uns jetzt unsere Arbeit machen. Wir sehen uns im Krankenhaus."
Sie schließt die Türen, doch ein Wort konnte ich noch genau verstehen.
Herzstillstand.
Ich stolpere einen Schritt und lasse mich auf den Boden nieder, wo ich nun endgültig zusammenbreche und mir schreiend die Seele aus dem Leib heule, womit ich wahrscheinlich die ganze Nachbarschaft wecke. Aber das ist mir egal.
Herzstillstand.
Mein Hunter.
Mein Hunter hat einen Herzstillstand.
Sein wunderbares, pures und reines Herz steht still.
Mein Brust zieht sich eng zusammen und ich bekomme keine Luft.
Herzstillstand.
Und ich könnte schwören ich hatte gerade auch einen.
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Hello Friends! Ich hoffe euch geht es gut und ihr habt einen schönen Tag!💕
Tja... ähm... *lacht nervös* Wie fandet ihr das Kapitel? Das Buch ist bald vorbei, also was meint ihr: Happy End oder keins?🧸🥺💓
Hab euch lieb. Ihr alleine seid für euer Schicksal verantwortlich. Ihr habt euer Leben in euren Händen. Ihr entscheidet wie es verläuft. Es werden unfaire Dinge passieren, unglückliche Zeiten werden kommen, aber ihr alleine werdet entscheiden wie ihr darauf reagiert. Ihr könnt verbittert und elend sein oder die größere Person sein und darüber stehen. Denn die Wahrheit ist, das keine einzige Person auf dieser Welt weiß wann etwas passiert oder wann solche Zeiten kommen, doch ihr werdet immer die Entscheidung haben, wie ihr damit umgeht. Wählt mit Bedacht wie ihr antwortet und euch verhaltet. Euer ganzes Leben könnte auch dadurch ändern❣️
Bis im nächsten Kapitel,
Adios, Friends!❤️
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