✿ Kapitel 35
Nach endloser Diskussion und Überredung, bin ich mit Hunter auf dem Weg zu meiner Therapeutin. Er wollte unbedingt mitkommen, da er sie kennenlernen will. Ich hingegen denke einfach das er mitgeht, weil er weiß, das ich ohne ihn nicht gehen würde.
Der Gedanke das Hunter heute dabei ist, ist beängstigend und aufregend zugleich. Ich hoffe nur, das ich so offen wie immer sprechen kann, auch wenn er neben mir sitzt.
Hunter legt beunruhigt seine Hand auf mein Knie. „Alles gut? Bist du nervös?"
Ertappt sehe ich ihn an. „Nein. Nein. Ich... dachte nur gerade daran, das morgen die Schule wieder beginnt."
Skeptisch nickt er. „Die Lüge lasse ich dir durchgehen, aber auch nur, weil ich weiß wie viel Überwindung es dir kostet das heute zu machen."
Ich sehe aus dem Fenster und betrachte die Menschen auf den Straßen.
„Ich weiß gar nicht über was ich heute reden soll."
„Über was redet ihr denn sonst?"
Ich zucke mit den Schultern. „Ach, das übliche. Welche Klamotten gerade In sind und über neue Gerüchte der Promis, sowas eben."
Belustigt verdreht er die Augen. „Du bist echt unheimlich witzig."
Ich grinse. „Danke, das wusste ich aber schon."
Er zwickt mir böse lächelnd in's Knie. „Du bist unerträglich."
Lächelnd beuge ich mich zu ihm und küsse ihn auf die Wange.
„Und trotzdem liebst du mich."
Dramatisch seufzt er. „Und trotzdem liebe ich dich."
Zufrieden lehne ich mich wieder in den Sitz und beobachte wie die Straßen an uns vorbeiziehen. Die Fahrt vergeht schneller als gedacht und sobald wir aussteigen, muss ich mir die Hand vor das Gesicht halten, da mich die Sonne blendet.
Dafür das es nicht einmal Mitte Januar ist, ist heute ungewöhnlich schönes Wetter, was mich natürlich freuen lässt. Hoffentlich bedeutet das gute Wetter auch eine gute Sitzung mit Tory.
Sie klang sehr erfreut als ich sie angerufen und einen Termin gemacht habe. Auch wenn sie mir wirklich an's Herz gewachsen ist und sie mich gezwungenermaßen hintergangen hat, tat mir der Vertrauensbruch mehr weh als gedacht.
Aber jeder verdient eine zweite Chance... genau wie sie.
Hand in Hand betreten Hunter und ich die Praxis und laufen in das Zimmer in dem ich immer behandelt werde.
Er sieht sich stumm und neugierig um, während ich mich bereits hinsetze und ihn anstarre.
Hunter betatscht eine bewegbare Puppe. „Ist das eine Voodoo-Puppe?"
„Nein, leider nicht." meint Tory belustigt, die im Türrahmen erscheint und ihm die Hand reicht. „Ich bin Tory. Und ich bin mir ziemlich sicher das du Hunter bist, oder?"
Er räuspert sich und läuft rot an. „Ähm... ja. Hi."
Sie schmunzelt und deutet auf die Couch zu mir, während sie sich auf ihren Sessel setzt.
„Ich war ehrlich überrascht, als du mich um eine Sitzung gebeten hast und dann noch dazu eine mit Hunter. Ich danke dir, das du mir noch eine Chance gibst."
Ich zucke mit den Schultern. „Wärst du nicht so sympathisch und witzig, wäre ich nicht mehr gekommen."
Sie grinst. „Also, wie geht es euch? Gibt es einen bestimmten Grund das ihr hier seid?"
Hunter legt eine Schulter um mich. „Uns geht es wunderbar."
Tory lächelt stolz. „Bist du endlich über deinen Schatten gesprungen?"
„Scheint so." murmele ich schüchtern.
„Ihr Zwei seid echt goldig." Sie sieht Hunter an. „Du musst wissen, sie hat in jeder Sitzung über dich geredet. Deshalb freue ich mich so für sie."
Er fährt mir über den Arm. „Das habe ich schon gehört. Ich tue was ich kann damit es ihr gut geht."
„Emery, ich weiß nicht ob du es bemerkst, aber mit diesem Schritt machst du große Fortschritte." berichtet sie mir.
„Was für einen Schritt?" frage ich verdutzt.
Sie deutet auf Hunter. „Das du jemanden wieder vollkommen vertraust und eine Bindung eingehst."
„Das liegt auch nur daran, da ich ihn schon ewig kenne und alles über ihn weiß. Würde es ihn nicht geben, wäre ich denke ich noch nicht dazu bereit." erwidere ich nachdenklich.
„Aber er ist hier." Kurz ist sie still. „Tut mir leid für den Themenwechsel, doch ich möchte alle Punkte mit dir durchgehen."
„Okay." sage ich zögernd.
„Wie läuft es mit deinem Essensproblem? Hattest du einen Rückfall? Neue Tabletten?" Fragend hebt sie eine Augenbraue.
Ich schlucke und schüttele den Kopf. „Nein. Ich esse zwar immer noch nicht fünf Pizzen auf einmal, aber ich esse so viel es geht. Das ist schließlich auch etwas, oder?"
Sie nickt erfreut. „Ganz richtig. Und mit deinen Eltern?"
Meine Miene verdüstert sich. „Was soll schon mit ihnen sein? Sie machen ihr Ding und ich meins. Mein Vater erkundigt sich zwar manchmal nach mir, aber naja... es könnte besser sein. Mir ist es aber auch recht so."
Sanft fragt sie „Ist es das?"
Ich blicke auf meine Hände und zupfe an meiner Nagelhaut. „Keine Ahnung. Ich bin es ja nicht anders gewohnt. Entschuldige, aber ich möchte nicht über die beiden reden."
Verstehend lässt sie es fallen. „Über dieses Thema willst du bestimmt auch nicht reden, aber—"
„Nein. I-ich will nicht."
Sie beäugt Hunter, der bis jetzt still geblieben ist. „Weiß er es?"
„Oh, ja. Und wie ich es weiß." presst Hunter zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ich kneife die Augen zusammen. „Bitte, nicht."
„Emery, du kannst das Thema nicht einfach unter den Teppich kehren. Die Wunde ist noch frisch." erklärt sie mir.
„Es ist anderthalb Jahre her. Ich bin drüber weg. Mir geht es gut." erzähle ich ernst.
„Ich denke nicht. Im Moment verdrängst du es, doch das Ziel ist es, das du damit klarkommst und damit leben kannst."
„Vielleicht sollte ich draußen warten, damit sie offener reden kann." Unschlüssig sieht er mich an.
„Nein! Bleib." rufe ich panisch.
Beruhigend streicht er mir über die Hand. „Ist gut. Ganz ruhig."
„Mir scheint das hier ein ganz anderes Problem noch behandelt werden muss." Mitfühlend blickt sie mich an.
Ich verziehe die Augen zu Schlitzen. „Was denn?"
„Du hast Angst, das er dich verlässt." spricht sie meine Gedanken aus.
„Das stimmt nicht." wispere ich und blinzele die aufsteigenden Tränen weg.
„Wovor hast du Angst? Du musst ehrlich sein, sonst belügst du dich nur selbst weiter."
Hunter stupst mich mit der Schulter an und fragt bedrückt „Wovor hast du Angst, Emi?"
Ich wende den Blick ab und sehe nach draußen. „Es... e-es ist dumm."
Seine Hand verschränkt sich mit meiner. „Nichts was du sagst ist dumm. Wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, will ich das wissen... egal wie dumm du denkst das es ist."
Mein Gesicht verzieht sich und ich wische mir über das Auge. „Ich habe nur Angst, das er mich irgendwann nicht mehr mag."
Hunter möchte aufgebracht etwas sagen, wird dann aber von Tory unterbrochen.
„Wie kommst du auf den Gedanken?"
„Ich bin nicht normal und werde es auch nie sein. Ich bin verkorkst, gebrochen, nenn es wie du willst. Er soll nicht immer erst überlegen müssen was er sagt, was er tut und im Hinterkopf haben, das ich beschädigt wurde und bei jedem Wort womöglich zusammenbreche. Er hat etwas besseres verdient und ich wünsche mir das für ihn." Ich schluchze leise auf und schlucke schwer. „Ich liebe ihn so sehr, aber was ist wenn er mich eklig oder benutzt findet? Was ist wenn ich ihm nie das geben kann was er will, vor allem wenn es zum Thema Sex kommt?"
„Bist du denn schon bereit dafür?" fragt sie sanft.
Unbeholfen hebe ich die Schultern und schniefe. „Ich weiß nicht, ich habe Angst. Die einzige Erfahrung wo ich habe, ist die von meiner Vergewaltigung und darauf kann ich verzichten."
Mild lächelt sie. „Aber Hunter ist nicht West. Hunter wird nichts von dem machen, was er dir angetan hat. Hunter wird dich nicht vergewaltigen."
Gequält halte ich mir die Hand an den Hals. „Ich weiß, aber was ist wenn ich gerade dabei wäre und eine Panikattacke bekomme? Was wenn auf einmal West's Gesicht vor mir auftaucht oder ich irgendwie getriggert werde? Ich will Hunter diese Last nicht aufbürden."
„Welche Last, Emery?" Aufmerksam betrachtet sie mich.
Ich wische mir über die Wange und vermeide Hunter's Blick. „Das er sich zurückhalten muss. Das es nicht einfach wird. Das ich Zeit brauche. Das ich vielleicht nie mit ihm schlafen kann. Ich habe einfach Angst, das er es irgendwann leid ist und mich verlässt. Er sollte mit mir alles machen dürfen was er will. Er gibt mir so viel und ich ihm gar nichts. Das gibt mir das Gefühl, das ich seiner Liebe nicht würdig bin."
Hunter neben mir versteift sich und muss sich wohl stark zusammenreißen nichts zu sagen.
„Hast du über all das mit ihm schon gesprochen?" fragt sie und legt den Kopf schief.
„Nein. Ich wollte einmal egoistisch sein und mein Glück genießen solange es hält."
„Das ist nicht egoistisch. Du wurdest verletzt in der Vergangenheit und es ist völlig in Ordnung, das du Ängste und Zweifel hast. Du heilst. Langsam, aber du tust es. So wie du mir Hunter beschrieben hast, denke ich, das er mit all dem was du gerade gesagt hast keine Probleme haben wird. Wenn er dich wirklich liebt — wobei ich mir ziemlich sicher bin —, dann schafft ihr das zusammen. Redet. Testet die Grenzen. Und hey, wenn es noch nicht geht, dann ist das so. Liebe ist nicht nur körperlich ausdrückbar." erklärt sie mir eindringlich.
„Er könnte aber trotzdem jemand besseres haben." murmele ich traurig.
„Er hat sich aber bewusst für dich entschieden. Er wusste was dir widerfahren ist und hat immer noch dich gewählt." Sie lächelt. „Er hat dich nicht wegen deines Körpers oder seiner sexuellen Bedürfnisse gewählt, sondern wegen deines Inneren. Er sieht etwas besonderes in dir und das wird sich auch nicht ändern."
Ich seufze frustriert. „Tief in mir weiß ich das, aber ich würde ihm trotzdem gerne etwas mehr geben, als ich es gerade kann."
Sie blickt Hunter und dann mich an. „Du gibst ihm schon mehr als genug, Emery. Mach dir keinen Stress und lass es auf dich zukommen. Wie gesagt, es wird nicht immer nur gute Tage geben, aber—"
„Lass die harten niemals gewinnen." zitiere ich sie.
„Genau." Sie lacht leicht. „Ich hoffe ich konnte dir heute weiterhelfen und dir ein wenig von deiner Angst nehmen. Ich würde mich freuen, wenn du ab und zu vorbeischaust. Du hast hier immer eine offene Tür."
Dankbar lächele ich leicht. „Danke, Tory."
„Und Hunter..." Innig betrachtet sie ihn. „Ich kenne dich nur von dem was Emery mir erzählt, aber sie meint das du ein wirklich toller Kerl bist. Bitte kümmere dich um sie und sei für sie da, wenn sie dich braucht. Der Weg wird nicht einfach, doch Liebe ist stärker als alles andere auf dieser Welt, oder?"
Unsicher sehe ich ihn an und kann seine Miene nicht deuten.
„Ich tue alles was ich tun kann. Ich verspreche es. Es war schön Sie kennengelernt zu haben."
Freundlich lächelt sie. „Ganz meinerseits. Bis bald ihr beiden."
Ich folge Hunter nach draußen und dachte er würde direkt in sein Auto steigen, doch er bleibt davor stehen und blickt mich undurchdringlich an. Betreten fixiere ich den Gehweg und bleibe ruhig.
„Ich... ich weiß gar nicht was ich dazu sagen soll." fängt er schließlich an.
Müde begegne ich seinem Blick. „Es tut mir leid."
„Was tut dir leid?"
Ich beiße mir auf die Lippe. „Das ich so kompliziert bin."
Er holt tief Luft und legt dann seine Hände an meine Wangen. „Ich verstehe nur nicht, wieso du so denkst. Wieso erzählt du mir diese Ängste nicht? Habe ich dir jemals das Gefühl gegeben, das ich dich bedränge oder ich nur Sex von dir will? Denn das ist das letzte was ich von dir möchte."
Ich blicke nach oben und atme zittrig aus. „Nein. Aber irgendwann wird es dazu kommen und—"
„Und dann gehen wir so weit wie du kannst und machen es so wie du es willst und es dir angenehm ist." spricht er dazwischen und streicht behutsam über meine Wangen.
„Ich liebe dich, wirklich. Doch ich will nicht das du leidest."
Verzweifelt sagt er „Ich leide doch nicht. Ich bin verdammt glücklich, Emi. So wie jetzt gerade alles ist, ist es perfekt. Wenn ich mit dir noch dreißig Jahre nur rummachen kann und mir danach einen runterholen muss, dann mache ich das liebend gerne. Mir reicht das."
Das entlockt mir ein kurzes Lächeln. „Sag mir das in einem Jahr nochmal, wenn du die Nase voll von deiner Hand hast."
Er lächelt. „Das werde ich. Und das Jahr darauf. Und das Jahr darauf. Ich werde auf dich warten, egal wie lange es dauern mag. Ich will dich einfach nur an meiner Seite haben und dich dort nie wieder missen. Geht das, meine heiße Prinzessin?"
Breit grinse ich. „Ich denke schon. Es tut mir—"
„Bevor du dich jetzt für irgendeinen Schwachsinn entschuldigst, küss mich lieber und umarme mich."
Trotz das ich mich auf Zehenspitzen stelle, muss er mich ein Stück anheben damit ich meine Arme um seinen Hals legen kann und meine Lippen auf seine.
Erleichtert seufzt er und erwidert leidenschaftlich. Seine Lippen wandern von meinem Mund zu meinem Mundwinkel und dann zu meiner Wange, wo er ganz viele kleine Küsse verteilt, was mich kichern lässt.
Und während ich jeden Kuss genieße, denke ich mir, das Tory recht hat.
Liebe ist stärker als alles andere auf der Welt und wir schaffen das zusammen.
Ich wünschte mir, das es im Nachhinein wirklich wahr gewesen wäre und nicht nur ein Satz voller Lügen.
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Hello Friends! Habt einen tollen Tag und genießt ihn!🙌🏼💕
Hunter ist schon ein Schatz, oder? Deren Bond ist zwar stark, aber wie viel können sie ertragen? Wann wird wohl die Bombe einschlagen?😈💞
Hab euch lieb. Denkt daran, das all eure Wunden heilen werden, denn dazu sind sie nämlich da. Deine Schnitte oder Verletzungen mögen vielleicht Narben hinterlassen, die dich an all den Schmerz und das Tief erinnern, aber sehe sie nicht als Makel sonder trage sie mit Stolz. Sei stolz darauf, das du aus dieser dunklen Zeit entkommen und auf dem richtigen Weg bist. Narben machen euch nicht schwach, sie machen euch stark. Das gilt auch für Enttäuschungen, gebrochene Herzen und Fehler. Sie tun jetzt weh und lassen dich keine Hoffnung mehr sehen, aber sie ist da. Denn auch dies wird heilen. Die Zeit heilt alles. Sei offen für die Heilung und du wirst sehen, das du noch stärker hervorkommst, als du sowieso schon warst. Jedes Tief macht dich stärker und erfahrener. Denk' immer daran und bleibe stark❣️
P.S Riesen Dank für 10k Reads. Es ist immer wieder surreal. Ich bin euch unendlich dankbar. Love you all😭❤️
Bis im nächsten Kapitel,
Adios, Friends!❤️
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