✿ Kapitel 29

Hunter's Versprechen war bis jetzt nicht gelogen. Auch wenn wir erst zwei Tage im neuen Jahr sind. Er hat es wohl ziemlich ernst gemeint mit »Wir werden es rocken«, denn gestern sind wir zusammen skaten gegangen.

Es war recht amüsant.

Hunter wäre ein guter Lehrer gewesen, wenn ich nicht so eine miserable Schülerin gewesen wäre.

Auf dem Skateboard konnte ich stehen.

Die Straße herunterrollen auch.

Nur das mit dem bremsen hat nicht so gut geklappt.

Ich bin nicht nur einmal mit dem Gesicht auf der Straße gelandet und habe jetzt auch leichte Schrammen im Gesicht, aber das war es wert.

Denn statt das mein toller Lehrer mir geholfen hat, hat er sich neben mich gesetzt und mich ausgelacht.

Ich hätte mich noch tausend Mal verletzt, wenn ich dafür dieses Lachen bekommen hätte.

Und wenn ich mich nicht ganz täusche, hat er auch oft mit mir geflirtet. Das macht er zwar immer, aber diesmal war es nicht auf neckende Weise gemeint. Vielleicht sind das aber auch nur Wunschvorstellungen.

„Emi?" fragt Hunter leise. „Schläfst du?"

Ich blicke zu ihm auf. „Nein, wieso?"

Er zuckt mit den Schultern. „Du hast schon lange keinen Kommentar mehr zu deinem Lieblings-Vampir abgegeben."

Ich schmiege mich wieder an seine Brust und blicke auf den Bildschirm. „Die Atmosphäre war so schön."

Seine Finger fahren sanft über meine Schulter. „Ja?"

Ich stoppe die Folge und drehe mich ganz zu ihm. „Jap."

Lächelnd betrachtet er mich und fährt über mein Pflaster an der Stirn.

„Hoffentlich bekommst du davon keine Narbe."

Ich grinse. „Mir wäre es recht. Dann kann ich mich immer daran erinnern, wie schlecht ich im skaten bin."

„Du bist nicht schlecht, du brauchst nur einfach ein bisschen länger als andere." versucht er nett zu sagen.

„Ich danke dir für den Versuch mich nicht wie ein kompletter Loser dastehen zu lassen." lache ich.

Er grinst breit. „Immer gerne."

Ich fasse seine Grübchen an, worauf er fragt „Was machst du da? Willst du gucken ob ich ein Alien bin?"

Schmunzelnd meine ich „Ich bin einfach nur fasziniert von deinen Grübchen."

Seine Mundwinkel zucken. „Eine weitere Schwäche?"

Ertappt färben sich meine Wangen rot. „Möglich."

„Weißt du was meine Schwächen bei Mädchen sind?" fragt er mit funkelnden Augen und fährt weiterhin über meinen Rücken.

Mein Atem stockt. „W-was denn?"

„Wenn sie rot werden." fängt er zwinkernd an. „Wenn sie statt hohen Schuhen, abgetragene Sneaker anziehen. Wenn sie einem das Gefühl geben gebraucht zu werden."

Ich sehe auf sein Armband. „Franziska hat keine der Eigenschaften."

Intensiv mustert er mich. „Ich weiß."

Auf einmal spüre ich seine Finger nur zu deutlich durch den dünnen Stoff meines T-Shirts. Sie brennen sich förmlich durch und lassen meine Haut erhitzen.

Dieses intensive Knistern zwischen uns haben wir beide seit dem Vorfall im Aufzug ignoriert, aber jetzt ist es wieder da.

Mein Blick fällt auf seine Lippen, die mich quasi einladen meine dagegen zu pressen. Als er meinen Blick bemerkt, hebt sich seine Brust schneller und seine Augen werden dunkler.

Unsicher lege ich meine Hand an seine Wange und fahre über die leichten Bartstoppeln, die sich dort bilden und ihn noch anziehender wirken lassen.

Er schluckt und schließt die Augen. „E-emery, w-was machst du?"

Ich komme seinem Gesicht ein Stück näher und flüstere an seine Lippen „S-soll... soll ich aufhören?"

Sein Mund öffnet sich zu einer Antwort, kommt aber nicht dazu etwas zu sagen, denn plötzlich wird an meine Zimmertür gehämmert, weshalb ich zusammenschrecke.

Beruhigend fährt Hunter mir durch die Haare, kann aber trotzdem seine Verärgerung spüren.

„Was denn?" rufe ich genervt und bekomme einen amüsierten Blick von Hunter.

„Komm sofort nach unten. Tory ist hier." teilt mir meine Mutter durch die Tür mit und ich kann ihre Wut bis hierher hören.

Entsetzt blicke ich zur Tür, obwohl ich weiß, das ich dort niemanden sehen werde.

Was will sie hier? Weil ich seit ein paar Wochen nicht mehr bei ihr war? Das kann sie mir wohl kaum übel nehmen, nachdem ich so intensiv mit der Sache konfrontiert wurde.

Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl.

Ich setze mich zitternd auf und will aufstehen, doch Hunter hält mich sanft am Handgelenk fest. Seine Miene ist verwirrt und besorgt. Wahrscheinlich hat er Angst, das ich ihn wieder ausschließe.

Ich ehrlich gesagt auch.

„Wer ist Tory? Ist er dein Lover? Habt ihr jetzt ein Date?" fragt er und sieht mich enttäuscht an.

Verdutzt antworte ich „Was? Nein. Tory ist eine sie."

Erleichtert atmet er auf. „Achso. Und wer ist sie? Deine Mutter klang nicht so erfreut."

„Äh... sie ist..." Ich räuspere mich beschämt. „Meine Therapeutin."

„Oh. Soll ich mitkommen? Ich habe das Gefühl, das du da nicht alleine runter willst."

Wie gut er mich doch kennt.

„Nein, schon gut. Sie will bestimmt nur etwas abklären."

Für einen kurzen Moment schweigt er. „Ob du wieder isst?"

Ich stehe auf und lächele gezwungen. „Ja, das wird es sein."

Mit erhobenem Kopf öffne ich die Tür und laufe nach unten. Jeder Schritt der mich ihnen näher bringt, lässt mich unruhiger werden.

Im Esszimmer angekommen blicken mich drei Augenpaare an. Doch alle unterschiedlich.

Tory sieht mich entschuldigend an.

Mein Vater verwirrt.

Und meine Mutter vor Wut rasend.

Seufzend nehme ich Platz und warte.

„Es tut mir leid, Emery. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du bist so lange nicht mehr zu mir gekommen." fängt Tory an.

Ich beiße die Zähne zusammen. „Was tut dir leid?"

Gequält meint sie „Ich musste es ihnen sagen. Sie sind besorgt gewesen."

Meine Augen schließen sich fest und ich frage dann „Was?"

„Wir können froh sein, das sie vorbeigekommen ist! Vergewaltigt? Magersucht? Angstzustände? Eine Belastungsstörung? Pillen?" Meine Mutter gestikuliert mit ihren Händen. „Habe ich etwas vergessen?"

Mir schießen Tränen in die Augen. „Du brauchst nicht nochmal aufzählen, was nicht mit mir stimmt." Ich sehe Tory an. „Ich habe dir vertraut."

Beschämt senkt sie den Blick. „Es tut mir leid."

Ich lächele traurig. „Mir auch."

„Em, Schätzchen wieso hast du uns das nicht erzählt?" fragt mein Vater mit schimmernden Augen.

„Weil es euch nichts angeht!" rufe ich und wische mir schnell eine Träne von der Wange.

„Und wie es uns das angeht! Denkst du ich will Nachhause kommen und dich leblos neben einer Pillenpackung sehen?" fragt sie wütend.

Ich lache spöttisch. „Wäre das nicht dein Traumanblick?"

„Emery! Was denkst du eigentlich von mir?"

„Das du deine Tochter hasst und lieber tot sehen willst."

Sie zuckt zusammen, als hätte ich sie geschlagen. „So denkst du von mir?"

Ich hebe die Schultern. „Wie soll ich denn etwas anderes denken, wenn du mir mehr als klar gemacht hast, das ich ein Fehler war und du mich lieber abgetrieben hättest."

Darauf sagt sie nichts mehr, was mich doch mehr verletzt als es sollte.

Für einen ewig langen Moment bleibt es still und keiner weiß so recht was er sagen soll.

Mein Vater räuspert sich und fragt zögernd „Und... ähm... wann ist das passiert?"

„Was?"

„Naja, das du..."

Ich balle die Hände zu Fäusten. „Vergewaltigt wurdest?"

Er atmet verärgert aus. „Ja."

„Vor circa anderthalb Jahren." erwidere ich monoton.

Er fährt sich über das Gesicht. „Gott Em, es tut mir—"

Ich halte eine Hand hoch. „Spar es dir. Ich brauche kein Mitleid. Mir geht es besser. Kann ich jetzt gehen? Mein Leid kann euch auch Tory erzählen, die mit Sicherheit alles gerne preisgibt."

„Süße, es ist nicht ihre Schuld. Sie wollte es nicht erzählen, aber wir haben sie so lange bedrängt bis sie es gesagt hat." beichtet er.

Ich beäuge sie. „Schön. Ich gehe jetzt hoch zu Hunter."

Tory lächelt. „Hunter ist hier?"

„Ja, schon längere Zeit. Er hat mir geholfen und mich wieder auf die Beine gebracht."

„Ich bin froh zu hören, das er dir hilft. Du hast nicht übertrieben, wie du über ihn geredet hast." sagt Tory.

Ich zucke mit den Schultern. „Er ist eben der Beste."

Sie nickt. „Wie wäre es, wenn du ihn mal zu einer Sitzung mitnehmen würdest?"

Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. „Ähm, nein? Ich werde nicht mehr zu dir kommen."

„Doch wirst du. Wenn du schon nicht mit uns reden willst, dann mit ihr." beschließt meine Mutter.

„Hast du eigentlich etwas zu sagen? Oder bist du von Natur aus ein gefühlloses Monster ohne Mitgefühl?" keife ich sie an.

„Du wolltest doch kein Mitleid." feuert sie zurück.

Ich mache eine abwerfende Handbewegung. „Vergiss es. Was habe ich auch von dir erwartet?"

„Ich würde mich freuen, wenn du bald wieder vorbeikommst." Sie denkt kurz nach. „Ich verstehe aber auch, wenn du es nicht mehr willst."

Ich überlege und atme dann aus. „Mal sehen. Ich gehe jetzt."

„Emery!" Ich drehe mich zu meinem Vater. „Wir lieben dich. Wenn du etwas brauchst, dann sag uns einfach Bescheid."

„Das werde ich dann bei dir machen." Das »dir« betone ich extra.

Ich laufe die Treppe hoch, bleibe aber bei der Hälfte wie erstarrt stehen. Stocksteif steht Hunter über mir und hat erschrocken die Augen aufgerissen. Meine Ohren rauschen und mir kommen die schlimmsten Gedanken in den Kopf.

Was hat er gehört? Hasst er mich? Wieso lauscht er?

„Bitte nicht böse sein. Ich habe auch kaum etwas gehört. Emi, bitte komm zu mir." Flehend blickt er mich an.

Langsam nähere ich mich ihm. „Was hast du gehört?"

Panisch stammelt er „Nur wie mein Name gefallen ist und du dich mit deinen Eltern gestritten hast. Soll ich gehen? Erzählst du deiner Therapeutin von mir? Es tut mir leid, ich wollte nicht lauschen. Ich habe auch wirklich nichts gehört."

Ich ziehe ihn an der Hand in mein Zimmer und schubse ihn auf mein Bett. Innig betrachte ich ihn und erwäge meine Optionen ab.

Hunter's Augen funkeln voller Scham, was mich leicht das Gesicht verziehen lässt. Ich gehe ebenfalls auf mein Bett, während Hunter mich zögernd ansieht.

Und dann lasse ich mich auf ihn nieder und bedecke seinen ganzen Körper mit meinem. Meine Arme schlingen sich wie von selbst um seinen Hals und mein Kopf findet seinen gewohnten Platz an seiner Halsbeuge.

Er scheint verwundert zu sein, da ich ihn nicht anmotze, aber dann legt er beschützerisch seine Arme um mich und fährt zärtlich meinen Rücken auf und ab.

„Ich rede oft mit ihr über dich." wispere ich leise und atme seinen vertrauten Duft von Zuhause ein.

„Warum? Ich bin doch nur Hunter." flüstert er ebenfalls leise zurück.

Ich lächele an seinen Hals. „Du bist mein Hunter."

Er gibt mir einen Kuss auf die Haare. „Für immer. Aber wieso redet ihr von mir? Du könntest doch auch von Chase oder Eliza reden."

Ich richte mich ein Stück auf und sehe ihm direkt in die Augen. „Du hast mich wieder fühlen lassen. Auch wenn es vor ein paar Monaten nur Wut war, du hast es geschafft. Davor war nichts."

„Und was fühlst du jetzt?" fragt er heiser.

„Alles." flüstere ich in sein Ohr und gebe einen Kuss dahinter.

Mit belegter Stimme sagt er „Weißt du was noch eine Schwäche ist, die ich bei Mädchen habe?"

Ich schüttele den Kopf.

„Wenn sie mich allein mit Wörtern um den Finger wickeln können und mich dann voll im Griff haben." schnurrt er und küsst mich auf die Wange.

Ich lächele schüchtern. Er lächelt schüchtern. So geht dieses Blickduell eine ganze Weile.

Und während ich ihn ansehe, meine ich zu glauben meine ganze Zukunft vor mir zu sehen.

Aber eines erblicke ich mit Sicherheit: Hoffnung und Liebe.

Hunter gibt mir alles was ich brauche und deshalb werde ich die beiden Sachen bald in die Tat umsetzen.

Das erinnert mich an die Worte von meinen Freunden, die ich bald ernst nehme und endlich über meinen Schatten springen werde.

»Wenn du es nicht versuchst, wirst du es niemals wissen.«
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Hello Friends! Ich hoffe es geht euch gut und ihr habt heute schon gelacht👑💛

Das neue Jahr ist wohl doch nicht so gut gestartet. Wie wird Emery jetzt wohl damit umgehen? Und was wird sie Hunter erzählen?👀😈💗

Hab euch lieb. Vergesst niemals: Wie weit ihr schon gekommen seid. Durch was ihr alles gegangen seid. Wie oft ihr euch gezwungen habt weiterzugehen, auch wenn ihr dachtet ihr könnt es nicht. All die Tage, wo ihr aus dem Bett gestiegen seid, egal wie hart es auch gerade war. Die Zeiten, wo ihr aufgeben wolltet, aber durch einen weiteren Tag gekommen seid. All die Tage, wo ich dachtet ihr würdet ersticken und trotzdem all eure Kraft gesammelt und geatmet habt. Ihr habt so viel Stärke und Hoffnung in euch und seid schon so weit gekommen... lasst es nicht umsonst gewesen sein❣️

Bis im nächsten Kapitel,
Adios, Friends!❤️

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