ᴅʀɪᴛᴛᴇs ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ
"You may bury my body, down by the highway side" - Me And The Devil, Soap&Skin
Schon als ich beim Haus meiner Großmutter angekommen bin, bin ich erschöpft vom Tag gewesen, und eigentlich möchte ich nichts weniger, als in der Gegenwart meiner Entführer zu schlafen, doch nach der ganzen Aufregung fällt es mir schwer, die Augen offen zu halten.
Mit Mühe und Not schaffe ich es, nicht einzunicken, bis Zayn den Wagen über einen kaum befahrenen Waldweg manövriert und dann mitten im Nirgendwo neben einem herrenlosen Reifen stehen bleibt.
"Wir sehen uns", ergreift der Schwarzhaarige das Wort und dreht sich zu mir und Louis um, der uns gerade abgurtet und die Autotür öffnet. "Lass dich nicht verarschen und lass ihn nicht entwischen, verstanden?"
"Verstanden", nickt er und bedeutet mir, auszusteigen.
Folgsam rutsche ich vom Sitz und komme unsanft auf meinem rechten Bein auf, was mich stöhnend in die Knie gehen lässt.
"Okay, lass uns ein paar Dinge klarstellen", beginnt Louis, als Zayn und Niall in die Nacht davonfahren und uns im stockdunklen Wald zurücklassen.
"Bringst du mich jetzt um?", keuche ich, denn diese Situation sieht mir alles andere als vertrauenswürdig aus, doch ich erhalte bloß einen Klaps auf den Hinterkopf.
"Sei still." Mit aller Kraft stemmt er mich vom Boden hoch und legt meinen Arm um seine Schultern, damit ich mich auf ihn stützen kann. "Hör mir jetzt gut zu. Hier im näheren Umkreis ist nichts. Kein Haus, keine anderen Leute, niemand, der dir helfen kann. Es ist Dezember, wenn du auf eigene Faust im Wald herumläufst wirst du erfroren sein, bevor du es rausgeschafft hast. Ich bin deine einzige Chance, hier draußen am Leben zu bleiben, also rate ich dir, mich nicht zu verärgern."
Mit seinen Worten macht er mir die Hoffnung zunichte, ihn in unserer jetzigen Position zu würgen, bis er ohnmächtig ist, und dann auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden und ihn und seine Komplizen bei der nächsten Polizeistation zu verpfeifen. Aber vermutlich wäre ich für dieses Unterfangen mit meinem verletzten Bein sowieso zu langsam gewesen.
Gemeinsam stapfen wir durch den Wald, dem Lichtkegel von Louis' Taschenlampe folgend. Wie er sich zurechtfindet ist mir ein Rätsel, denn für mich sieht jeder Baum gleich aus, und irgendwann frage ich mich, ob wir uns längst verlaufen haben.
Doch nach einer gefühlten Ewigkeit taucht förmlich aus dem Nichts vor uns ein kleines, hellgraues Wohnmobil auf und Louis bleibt wie auf Kommando stehen. Wie jemand es geschafft hat, das Fahrzeug hierherzubringen, erschließt sich mir nicht, aber ich habe auch nicht viel Zeit um darüber nachzudenken, denn mein Entführer öffnet uns die blaue Tür und hilft mir, die Stufe zu erklimmen, um seine Unterkunft zu betreten.
Ächzend humple ich hinein, während er uns mit einem Klicken einschließt und sich den Schlüssel, den er mitsamt ein paar anderer an einer roten Schnur um den Hals trägt, wieder unters Oberteil stopft.
Mit einem Flackern geht das Licht an und erlaubt mir, meine Umgebung genauer anzusehen. Gegenüber der Eingangstür befinden sich eine Eckbank, zwei Stühle und ein Esstisch. Rechts daneben ist eine kleine Küche und ein Sofa mit einem Fernseher, der fast so hoch wie breit ist.
"Setz dich", ergreift Louis nach einem Räuspern das Wort und verstaut seine Pistole in einer Schublade, die man abschließen kann. Wie in Zeitlupe lasse ich mich auf die Bank sinken und beiße meine Zähne bei dem Brennen in meinem Bein fest aufeinander. "Ich sehe mir jetzt die Wunde an, in Ordnung?"
"In Ordnung", erwidere ich, weil ich sowieso keine Wahl habe, und er huscht durch das kleine Zimmer und sammelt ein paar Utensilien zusammen, ehe er mit einem unsicheren Blick vor mir auf die Knie geht.
"Ich glaube, du musst die Hose ausziehen, sonst kann ich dich nicht erstversorgen."
"Könnte sich schwierig gestalten, meine Hände sind hinter meinem Rücken gefesselt." Sarkasmus ist in der Situation vermutlich nicht angebracht, aber Louis lächelt milde und nickt.
"Da hast du recht. Ich ziehe dich aus, ja?"
"Nein", widerspreche ich reflexartig, denn von ihm entkleidet zu werden behagt mir ganz und gar nicht, doch mir ist auch klar, dass die Blutung dringend gestoppt werden muss.
"Ich schaue dir schon nichts weg und ich werde dich nicht hier verbluten lassen, klar?" Ohne eine Antwort abzuwarten schlägt er meinen Mantel zur Seite, macht sich an meinem Hosenknopf zu schaffen, öffnet den Reißverschluss und bittet mich, einmal kurz aufzustehen, damit er mir die Hose hinunterziehen kann.
Als er den durchnässten Stoff von der verletzten Stelle löst, muss ich tief Luft holen, um nicht laut aufzuschreien, und er murmelt ein "Entschuldige."
In Unterhose, Mantel und Hemd sitze ich nun vor ihm und blinzle heftig gegen die Tränen des Schmerzes an, während er mir die Wunde auswäscht und mit Wundpolstern und Verbandszeug hantiert.
"Ist nur ein Streifschuss, das wird wieder", lässt er mich wissen und es soll aufmunternd klingen, aber mir ist einfach nur noch zum Heulen zumute. Ich sitze angeschossen und in Boxershorts in irgendeinem Wohnmobil, weit weg von jeglicher Zivilisation, und muss darauf hoffen, dass der Mann vor mir es gut mit mir meint.
"Wie geht es jetzt weiter?", presse ich mit einem dicken Kloß im Hals hervor und sehe ihm schwer atmend dabei zu, wie er die benutzten Sachen wieder wegräumt.
"Möchtest du etwas essen?"
"Das meine ich nicht und das weißt du."
"Was meinst du dann?", fragt er und vermeidet es, mich anzusehen.
"Ich bin nicht bescheuert, Louis. Willst du mir weißmachen, dass du mich den Rest meines Lebens hier behalten und mich durchfüttern wirst?"
"Nein, das will ich dir nicht weißmachen. Weil ich selbst nicht weiß, was ich tun werde, okay? Ich war noch nie dazu gezwungen, jemanden gefangen zu halten." Zumindest ist er ehrlich.
"Also kann ich mich darauf einstellen, doch noch umgebracht zu werden, wenn dir all das hier eines Tages zu viel Arbeit wird?" Bei dem Gedanken, irgendwo in diesem Wald verscharrt und von Maden und Käfern zerfressen zu werden, wird mir schlecht.
Louis schweigt bloß und verschwindet für einen Augenblick nach draußen, um einen Eimer mit Wasser, das von meinem Blut scharlachrot geworden ist, wegzukippen.
Sobald er wieder herinnen ist, schließt er sorgfältig ab und atmet schwer durch. "Möchtest du jetzt etwas zu essen haben oder nicht?"
"Nein, ich habe keinen Hunger", sage ich, denn ich bin mir sicher, dass ich keinen einzigen Bissen hinunterzwingen könnte.
"Okay." Unschlüssig steht er mitten im Raum und beißt sich auf die Lippe. Augenscheinlich eine Angewohnheit, wenn er nervös ist. "Wenn du möchtest, kann ich dir die Hände jetzt vorne zusammenbinden. Tun sie dir noch weh?"
Es wäre amüsant, wie hilflos er wirkt und dass er keine Ahnung hat, welches Verhalten seinerseits angebracht ist, wenn es ihn nicht noch um einiges gefährlicher machen würde. Wenn er routiniert wäre, wüsste er in jeder Situation was er tun muss, doch mit seiner Unsicherheit neigt er wahrscheinlich viel mehr zu unüberlegten Handlungen, die alles andere als gut für mich enden können.
-
So da sind wir :) Willkommen in Louis' kleinem Wohnmobil mitten im Wald. Macht es euch gemütlich.
Habt einen schönen Tag
Maybe x
[1168 Wörter]
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