💠Water💠
"Warum hast du mich nicht gerettet?", flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Das Nichts, welches ihn umgab brannte heller, als alles, was ihm bisher begegnete. Es schien ihn förmlich zu verschlucken, in sich aufzusaugen, ihn nie wieder loszulassen.
"Warum hast du mich nicht gerettet, Ji?", fragte ihn die Stimme in seinem Kopf erneut und projizierte eine Gestalt direkt in die Dunkelheit. Sie besaß keine feste Hülle, war nur Licht in dem Schatten. Sie besaß weder Gesicht noch Züge, die sie menschlich machten.
Und doch ließ sie den Blonden vor Entsetzen erzittern.
"Das ist nicht echt, das ist nicht wahr!", murmelte Jisung, drehte sich zur Seite, um die Flucht zu ergreifen. Der Geist war schneller. Binnen eines Wimpernschlages stand er vor ihm. Schimmrige, beinahe durchsichtige Hände platzierten sich um seinen Hals. Jisung schluckte, versuchte Abstand zu gewinnen, aber es gab kein Entrinnen. Seine Schluchzer hallten durch die Nacht, diese Finsternis, welche langsam Form annahm. Acht Augen blinzelten ihn zuerst an, dann sechszehn, bis drei Monsterspinnen aus dem Schatten traten, die Münder lechzend nach Blut, zu irren Grinsen verzogen. Der Eiter tropfte auf das Nichts und fraß sich durch ihn hindurch.
"Sag mir, Han Jisung, warum hast du mich nicht gerettet?"
Der Blonde wollte es sich nicht eingestehen, nicht einmal daran denken, was an jenem verfluchten Tag geschah. Er blickte in das Gesicht des Peinigers, dessen Hände, oder was auch immer davon übrig war und stieß einen Schrei aus. Das Gesicht verformte sich, wurde aufgedunsen, während sich die Haut von weiß zu blau verfärbte. Es war eine wirre Konstruktion, wo kein Ende zum Anfang oder zur Mitte passte.
"Das hast du mir angetan. Das ist deine Schuld."
Jisungs Sicht begann zu schwinden, obwohl er schreien wollte.
Ein letztes Mal starrte er in das Gesicht seiner größten Sünde.
Und dann saß er hyperventilierend in seinem Bett, um nach seiner Fassung zu ringen, damit keiner seiner Mitbewohner wach wurde. Sein Herz machte den Lautstärkern in einem Club wahrlich Konkurrenz, während er seinen Puls und die Atmung versuchte unter Kontrolle zu bringen. Es war weder leicht noch angenehm. Ihn drohte dieses Gefühl der Angst zu ersticken. Jedes Mal blinzelte er und erblickte das formlose Gesicht seines größten Fehltrittes. Jisung war nicht gläubig und doch hatte er das Gefühl dieser Traum sollte ihm etwas sagen. Nur was? Er schüttelte den Kopf, damit er frei wurde. Auf leisen Sohlen schlich er durch das Zimmer. Er brauchte frische Luft.
"Ji? Wo willst du hin?"
Gaya flog wackelig auf ihn zu, müde von dem plötzlichen Geräusch, welches der Blonde produzierte. Sie rieb sich die Augen.
"Geh wieder ins Bett. Ich muss an die Luft."
Vielleicht lag es an seiner zittrigen Stimme oder an ihrer Müdigkeit, jedenfalls ließ sie ihn gewähren. Er nickte dankbar und huschte hinaus. Der Gang leuchtete in seiner Einfachheit und das beruhigte seine Gedankenwelt. Er war nie der Typ für gesunde Nächte oder erholsamen Schlaf. So weit er sich erinnern konnte, traten stets irgendwelche Probleme, Gedanken oder Monster in seinem Kopf auf, die ihn nie gut schlafen ließen. Er musste an diese eine bestimmte Nacht zurückdenken, als er mitten im Wald erwachte. Da war diese Stimme in seinem Kopf, die ihm unbekannt und doch vertraut wirkte. So, als kenne er sie. Sie säuselte und sang ein Lied, welches er noch heute manchmal in seinen Alpträumen hörte, gesungen von Menschen ohne Gesichtern, Monstern mit riesigen Zähnen oder Geistern mit aufgedunsendem Körper. Oftmals verfolgte ihn dieses Lied, bis in sein Wachsein mit hinein und er ertappte sich, wie er es summte.
Ein Knacken hinter sich ließ ihn herumfahren. Er merkte, dass er gar nicht wusste, wo er sich befand. Diese Räume und Gänge wirkten alt, uralt, als hätte man sie Jahrhunderte lang nicht mehr genutzt ud Jisung fragte sich, wie er hierher gekommen war. Der Teil des Gebäudes war ebenfalls beleuchtet, jedoch sah man, dass sich die Spinnen an den Ecken der Wände, die Mäuse, und anderes Getier ein Reich erbaut hatten, welches selten von anderen betreten wurde. Zu seiner Linken befand sich eine Tür. Dahinter erstrahlte ebenfalls ein Licht. Gedimmter als der Rest. Die Versuchung war zu groß, um nicht hinein zu gehen. Also raufte sich Jisung zusammen, atmete mehrfach tief durch und trat durch die Flügeltür, dessen Quietschen wahrscheinlich die ganze Nachbarschaft weckte. Wie zu erwarten, war es eins dieser Becken zum Schwimmen, nur, dass das Becken wesentlich dreckiger wirkte, als es normalerweise sein sollte. Obwohl man selbst das nicht sagen konnte. Dreck war es nicht, nur was war es dann? Algen? Jisung schüttelte den Kopf. Niemals. Keine Sirene, Meerjungfrauen oder Meermann würde ein Pool dermaßen verdrecken lassen.
Nein, das war etwas anderes.
Jisung verspürte einen Luftzug hinter sich, bis eine Stimme durch den Raum hallte, dessen Tonlage ihm Gänsehaut bescherte.
"Leb wohl, Han Jisung."
Der Blonde wirbelte herum, da merkte er schon, dass er zu langsam war. Die Hand, welche gegen seine Brust drückte, flammte eiskalt auf, als sein Gleichgewicht zu kippen drohte. Er spürte die Fassungslosigkeit in seinem Blick, spürte den Schock, als sein Verstand realisierte, was geschehen würde. Langsam, wie in Zeitlupe segelte er durch die Luft. Doch das schockierendste war, dass Gesicht der Person, die ihm den Stoß verpasst hatte. Sie besaß keines.
Diese Erkenntnis ließ ihn, trotz seiner Situation, erschaudern. Es erinnerte ihn an seinen Traum, der ihm zu verstehen gab, dass es einer Vorhersage glich.
Und dann stürzte er mit einem lauten Knall durch die Wasseroberfläche. Jisung tauchte wieder auf, tiefe, raue Schluchzer entgangen sich seiner Kehle, während er versuchte an der Luft zu bleiben, gegen das Gefühl des Nachuntenziehens anzukämpfen. In seinem Körper begann ein gewaltiger Druck zu leben, ihn zu plagen, zu foltern. Es war ein ewiges hin und her. Nach unten, nach oben, Luft einatmen, Luft verlieren. Nach unten, nach oben, Luft einatmen, Luft verlieren.
Sobald er wieder an die Oberfläche tauchte, japste er nach Luft, rang um jedes bisschen Sauerstoff. Dass Schwindelgefühl, welches ihn zu übermannen drohte, war übermächtig, nahm jedes noch so kleine Stückchen seines Geistes ein. Dieser undefinierbare Schmerz in seinem Brustkorb ließen ihn wieder auftauchen, er hustete und schluchzte. Die Tränen an seinen Wangen unterschieden sich nicht zu dem Nass des Wassers, in welchem er ertrank. Seine Lungen fingen Feuer, trotz dessen er umgeben war von Wasser. Punkte tanzten vor seinen Augen, schmälerten seinen Sicht.
"Hilfe!, krächzte er.
Doch er sah nichts außer Dunkelheit. Tiefschwarze Nacht, die ihn verschlucken wollte. Eine Stimme sprach zu ihm, die ihm fremd und unwirklich vorkam, während er tiefer und tiefer sank, näher zum Grund des Beckens, näher dem Tod.
Gib deine Tränen dem Ozean zurück, sang sie.
Du hast keinen Nutzen mehr für dafür.
Jisung öffnete den Mund zum Schrei, doch nichts drang hinaus, nur die Flüssigkeit erstickte ihn mit jedem Strampeln, mit jeder Bewegung, mit jedem Atemzug, den er vollführen wollte. Das Brennen wurde schlimmer, die Panik setzte ein und Jisung erkannte, dass er wieder zu leuchten begann. Selbst dieses Geschehnis milderte nicht die Tatsache, dass diese Situation aussichtslos war. Sein Innerstes riet ihm weiter zu kämpfen, nicht aufzugeben, dem Wasser nicht die Chance zu bieten, dass es ihn ertränkte, aber die Müdigkeit, welche durch seine Bewegungen einsetzte, war so überraschend, so einfühlsam. Sie rief ihn. Schwarze Punkte tanzten rings um seim Bewusstsein. Funken. Sie glitzerten wie die Abendsonne. Er war sich im Klaren, wenn er aufhörte sich zu wehren, schien sein Leben vorbei zu sein. Er würde zu der Schwärze werden, vor der er sich so fürchtete. Erinnerungen loderten in seinem Kopf auf. Erinnerungen an ihn. Der, dessen Leben er zerstört hatte. Und er wandte sich unter Schmerzen, wollte alles nur vergessen, sich vergessen, einfach alles.
Vielleicht schien der Tod, der einzige Ausweg.
Er sank noch immer, blickte durch seine trägen Augen in den Himmel, zumindest da, wo er ihn vermutete. Das konnte nicht das Ende sein, er hatte ihm etwas versprochen.
Er hatte sich etwas versprochen.
Jetzt merkte der Blonde erst, wie bescheuert es war, niemanden von seinem Geheimnis zu erzählen. Von dem Geheimnis, vor dessen Aussprache er sich ängstigte. Nämlich, dass er diese eine bestimmte Sache nicht konnte, was andere schon im Alter von fünf Jahren lernten.
Han Jisung konnte nicht schwimmen.
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Dam dam daaaaaaaaaam!
Cliffhanger!
Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen! Weiter geht's und ich merke langsam, dass Jisung irgendwie kein Glück hat. Vielleicht ändert sich das noch, wir werden es sehen!
Wie fandet Ihr das Kapitel? Was hat es wich gezeigt?
Feel free to comment!
Erin🌸
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