💠Training💠
Jisung erwachte schreiend aus dem Watteland. Es war mittlerweile der dritte Tag, an dem er kreischend und aufrecht im Bett saß. Diese Alpträume würden ihn irgendwann noch um den Verstand bringen.
"Alles okay?", hörte er eine leise, weibliche Stimme, die wohlig in seinen Ohren klingelte. Der Blonde wandte den Blick zur Seite und entdeckte eine schwarzhaarige Schönheit. Sie glich beinahe Schneewittchen. Ihr Haar glänzte wie Ebenholz, der Teint glitzerte weiß wie Schnee und ihre Lippen erstrahlten in einem intensiven Rotton, dass Jisung meinte, dies sei Lippenstift.
"Oh...ähm...klar. Tut mir leid, falls ich dich geweckt habe."
Er kratzte sich am Hinterkopf und versuchte die Röte auf seinen Wangen niederzukämpfen.
"Hast du nicht, ich wurde erst in der Nacht hergebracht."
Jisung nickte verstehend und begann zu überlegen, warum sie hier war. Und dann fiel ihm der Gibs an ihrem Bein auf, der einen voluminösen Klumpen bildete. Er hatte Lust zu fragen, wie das geschehen war, doch die Müdigkeit plagte ihn wie eine Horde Bienen, die ihre Königin verloren hatte. Stets und ständig brummte und summte es in seinem Kopf. Dass er mittlerweile den dritten Tag, seit seinem beinahe Tod, auf dieser Krankenstation verbrachte, störte ihn. Er verlor langsam den Verstand. Zum Glück besuchten ihn Gaya, Jeongin, Seungmin und Felix alle paar Stunden, um ihn auf den neusten Stand zu bringen, was dem Blonden erfreute, denn diese Isolation machte ihm mehr zu schaffen, als er es zeigte. Zu allem Überfluss konnte er sich auch an nichts erinnern. Das letzte, was sein Verstand irgendwie wahrgenommen hatte, war eine Berührung an seiner Hand. Danach schien es so, als hätte jemand sein Gedächtnis gelöscht. Natürlich war das nicht passiert. Sein behandelner Arzt, der wohlgemerkt einer Sahneschnitte glich, welcher Minho Konkurrenz machen könnte, klärte ihn auf. Es sei normal, dass man sich an traumatische Erlebnisse nach einem Unfall nicht mehr erinnerte. Zumindest nicht sofort. Und darüber war Jisung erleichtert, denn, so sehr es ihn auch interessierte, wer ihn gerettet hatte, so reichten ihm seine normalen Alpträume aus, wenn er jetzt noch erneut mit diesem Geschehnis konfrontiert werde würde, dann wusste Jisung, dass er reif für einen psychiatrische Klinik war.
Eine weitere Sache, die an ihm nagte, war das Telefongespräch mit seinen Eltern. Man musste nicht sagen, dass es holprig endete, nein, es endete in einer Katastrophe, sodass Jisung letzten Endes Beruhigungsmittel brauchte, um nicht vollends das Bewusstsein zu verlieren. Denn seine Eltern wollte ihn, aufgrund der Ereignisse der letzten Tage von dem Internat nehmen und wieder zu sich holen. Daraufhin hatte der Blonden angefangen zu diskutieren. Wenn sie ihn hier schon herschickten, dann würde er das hier jetzt auch durchziehen. Es gab gewisse Dinge, die er herausfinden musste, wenn seine Eltern es ihm schon nichts von selbst erzählten. Unter diese Kategorie fiel nämlich ihre Aussage, dass sie überhaupt keine Ahnung hatte, woher diese magischen Kräfte kamen. In diesem Moment hatte der Blonde nur lautstark geschnaubt und sich geäußert, dass er ihnen kein Wort glaubte. Die Höhe der ganzen Sache äußerte sich in ihrer Anschuldigung, dass Jisung ihnen nie erzählt habe, er könne nicht schwimmen. Da kippte die Stimmung endgültig. Da konnte der Blonde nicht mehr an sich halten und wurde laut. Es war ganz sicher nicht seine Schuld, wenn seine Eltern sich nicht kümmerten ihm einen Sghwimmlehrer zu organisieren. Aber nein, Frau und Herr Han hatten wichtigeres zu tun. Nämlich die Arbeit. Letztendlich legte Jisung auf, ohne sich zu entschuldigen oder 'Auf Wiedersehen' zu sagen und seitdem ignorierte er ihre Versuche ihn zu erreichen.
Seufzend ließ er sich auf sein Bett zurückfallen. Diese ganze innerliche Aufregung bereitete ihm Kopfschmerzen.
"Lust auf ne Runde Uno?", fragte Jisoo ihn unvermittelt, wodurch er aus seinen Gedanken aufschreckte. Er nickte und glitt aus dem Bett, um mit der Sirene Karten zu spielen. Nach endlosen Runden, in denen der Blonde siebzig Prozent der Spiele verlor, starrte ihn die Schwarzhaarige an.
"Du kämpfst einen inneren Kampf", stellte sie fest. Kurz blickte der Blonde zur Decke, dann zu Jisoo, welche ihr gesundes Bein angewinkelt hatte, um ihr Kinn darauf zu platzieren. Er nickte. Er kämpfte in den letzten Jahren dutzende Kämpfe, Kämpfe, die keinen Sinn ergaben, Kämpfe, die er nicht gewinnen konnte.
Und langsam verlor er die Energie.
"Das Leben wirft dich manchmal herum, als wärst du eine Marionette, ihre Marionette. Es macht dir Angst, es verprügelt dich und es ist ätzend und anstrengend und grauenvoll. Aber es gibt einen Tag, an dem du merken wirst, dass du kein Überlebender bist, sondern ein Kämpfer. Du bist stärker, als alles andere. Du kannst den dunkelsten, gigantischsten und furchteinflößendsten Wellen trotzen. Du bist stärker."
Jisung hatte das Gefühl, dass Jisoo von sich sprach, dass sie gelitten hatte und wieder aufgestanden war, dass sie nicht aufgegeben hatte.
Und das spendete ihm Kraft.
Am gleichen Tag durfte Jisung die Krankenstation verlassen, was ihm nicht gerade leicht fiel, denn irgendwie fand er gefallen daran mit Jisoo Uno zu spielen. Er müsste das mit Gaya versuchen.
Der Blonde war gerade auf den Weg in die Cafeteria, da stolperte er in jemanden hinein. Mittlerweile konnte er diesen breiten, starken Brustkorb von alleine erkennen, ohne nach oben zu schauen.
Lee Minho.
Sie hatten einander seit der Party nicht mehr gesehen, und bis heute hatte sich Jisung nicht bedankt für seine Rettung gegen die Spinnen.
"Du wurdest entlassen", stellte der Braunhaarige fest und verschränkte die Arme vor der Brust, was Jisung sofort in Alarmbereitschaft versetzte. Ehe der Blonde jedoch die Flucht ergreifen konnte, griff die Sirene seinen Oberarm und zerrte Ihn mit sich. Die wenigen Schüler auf dem Gang verfolgten das Geschehnis neugierig. Jisung indes war von der Sanftheit, welche von dem Älteren ausging, überrascht. Zwar war seine Hand eiskalt, doch sie schloss sich leicht, beinahe behutsam, um seinen Arm. Aus irgendeinem Grund begann Jisungs Herz wie wild zu Klopfen, und er wusste, dass es nicht durch Angst und Aufregung geschah.
"Wohin führst du mich?", wollte Jisung wissen und blickte sich aufmerksam um. Da er in diesen Gängen noch nie war, hatte er das Gefühl, das Schloss vermochte seine Weg und Treppen stets zu ändern, um unerwünschte Gäste fernzuhalten.
"Sei still", äußerte sich Minho murrend.
Jisung steckte ihm die Zunge raus, da die Laune der Sirene wieder bestens zu seien schien. Als wäre er gerade aus einem Regenbogen hervorgesprungen, um das Glück der Welt zu verkünden. Diese Sanftheit von gerade eben war wie weggespült.
"Das habe ich gesehen."
Jisung verdrehte die Augen.
"Das auch."
Der Blonde verschränkte die Arme vor der Brust, damit er seinen Körper nicht weiter dazu animierte, Minho zur Weißglut zu treiben. Obwohl es ziemlich amüsant wäre. Doch Jisung wusste, danach würde er höchstwahrscheinlich nur noch ein Eisklotz sein, dem nicht zu halfen war.
Ihr Weg führte sie weiter durch die verschiedensten Gänge, wobei er das Gefühl hatte, nie wieder zu seinem Zimmer zu gelangen würde.
Nach gefühlten Stunden traten sie vor eine Tür, die einer Kellertür glich, obgleich sie der Tür von Harry Potter unter Treppe viel mehr ähnelte. Minho schloss sie auf, wodurch ein Schwall warmer Luft in sein Gesicht geweht wurde. Der Geruch, welcher verströmte, ließ ihn zu einer Salzsäule erstarren. Chlorwasser. Binnen zwei Sekunden übermannten ihn Erinnerungen aus dem Becken. Diese dunkle Masse, die gesichtslose Person, die Kälte, welche ihn durchzogen hatte. Minho schien sein Unbehagen zu merken, griff nach seiner Hand und lotste ihn wie das Schiff eines Seefahrers, in das Innere des kleinen Raumes. Nur war dieser keineswegs klein, dahinter erstreckte sich eine riesige Kapelle, Buntglasfenster türmten sich vom Fußboden bis an sie Decke. Die Wände wurden in Grüntönen gehalten, um es angenehmer darzustellen. Filigrane Malereien von Sirenen und Meerjungfrauen befanden sich an den Wänden.
Kleine Bänke standen an den Rändern.
Und in der Mitte ein gigantischer, dampfender Pool.
Jisung erstarrte bei dem Anblick.
"Was soll ich hier?", keuchte er und prallte an die Wand zurück.
Minho trat zum Becken und setzte sich an den Rand. Trotz dessen er gern zu der Sirene treten würden, hielt er gebührend Abstand zum Becken.
"Hast du schon einmal von systematischer Desensibilisierung gehört?"
Der Blonde nickte stumm, da er noch immer die Eindrücke, welche auf ihn nieder prasselten zu verstehen versuchte. Kleine Lichtblitze tanzten vor seinen Augen. Tanzten wild durcheinander. Hier ein Bild, da ein Bild. Er konnte bei der Fülle an Informationen gar nicht atmen. Minho sprang in seinen Kopf, zerrte ihm aus dem Wasser. Und dann war dieser Moment verschwunden und Jisung fragte sich, ob er echt war.
"Unter der systematischen Desensibilisierung versteht man eine Therapiemethode aus dem Bereich der Verhaltenstherapie. Es wird häufig bei Angststörungen eingesetzt und hat die Konfrontation mit angstauslösenden Themen zum Gegenstand. Sie sieht jedoch, anders als die Reizüberflutung, ein schrittweises Vorgehen vor."
Jisung legte den Kopf schief und brachte, nachdem er sich besonnen hatte, wo er sich gerade befand, Abstand zwischen sich und dem Wasser. Noch immer schrie dieser Fluchtinstinkt in seinem Inneren. Er wollte nur weg von hier, doch irgendwas hinderte ihn. Vielleicht die Tatsache, dass Minho nett zu ihm war, oder dass er versuchte ihm zu helfen, wenn es das war, was der Braunhaarige mit seinem Vortrag vermitteln wollte.
"Kurz gesagt: Ich werde dir zeigen, wie man schwimmt."
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Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen! Jisung und Minho haben ihren ersten Moment allein!
Was haltet Ihr von Minhos Angebot mit dem Schwimmen?
Jisoo
Feel free to comment!
Erin🌸
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