💠Savior💠
"Warum müssen wir immer Nachtwache schieben, während der Rest in ihren warmen Betten schlummern kann?", hörte er Hyunjin neben sich grummeln. Minho verdrehte die Augen. Der Schwarzhaarige war ein großgewachsener, junger Mann, der aussah wie Anfang Zwanzig, um mit seiner ausgeprägten maskulinen Kinnpartie nach allen geltenden Schönheitsidealen nur als äußerst attraktiv bezeichnet werden zu können. Dass er aussah, wie Zwanzig, stand mit seinem Dasein als Sirene in Verbindung, denn wenn man auf qualvolle Weise zum Tode verurteilt wurde, blieb der Betroffene in der Zeit stehen, wo er starb. Weswegen all die Schüler an dieser Schule so unsagbar jung wirkten, obwohl einige Jahrhunderte alt waren. Mal abgesehen von den Meerjungfrauen, die letztendlich geboren wurden, bis die Wesen an ihrem vierundzwanzigsten Lebensjahr aufhörten zu altern. Der Auslöser dieser Zahl war niemandem bekannt.
"Du bist nur genervt, weil du deinen heißgeliebten Schönheitsschlaf nicht bekommst", sagte Changbin lachend und klopfte dem Schwarzhaarigen auf die Schulter. Eine Geste, die der Jüngere abwimmelte. Der Kleinste in ihrer Gruppe, war jedoch auch der Stärkste. Er verband dieses gewisse Angsteinstflößende mit einer undurchdringlichen Erhabenheit am Leben zu sein, sodass er stets offen für alles war, wenn einem die Welt zu Kopf stieg.
"Könntet ihr vielleicht ein bisschen leiser sein? Wir sollen arbeiten und nicht die Schülerschaft wecken", klinkte sich Chan mit ein und versuchte mit seiner Ernsthaftigkeit die Situation zu übernehmen. Chan war schon immer so. Das Leben liebte die Ironie und der Australier war keine Aussage. Trotz seiner Größe und Kraft war er ein nachdenkliches Wesen von einer Sirene, ein brillanter Verstand im Körper eines Footballspielers. Er vereinte gewissenhafte Präzision mit nahezu unendlicher Geduld. Für den Ältesten in ihrer Gruppe war er auch der Weiseste. Und Minho war froh, dass er diese Rolle nicht aufgebürdet bekam.
Er würde ein schlechtes Vorbild abgeben, da war er sich sicher.
Minho hielt inne, seine Ohren zuckten. Er blickte in die Augen der anderen. Chan war der Erste, der reagierte. Der Rest folgte. Minho konnte die Stimme, welche gerade 'Hilfe' gerufen hatte unter Tausenden erkennen. Und er verfluchte sich innerlich dafür. Ihre Schritte hallten gedämmt, aufgrund des Teppich, durch den Flur, während sich der Braunhaarige fragte, was Han Jisung schon wieder mitten in der Nacht im Schulgebäude trieb. Die Tatsache, dass er nicht einmal versuchte, sich an seine Aussage zu halten, brachte ihn förmlich zur Weißglut. Trotz seiner Eismagie tobte ein immerwährendes Feuer in ihm. Und am liebsten würde er dem Menschen den Hals umdrehen. Doch das würde Chan zu verhindern wissen. Genau wie die anderen beiden. Vielleicht sollte er wirklich versuchen den Blonden zu Tode zu erschrecken, sodass er seine Lektion lernte. Minho wurde aus seinen Gedanken gerissen, als der Älteste unter ihnen durch die geflügelte Tür brach, und sie beinahe aus den Angeln riss. Das Erste, was der Sirene auffiel, war die Stille. Das Zweite, dass das Licht in diesem Teil des Gebäudes erstrahlte. Normalerweise gehörte das nicht dazu. Dieser Raum wurde schon seit Jahren nicht mehr genutzt, obwohl sich Minho noch ganz genau an den Schwimmumterricht erinnern konnte. Und er kannte das Gebäude in- und auswendig.
Ihm kam die Galle hoch, als er die schwarze Masse sah, die Teer glich, anstatt dem Chlorwasser.
"Irgendwas stimmt nicht", murmelte Hyunjin.
Der Geruch, welcher in die Luft strömte, stank bestialisch. Das war keineswegs normal. Minho schüttelte den Kopf und riss sich zusammen. Von hier kam der Hilferuf, demzufolge.....in Minho machte es klick.
Ohne darüber nachzudenken, streifte sich der Braunhaarige sein Shirt vom Kopf und glitt durch die Oberfläche, als hätte er sowas schon Millionen von Malen gemacht. Er verspürte das altbekannte Summen, die Rufe der Finsternis, welche ihn schon Jahrhunderte begleiteten, die ihn stets daran erinnerten, dass er noch eine Aufgabe zu erledigen hatte, noch immer seine Rache vollenden musste. Das Knacken seiner Knochen hallte durch diese zähflüssige Masse, durch ihn hindurch. Es war das Wiedersehen eines alten Feindes. Minho hatte vor langer Zeit mit seinem Dasein abgeschlossen. Doch er wollte nie zu so 'Etwas' werden, selbst sterben war ihm vergönnt, also mied er diese Form weitestgehend, um nicht an das Leid und den Schmerz, welcher jedesmal damit einherging, erinnert zu werden. Die Tatsache, dass er gerade einen fremden Jungen, der dazu auch noch ein Mensch war, rettete, erschien ihm jetzt, wo er durch den Teer schwomm, trivial. Das war sonst nicht seine Art. Minho schnitt eine Grimasse. Darüber würde er sich später Gedanken machen.
Er zog die Arme an und dort, wo bis gerade eben noch seine Beine waren, befand sich nun eine schillerndene, schwarz-grüne Flosse, die es ihm ermöglichte, binnen weniger Schläge am Grund des Beckens zu sein.
"Er atmet nicht", stellte Changbin fest. Minho verdrehte die Augen, das hatte er auch bemerkt. Die Frage war nun, was sollten Sie machen? Innerlich wusste der Braunhaarige das natürlich. Die Einzige Möglichkeit war zu versuchen den Blonden von Mund zu beatmen. Und dieser Gedanke rauschte, wie eine Achterbahn durch seinen Kopf. Er war sich sicher, Chan würde diese Aufgabe übernehmen, doch eine klitzekleine, leise Stimme in seinem Kopf forderte ihn an, es selbst zu tun. Ehe er sich versah, streckte er den Kopf des Menschen nach hinten durch, legte beide Hände über einander auf das Brustbein des Liegenden und begann zu pumpen. Minho konnte sich nicht erinnern, wann er diese Methode das letzte Mal angewendet hatte, es musste Jahrzehnte her gewesen sein. Die Anstrengung machte sich bemerkbar und er atmete schneller, bis er ein unangenehmes Knacken vernahm.
"Du hast ihm zwei Rippen gebrochen", ertönte Changbins Stimme und am liebsten hätte er der Sirene eine verpasst. Zum Glück stieß ihn Chan in die Rippen und äußerte sich, dass dies keine hilfreiche Information war. Stumm nickte Minho, wohingegen er nach dem dreißigsten Pumpen, sich dem Gesicht des Jungen zu wandte. Auf verquere Weise fand er den Blonden, trotz der Situation, attraktiv. Und er fand, dass er der Sonne glich. So strahlend und warm. Minho dachte an den Moment zurück, wo er den Verletzen am Boden schweben sah. Leuchtend wie eine Glühwürmchen in der dunkelsten Nacht, die es gab. Die Sirene entsan sich seiner Situation und legte seine Hand auf die Stirn des Blonden. Sie war eiskalt, als würde man in Badesachen in einen Kühlraum stehen. Diese Kälte strömte durch Minho selbst hindurch. Mit seinen Fingern hielt er die Nase zu und öffnete mit seiner rechten Hand den Mund. Er versuchte nicht an die Lippen des Menschen zu denken, dessen er gleich berühren würden, sondern konzentrierte sich allein auf seine Atmung. Er holte tief Luft und förderte seine Atemluft in den Mund des Liegenden. Das Prickeln auf seinen Lippen, nachdem er die Mund zu Mund Beatmung beendet hatte, ignorierte er, auch wenn dies kein leichtes Unterfangen war.
Bevor Minho seine Prozedur wiederholen konnte, verspürte er ein Schwall warmes Wasser in seinem Gesicht. Im ersten Moment durchflutete den Braunhaarigen Verwirrung, bis er verstand, dass Jisung hustend und röchelnd nach Luft schnappte. Das Klopfen von Chan auf seiner Schulter ließ ihn wieder ins Hier und Jetzt zurückkehren.
Der Mensch lebte.
"Ich muss meine Eltern anrufen", murmelte er plötzlich und starrte ihn an. Minho hatte das Gefühl, er sehe in seine Seele. In dieses tiefe, dunkle Loch, welcher er stets verschlossen hielt.
"Du musst auf unsere Krankenstation", entgegnete Chan.
Als hätte der Blonde erst jetzt realisiert, dass er nicht alleine war, riss er die Augen auf. Minho zuckte innerlich zusammen. Diese Augen, diese furchtbar, verängstigten, traurigen Augen würden ihn auf Ewig verfolgen.
"Ich muss telefonieren", murmelte ihr Gegenüber wieder, stemmte sich von seiner sitzenden Position in die Hocke, um sich anschließend auf seine Füße zu kämpfen. Minho, Changbin und Chan beobachtete seine Versuche skeptisch.
"Du solltest sitzen oder liegen bleiben, Kleiner", mahnte Changbin und trat näher an den Menschen heran, die Hand ausgestreckt. Dieser zuckte unweigerlich zusammen. Die Panik, die Angst, welche von ihm ausging, strömte durch den Raum, benebelte für eine Sekunde Minhos Geist, weswegen er den Kopf schüttelte.
"Komm mir nicht zu nahe!", kreischte er, sodass es in den Ohren der Sirenen klingelte. Minho konnte nicht schnell genug reagieren, da stolperte der Blonde über seine Füße und landete wieder auf dem Boden.
"Autsch", hörten sie ihn flüstern.
Das kaum merkliche Zittern, das von ihm ausging, stimmte den Braunhaarigen grüblerisch.
"Changbin, hol seine Freunde. Er würde sich von uns nicht helfen lassen", verlautete Chan nachdenklich. Minho nickte im Stillen. Dann drehte er sich um und suchte nach einem Handtuch, während der Schwarzhaarige den Raum verließ. Behutsam, ohne den Blonden aus seiner Trance zu werfen, näherte er sich dem Menschen. Seine Blässe war beängstigend und wirkte auf ihn keineswegs gesund.
Wo blieb Hyunjin mit der Krankenschwester?
Jisung hielt seinen Kopf weiterhin in seine Richtung gelenkt. Er drohte zur Seite zu kippen, wäre Minho nicht noch schnell genug zu ihm gerutscht, um ihn aufzufangen. Und ehe seine Augen sich nach hinten drehten und er das Bewusstsein verlor, was Minho irgendwie erschreckte, verlautete er mit voller Gewissheit:
"Weißt du, ich glaube, ich bin ein Monster."
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Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen! Dieses Kapitel hat mich lange aufgehalten. Ich glaube, fast eine Woche hing ich dran! Aber hey, wir hatten ein wenig Minsung Action xd
Fun Fact: Ich habe mir ein Video zur Herzdruckmassage angesehen, um es authentisch rüberbringen zu können, ich hoffe, es ist einigermaßen gelungen.
Bang Chan
Seo Changbin
Lee Minho
Oben sieht man Hyunjin
Feel free to comment!
Erin🌸
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