14. Kapitel

Treu bis in den Tod sind nur Dummköpfe. Die Treue hat ihre Grenze im Verstand.

Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord

Vito war die größte Stadt, die Javet je gesehen hatte. Eher gesagt die einzige richtige Stadt, in der er überhaupt gewesen war. Mittlerweile bezweifelte er, dass Hölle überhaupt so etwas wie eine Stadt war. Vielleicht hatte sie früher, zur Zeit der Alten, in aller Pracht gestrahlt, aber im Vergleich zu Vito war sie eine Ruine. Hier hatten fast alle Häuser mehrere Stockwerke und auf den Straßen wimmelte es nur so vor Menschen. Kuimba hatte Moto befohlen, den Wagen in einem rechteckigen Gebäude unterzubringen und war selbst mit Javet und Annie als Begleitung zum Haus des Stadthalters gegangen.

Die Männer, die vor den hohen Türen Wache standen, schienen den Barden zu kennen, denn sie nickten ihm nur höflich zu und ließen ihn passieren. Javet kam nicht umhin, die wenig zufriedenen Blicke zu bemerken, die sie Annie zu warfen, aber er wagte es nicht, etwas zu sagen.

»Kuimba, der berühmte Barde und Sänger, und seine Begleiter!«, ertönte die dröhnende Stimme des Ausrufers, als sie den Festsaal betraten. Unzählige Menschen, vor allem Adlige in prächtigen Gewändern und mit Schmuck behängt, tanzten auf einer freien Fläche oder unterhielten sich. Einige saßen auch einfach an den mit Speisen bedeckten Tischen und stopften allerlei Kostbarkeiten in sich hinein. Keiner schien sie zu beachten, während sie sich in Richtung der Tribüne bewegten, auf der ein Mann und zwei Frauen – die eine jung, die andere etwas älter – thronten.

Vor den Treppenstufen verbeugte Kuimba sich tief und Javet und Annie taten es ihm schnell nach. »Stadthalter Kiburi«, sagte der Barde, als er sich wieder aufrichtete. »Ein wunderbares Fest habt Ihr da organisiert.«

»Du bist zu spät«, entgegnete der Mann streng.

»Ich entschuldige mich vielmals.« Kuimba verbeugte sich erneut. »Aber jetzt bin ich da.«

»Zusammen mit einem Bleichgesicht und einem...« Der Stadthalter musterte Javet mit einem Blick, aus dem pure Verachtung sprach. »Wer ist das?«

»Mein Leibwächter«, erklärte der Barde grinsend.

Stadthalter Kiburi hob skeptisch die Augenbraue. »Verarsch mich nicht! Ist das dein unehelicher Sohn mit einer Hure?«

»Nein! Wo denkt Ihr hin!« Das Entsetzen in Kuimbas Stimme war nicht gespielt. »So tief würde ich nie sinken! Er ist wirklich mein Leibwächter. Mashimo, zeig ihm deinen Dolch.«

Javet holte die Waffe hervor und hielt sie so, dass der Stadthalter sie sehen konnte, bevor er sie wieder zurück steckte. Kiburi schnaubte nur und winkte beifällig mit der Hand. »Was auch immer, Kuimba. Geh zu den Musikern und mach deine Arbeit.«

»Mit Vergnügen!« Kuimba verbeugte sich ein letztes Mal und ging dann in Richtung einer kleinen Gruppe davon, die bereits ein fröhliches Lied angestimmt hatte. Im Gehen schnallte er sich die Gitarre vom Rücken und fing wieder an, an den Metallstücken zu drehen, während er über die Saiten strich. Kurz bevor er zu den Musikern auf die kleine Tribüne stieg, drehte er sich zu Javet um und zischte: »Bleib immer in meiner Nähe. Behalte den Adligen dort hinten im Auge.« Er nickte unauffällig in Richtung eines Mannes mit kahl geschorenem Kopf. Er trug eine Weste, die seine muskulösen Oberarme frei ließ. Javet schluckte.

»Wird er versuchen, Euch anzugreifen?«, fragte er im Flüsterton.

»Hoffentlich nicht«, sagte Kuimba nur und gesellte sich nun endgültig zu den Musikern. Sofort ergriff er die Initiative und wechselte zu einem anderen Lied, das er irgendwo zwischen Makali und Vito im Wagen komponiert hatte. Die anwesenden Adligen wirkten im ersten Moment verwundert, doch dann eilten immer mehr zur Tanzfläche.

Javet kämpfte mit dem Verlangen, Annie ebenfalls zu einem Tanz aufzufordern. Das Mädchen stand mit gesenktem Kopf neben ihm, um den Blicken der Adligen auszuweichen. Kurzerhand nahm er ihre Hand und glaubte, sein Herz würde gleich aus der Brust springen, als sie den Druck erwiderte. Wie versprochen hatten sie sich den restlichen Teil der Reise jeden Abend unterhalten. Er hatte herausgefunden, dass sie den Tag lieber mochte als die Nacht und dass sie gerne irgendein Haustier haben würde. Sie hatte Geschichten von Hunden gehört und wünschte sich einen, obwohl sie wusste, dass es praktisch unmöglich für sie war, einen zu kaufen.

Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er den Adligen, auf den er achten sollte, kurz aus den Augen verlor. Hastig ließ er seinen Blick über die Menge schweifen, bis er ihn entdeckte. Er unterdrückte einen leisen Fluch. Der Mann arbeitete sich mit entschlossenen Schritten und wütend blitzenden Augen zu den Musikern durch. Das wird bestimmt Ärger geben. Was hat Kuimba ihm bloß getan? Vorsichtshalber legte Javet eine Hand auf seinen Dolch und bedeutete Annie mit einer einfachen Geste, besser zur Seite zu gehen. Eine einfache Drohung sollte reichen, hat Kuimba gesagt. Aber der Mann sieht nicht so aus, als wäre er so leicht zu verängstigen.

»Kuimba, du Schwein!«, brüllte der Adlige schon von Weitem. Erst spielten die Musiker weiter, doch als weitere Beleidigungen folgten, starb die Musik. Alle Blicke richteten sich auf den Mann, der sich nun vor der Tribüne aufgebaut hatte. Nur Javet und zwei Stufen trennten ihn von dem Barden. Er hob den Arm und deutete anklagend mit dem Finger auf ihn. »Kuimba! Komm sofort runter und stelle dich meinen Fäusten!«

»Das ist alles ein Missverständnis!«, rief der Barde und lachte nervös. »Wer seid Ihr? Ich habe Euch noch nie im Leben gesehen? Seid Ihr ein Bewunderer meiner Lieder?«

»Hör auf mit diesem Geplänkel!«, donnerte der Mann. »Du weißt ganz genau, wer ich bin! Vor einem Monat warst du schonmal hier in Vito und hast meine Schwester verführt! Du hast ihr ihre Ehre genommen! Dafür wirst du jetzt büßen!«

»Ach, Ihr müsst Heshima sein! Es freut mich, Euch endlich kennenzulernen«, lachte Kuimba. »Ich erinnere mich, dass Eure Schwester viel von Euch erzählt...«

»Hör auf mit den Schmeicheleien!«, schnitt Heshima ihm das Wort ab. »Ihre Ehre wird nun mit Eurer Ehre bezahlt! Kommt hier runter! Auf der Stelle!«

»Genau genommen war nicht ich es, der ihre Ehre genommen hat«, entgegnete der Barde mit einem Hauch von Verzweiflung. Sein Hilfe suchender Blick heftete sich auf Javet.

Soll ich ihn jetzt verteidigen?, fragte er sich. Dieser Heshima hat doch noch gar nichts gemacht. Etwas verunsichert zog er trotzdem seinen Dolch und trat einen Schritt vor. Der Adlige war kurz verwirrt und lachte dann laut auf, wobei er sich auf die Schenkel schlug.

»Wer ist das denn, Kuimba?«, fragte er belustigt. »Dein missratener Sohn?«

Wer ist hier missraten?, dachte Javet wütend.

»Das ist mein Leibwächter«, sagte Kuimba grinsend und strich wie zur Unterstützung seiner Worte einmal über die Saiten seiner Gitarre. »Er hat es echt drauf! Pass auf, dass er dich nicht mit der vergifteten Klinge seines Dolches erwischt!«

Vergiftet? Sie ist doch gar nicht vergiftet!

»Ha!« Heshimas Lachen klang eher wie ein verächtliches Ausspucken. »Was interessieren mich vergiftete Dolche?« Im selben Moment zog er wie aus dem Nichts ein langes Schwert hervor, das er offenbar auf dem Rücken getragen hatte. Die Klinge blitzte im Schein der Kerzen kurz auf, bevor sie auf Javet zu schoss.

Oh Scheiße! Der Junge schmiss sich gerade noch rechtzeitig zur Seite und entging so dem unwiderruflichen Tod nur um Haaresbreite. Erschrocken schaute er zurück und sah, wie Heshima das Schwert wieder zurück steckte und nun stampfenden Schrittes die Stufen zur Tribüne hoch ging. Kuimba stieß einen wüsten Fluch aus und ergriff die Flucht, versteckte sich hinter den anderen Instrumenten. Die restlichen Musiker waren bereits in den Saal gerannt, doch für Kuimba war es zu spät. Anscheinend hatte Heshima einige Handlanger, die sich jetzt links und rechts der Tribüne postiert hatten und nicht zuließen, dass er fliehen konnte. Javet kam schwankend auf die Beine. Der Schreck saß immer noch tief in seinen Gliedern. Er schaute zum Stadthalter hinüber, hoffte, dass er diesem Wahnsinn Einhalt gebieten würde, aber Kiburi fand das alles offenbar nur amüsant. Er nippte an seinem Becher Wein und beobachtete die Szene mit einem ruhigen Blick.

»Mashimo!«, rief Kuimba nach Javet, eine leichte Panik in seiner Stimme. »Du bist mein Leibwächter! Mach was!«

»Dieser Leibwächter von dir hat anscheinend zu viel Schiss!«, spottete Heshima und fuhr fort, die Instrumente mit den Füßen von der Tribüne zu treten, um an den Barden ran zu kommen.

Was soll ich nur machen? Gehetzt blickte Javet sich um. Ich muss ihn beschützen. Immerhin bezahlt er mich dafür. Aber ich komme nicht gegen drei auf einmal an! Einer von ihnen hat auch noch ein Schwert, mit dem er mich beinahe getötet hätte! Aus dem Augenwinkel bemerkte er auf einmal, dass Annie nicht mehr dort war, wo er sie zurückgelassen hatte. Für einen Moment vergaß er, was er eigentlich machen wollte, und wandte den Kopf, auf der Suche nach ihr.

Dort! Wut brandete in ihm auf, als er sah, dass einer der Adligen sie an den Armen festhielt und dazu zu zwingen versuchte, sich auf seinen Schoß zu setzen. Annie wehrte sich, doch der Mann war einfach zu stark. Eine entsetzliche Angst stand in ihren Augen.

Kurzerhand warf Javet alle Vorsicht über Bord. Sein Blut schien zu kochen, als er sich vor dem Adligen aufbaute, der Annie belästigte. »Lass sie los!«, zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.

»Kümmere dich besser um deinen Herren«, versetzte der Mann. »Der scheint in größeren Schwierigkeiten zu sein.«

Hinter sich hörte Javet das Krachen eines weiteren Instruments, das von der Tribüne getreten wurde, und Kuimbas Hilfeschreie. Doch Javet drehte sich nicht um, sondern starrte nur die Hände des Adligen an, die nun über Annies Haare fuhren. Aus einem Reflex heraus packte er ihn am Unterarm, zog ihn vom Mädchen weg und stieß ihm die Faust ins Gesicht. Der Adlige schrie erschrocken auf und ließ Annie los, die sofort aufsprang und sich hinter Javet versteckte.

Ein ungläubiges Raunen ging durch die Menge der versammelten Leute. Niemand schien sich mehr für das zu interessieren, was auf der Tribüne vorging. Alle starrten Javet und Annie mit einer Mischung aus Überraschung, Entsetzen und Ekel an.

»Sie ist nur eine Sklavin, Junge! Was regst du dich so auf!«, brüllte der Adlige, dem er die Faust ins Gesicht geschlagen hatte.

»Sie ist nicht Eure Sklavin!«, zischte Javet. »Sondern die von Kuimba!«

»Nicht mehr!« Die Stimme des Barden erklang direkt hinter ihm. Javet drehte sich erschrocken um und blickte in Kuimbas Gesicht. Er blutete aus beiden Nasenlöchern und seine Unterlippe war aufgeplatzt. Ein Auge war gerade dabei, zuzuschwellen. »Du und sie! Ich habe dich gewarnt! Ich habe dir gesagt, was du tun sollst! Habe ich dich nicht die ganze Zeit über für genau so eine Situation bezahlt? Elender Mistkerl! Du hast mich vor ganz Vito bloß gestellt!«

»Ihr habt nicht gesagt, dass ich sterben könnte!«, entgegnete Javet wütend.

»Das tun Leibwächter nunmal!«, blaffte Kuimba und wischte sich einen Blutstreifen unter seiner Nase weg, was es nicht viel besser machte. »Mir reicht es! Ich hätte mir wirklich jemand besseren zulegen müssen!« Er streckte fordernd die Hand aus. »Dolch!«

Javet zögerte kurz. Was hat er vor?

»Hast du nicht gehört, was dein Herr dir gesagt hat, Junge?«, rief jemand aus der Menge, die immer noch um sie herum stand. »Gib ihm den Dolch!«

Javet zog die Waffe heraus und reichte sie mit dem Griff voran Kuimba. Blitzschnell schoss die Hand des Barden vor und umfasste sein Handgelenk. Mit der anderen nahm er den Dolch entgegen. »Du hast dich meinen Befehlen widersetzt! Ich brauche dich nicht mehr! Aber ich werde nicht zulassen, dass jemand dich nach mir anstellt ohne eine Ahnung zu haben, dass du das Leben eines Bleichgesichts höher schätzt als das deines Herrn!«

Bevor Javet noch recht begreifen konnte, was diese Worte bedeuteten, stieß Kuimba ihm die Spitze des Dolches in die Handfläche. Der Junge schrie vor Schmerz auf, als er mit der Klinge langsam vier Linien nachfuhr. Rotes Blut quoll hervor und tropfte auf den Boden. Erst, nachdem der Barde seine Arbeit erledigt hatte, ließ er Javet los. Dieser fuhr keuchend zurück, hielt sich die blutende Hand, in der nun ein leuchtend rotes ›W‹ prangte.

»Er hat ihn zu einem Wasaliti gemacht«, flüsterte jemand in der Menge. Die Stimme voller Fassungslosigkeit.

»Eine gerechte Bestrafung«, fand jemand anderes. »Wenn man schon für seine Arbeit bezahlt wird, sollte man sie auch machen.«

»Der Junge wäre gestorben! Heshima hätte nicht auf ihn losgehen dürfen!«

»Eigentlich schon. Wenn er den Jungen getötet hätte, wäre Kuimbas Fehler gebüßt worden.«

Er hat mich nur zu sich geholt, damit ich sterbe!, ging es Javet durch den Kopf. Damit dieser Adlige ihn in Ruhe lässt! Immer noch quoll Blut aus seiner Handfläche. Er schaute wütend zu Kuimba auf, doch bevor er etwas sagen konnte, warf der Barde ihm den Dolch vor die Füße.

»Ich habe dich als treulos markiert«, erklärte er. »Du wirst jetzt beträchtliche Schwierigkeiten haben, eine ehrliche Arbeit zu finden. Herzlichen Glückwunsch, Mashimo! Und jetzt geh mir aus den Augen! Zusammen mit deinem Mädchen! Ich brauche keinen von euch mehr! Allein euer Anblick macht mich unglaublich wütend!«

Javet bemerkte kaum, wie Annie seine unverletzte Hand nahm, den Dolch aufhob und ihn in Richtung des Ausgangs führte. Die Menschen wichen ihnen aus als hätten sie die Strahlenkrankheit. Hinter sich hörte er belustigtes Gelächter aufkommen. Als die Stimme des Stadthalters ertönte, der offenbar einen verächtlichen Kommentar abgab, applaudierten die Leute zustimmend.

»Zeig mir deine Hand«, sagte Annie, als sie draußen waren.

Javet gehorchte und versuchte, sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen, als sie mit ihren Fingern über die Wunden tastete. »Er wollte, dass ich sterbe«, presste er hervor, während das Mädchen mit dem Dolch ein Stück des Saums ihres Kleides abschnitt und es um seine Hand wickelte. »Wusstest du davon?«

Annie schüttelte den Kopf. »Normalerweise ist er nicht so. Es war das erste Mal, dass er sich einen Leibwächter geholt hat. Ich wusste nicht, was du zu erwarten hattest. Zwar fand ich es seltsam, dass er sich ausgerechnet dich ausgesucht hat – du bist weder kampferfahren noch hast du eine gefährlichere Waffe als diesen Dolch –, aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich wusste nicht, dass er mit Heshimas Schwester geschlafen hat. Obwohl ich es mir hätte denken können.«

Javet wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Als Heshima gesagt hatte, dass Kuimba die Ehre seiner Schwester genommen hatte, war er sich erst nicht sicher gewesen, was gemeint war. Aber jetzt ergab alles einen Sinn. Ich hätte meine Geschwister auch verteidigt, dachte er. Wenn sie noch leben würden... Aber wenn Heshimas Schwester freiwillig mit Kuimba das Lager geteilt hat? Sie hat doch das volle Recht dazu, selbst über sich und ihren Körper zu entscheiden. Er war verwirrt. Die Bräuche der Adligen im Ostland waren ihm etwas fremd. Marielle hatte ihm nicht viel davon erzählt.

»Warum hast du mir überhaupt geholfen?«, fragte Annie und zog den Knoten fest. »Ich bin nur eine Bleichgesicht-Sklavin.«

»Ich wollte nicht, dass er dir etwas antut«, sagte Javet und versuchte, ihr in die Augen zu blicken, aber sie wich seinem Blick aus. »Er hat dich auf diese Art angefasst... Ich bin einfach wütend geworden.«

»Und jetzt bist du ein Wasaliti«, meinte Annie seufzend. »Und ich habe keinen Herrn mehr. Wir sind auf der Straße, ohne Geld, ohne Arbeit. Weißt du, was das bedeutet?«

Erst jetzt fiel Javet ein, dass er den Großteil der Münzen, die Kuimba ihm bezahlt hatte, im Wagen gelassen hatte. Er hatte nur etwa zehn im Beutel an seinem Gürtel. Nicht genug. »Ich werde eine neue Arbeit finden und dich mit unterbringen«, beschloss er. »Vito ist eine große Stadt. Es findet sich bestimmt jemand, der...«

»Du verstehst nicht!«, unterbrach Annie ihn. Sie packte seine verletzte Hand am Gelenk und hielt sie hoch. »Das Zeichen, das Kuimba dir eingeritzt hat, ist das Zeichen der Wasaliti, der Treulosen! Sobald jemand es sieht, weiß derjenige, dass du deinen vorherigen Herrn verraten und betrogen hast! Niemand, absolut niemand, wird sich finden, der dir eine neue Arbeit gibt! Es gilt als Schande, einen Wasaliti anzustellen!«

»Was machen wir dann?«, fragte Javet ratlos.

»Ich weiß es nicht.« In Annies Augen sammelten sich glitzernde Tränen, die sie jedoch schnell weg blinzelte. »Du hättest mir nicht helfen dürfen. Ich hätte es schnell hinter mich gebracht und dann wäre vielleicht alles noch gut gewesen.«

»Sowas darfst du nicht sagen!«, rief Javet entsetzt und ergriff sie bei den Händen. »Niemand hat das Recht, sowas mit dir zu machen!«

Ein trauriges Lächeln legte sich auf ihre Lippen. »Du hast ein zu gutes Herz.« Sie löste den Griff seiner verletzten Hand und zog ihn an der anderen hinter sich her. »Komm, wir suchen uns erstmal einen geschützten Schlafplatz irgendwo im Armenviertel.«

Javet folgte ihr widerstandslos. Was jetzt? Ich habe praktisch das ganze Geld, das ich verdient habe, wieder verloren. Ich kann mir kein Pferd kaufen, um weiter nach Westen zu reiten. Und Annie mitzunehmen, fügte er schnell hinzu. Ich werde sie nicht alleine lassen. Ich muss eine Lösung finden. Und zwar möglichst schnell.

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