4. Kapitel

,,Pax...", flüsterte sie leise, ich spürte wie sie durch meine Haare fuhr.
Meine Frage hatte sie immer noch nicht beantwortet; Ich saß noch immer auf ihren Bett und wartete.
Dieses Schweigen war anders als sonst. Es war so vertraut...so wichtig...
Sonst hasste ich die Stille, aber auch, wenn Leute mich vollquatschten. Nur Lucy durfte das. Nur Lucy, sonst niemand. Lucy...
Ich biss auf meine Lippen. Musik war die Antwort. Musik kann mehr auslösen, mehr sagen, als Wörter alleine es je können. Musik war dafür geschaffen die Stille zu unterbrechen.
Es gab viele Arten Musik, jeder mochte eine andere Art. Oder gar nichts davon. Oder alle Arten. Ich liebte Musik...ohne Musik bin ich nichts.
Das Selbe habe ich mal von Lucy gedacht...Lucy...
Ich sollte es vergessen, hinter mich lassen.
Ich sollte es verstecken, es war so lange her.
So wie ich es die letzten Jahre getan habe.
Kalt sein, eiskalt.
Nichts und niemanden an mich lassen, an mein wirkliches Ich.
Alles in mir und um mir war in eine Farbe getaucht. Eine einzige Farbe. Schwarz...
Was schwarz für mich war?
Schwarz war für mich alles.
Meine Sicht.
Meine Mitschüler.
Mein Leben.
Einfach alles war schwarz.
Wenn ich nach oben sah; Schwarz.
Wenn ich nach unten sah; Schwarz.
Wenn ich zur Seite sah; Schwarz.
Egal wo ich hinsah, es war immer schwarz. Und daran änderte sich wohl nie was.
Mein Leben war einfach schwarz.
Dabei war schwarz doch nur eine Farbe, eine unschuldige Farbe.
Würde mich jemand fragen, welche Farbe meine Lieblingsfarbe wäre, so hätte ich schwarz gesagt. Eine andere Farbe kannte ich nicht mehr. Schon seit  drei Jahren.
Gewiss, vorher war meine Welt bunt gewesen, doch ich wusste es nicht zu schätzen.
Ich hätte nie gedacht, dass es so weit hätte kommen können.
Nie.
Wie viel hätte ich gegeben, um all die Jahre, die ich normal verbracht hatte, noch einmal erlebte;
Ich wollte die Sonne sehen.
Ich wollte andere Farben sehen.
Ich wollte Menschen sehen.
Ich wollte ein Mensch sein.
Doch nichts war für immer...
Irgendwann erloschen die Farben für immer. Und das ist bei jedem so. Nur eben nicht so früh wie bei mir...
Ausgerechnet ich.
Es war so ungerecht.
Ich durfte all das nicht sehen.
Ich durfte die Menschen nicht lachen sehen.
Ich durfte die ganzen Farben nicht sehen.
Ich durfte es nicht.
Nur schwarz.
,,Woran denkst du?", flüsterte das Mädchen neben mir leise, zog ihren Arm zurück zu sich.
,,An Farben, Ylva. An Farben, die ich nie sehen werde..."
Ich hörte, wie sie leise seufzte. ,,Ach, Pax... Warum nimmst du das so schwer? Du bist ein Mensch. Vielleicht siehst du die Farben nicht, vielleicht siehst du nichts. Aber du bist und bleibst eben ein Mensch"
,,Weißt du eigentlich, wie scheiße es ist, wenn man nur eine Farbe sieht? Tag aus, Tag ein. Immer das Selbe. Nie Licht. Nie die Sonne. Einfach nichts. Nur diese Schwärze. Verstehst du nicht? Es ist einfach nur eine Farbe. Einfach nur schwarz", rief ich beinahe wütend und ballte meine Hände zusammen.
Ich spürte, wie sie ihre Hände um meine legte, und mir näher kam. Ihr Atem löste eine Gänsehaut auf meiner Haut aus.
,,Schwarz ist keine Farbe, Pax."
Dann stand sie auf, und verschwand einfach aus den Raum.
Verwirrt saß ich auf dem Bett, dachte über ihren Satz nach.
Oh ja, sie hatte recht.
Schwarz war eigentlich gar keine Farbe.
Was aber war schwarz dann?
Schwarz...
Nichts...
Ich war nichts...
All meine Gedanken, all meine Gefühle.
Sie waren alle nichts.
Sie waren alle leer, ohne Bedeutung
Sie waren alle schwarz.
All meine Sorgen, all meine Ängste.
Sie waren alle nichts.
Sie waren alle nicht wichtig, bedeutungslos.
Sie waren alle schwarz.
Mein ganzes Leben.
Es war schwarz, unwichtig.
Das Licht, der Himmel.
Alles schwarz.
Alles bedeutungslos.
Alles ohne Sinn.
Das ganze Leben machte in dieser Dunkelheit keinen Sinn.
Oh, wie gut ich mich an jene Zeit erinnerte, in der ich Angst vor Dunkelheit hatte.
Wie gut ich mich an jene Zeit erinnerte, wie Lucy damals immer meine Hand hielt.
Wie gut ich mich daran erinnerte.
All das war abgespeichert, gesichert. Ich würde es nie vergessen.
Und das wollte ich auch nicht.
Ich wollte Lucy nicht vergessen.
Ich wollte all die Farben, all die Gesichter der Menschen nicht vergessen.
Doch so langsam verblassten die Farben.
So langsam wusste ich nicht mehr, wie gelb aussah.
Ich wusste nicht mehr, wie grün aussah.
Ich hab so viele Farben vergessen.
Nur eine Farbe blieb immer in mir.
Schwarz.
Eine Farbe, die keine Farbe ist.
Eine Farbe, die mein ganzes Leben ausmachte.
Und ausgerechnet die Farbe, die ich damals am liebsten gehabt hatte.
Obwohl ich früher Angst vor der Dunkelheit hatte, liebte ich schwarz.
Und sie hasste schwarz.
Sie.
Lucy.
Früher hatte ich immer darüber immer gelacht, doch jetzt verstand ich sie.
Schwarz war bedrückend.
Schwarz war deprimierend.
Schwarz war...nichts.
Ylva hatte so recht.
Schwarz ist keine Farbe...

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