20. Kapitel
Nachdenklich lag ich auf meinem Bett. Es war bereits Abend, wahrscheinlich dämmerte es schon.
Ein leises Klicken und ein darauffolgendes Quitschen der Türangel verriet mir, das jemand meinen Zimmer betrat.
Sofort umfing mich ein wohliger, leicht nach Blumen und Zitrone riechender Duft.
Ylva.
Wer hätte es sonst sein können?
Höchstens noch Archie...
Wobei ich nicht glaubte, das er ein Parfum trug, dessen Geruch dem von Ylva entsprach.
Langsam richtete ich mich auf, hob meinen Kopf.
,,Ylva?"
Das leise Knarren des Holzbodens zeugte von Schritten, die näher kamen.
,,Pax...du solltest wirklich deinen Frieden finden, und nicht immer darüber nachdenken.
Das ist nicht gut.
Nicht für mich, nicht für dich"
Ich biss mir etwas auf die Lippen. Auf einmal kam Wut in mir hoch, mir war kaum bewusst, was ich da tat, warum ich wütend wurde.
Langsam setzte ich mich auf.
,, Wenn es nicht gut für dich ist, dann geh doch einfach. Geh doch, wie alle anderen es auch gemacht haben"
Kurz trat ein Schweigen ein, vermutlich war sie verwirrt.
Verständlich.
War ich selbst ja auch.
,,Äh... nein? Denkst du echt, ich würde dich jetzt alleine lassen?"
Mit diesen Worten setzte sie sich neben mich, legte ihre Hände auf meine Schulter.
Langsam ballte ich meine Hände zu Fäusten. Ob sie das sah? Wahrscheinlich nicht...
,,Pax...komm, ich lese dir was vor, ja? Dein Lieblingsbuch", meinte sie sanft, erhob sich wieder, und kam kurz darauf wieder zurück, legte etwas aufs Bett. Ein Buch vermutlich. Und zwar mein Buch. Der zweit wichtigste Gegenstand, den ich besaß.
,,Fass es nicht an", knurrte ich leise, meine Stimme klang etwas bedrohlich.
Ihr Gesicht war wohl ein einziges Fragezeichen.
Sie ließ sich neben mir nieder.
,,Pax", murmelte sie etwas unsicher, ,,was ist los? Warum bist du so...anders?"
Ich senkte meinen Kopf, so, das ich auf die Bettdecke zu starren schien.
,,Nichts. Du sollst nur deine Finger von Sachen weggeben, dessen Wert du nicht kennst", zischte ich.
Das Mädchen umarmte mich vorsichtig.
,,Tut mir leid, Pax...ich wusste nicht, das du das nicht willst", entschuldigte sie sich bei mir.
Ich wich etwas zurück, wollte mich aus ihrer Umarmung ziehen. Sofort ließ das Mädchen mich los.
,,Pax? Hab ich etwas falsch gemacht?", fragte sie ganz leise, ihre Stimme klang so unsicher, so anders.
Ich biss mir auf die Lippen, drehte meinen Kopf weg.
,,Bitte, Pax. Sag mir, was los ist. Ist es wegen mir? Wegen den anderen?"
Schweigend presste ich nun meine Lippen zusammen, sprach kein einziges Wort.
,,Wegen Archie? Er meint es nicht so, er ein ein ganz netter Junge, ich glaub, er ist ein wenig eifersüchtig. Oder... tut dir was weh? Hast du Schmerzen?", fragte sie besorgt.
Als ich wieder nichts antwortete, sprach Ylva weiter.
,,Oder ist es, we..."
Doch bevor sie zu Ende sprechen konnte, drehte ich mich ruckartig zu ihr, hob meinen geballten Fäuste etwas hoch. Meine Lippen waren eng zusammengepresst, mein Körper angespannt. Ein seltsames Gefühl überkam mich, ich fühlte... mehr als vorher.
Es war wie Wut, fühlte sich ein wenig danach an.
Aber da war noch etwas.
Etwas, was mir bis jetzt unbekannt gewesen war.
Ein Gefühl, das ich noch nie gespürt hatte.
Es fühlt sich an, als wäre ich plötzlich ein ganz anderer Mensch.
Und dann wiederum nicht, es kam mir auch so vor, als wäre alles ein Traum, ein schlechter Traum...
,,Pax...?", murmelte sie erschrocken, rückte ein wenig weg.
,,Verschwinde. Am besten aus meinem Leben"
Meine Stimme erinnerte an ein Knurren, ich war mir selbst gerade nicht besonders bewusst, was ich da tat, was ich gerade gesagt hatte.
Ganz kleinlaut fragte Ylva, so, als würde sie noch nicht aufgeben:,,Warum...?"
,,Weil ich auf dich verzichten kann!"
Ich spürte, wie sie zusammenzuckte, die Matratze hatte sich so bewegt.
Ich hörte, wie sie nach Luft schnappte.
Ich sah in meinem schwarzem Bild vor mir ein Mädchen, das ich als Ylva darstellte, welches traurig aussah, verletzt.
In diesem Moment zog sich etwas in mir zusammen, ein höllischer Schmerz durch fuhr mich.
Was hatte ich getan?
Was hatte ich gesehen?
Nichts...
Ich hatte nichts dagegen getan, und jetzt war ich irgendwie erstarrt, konnte mich nicht vom Fleck rühren.
Konnte ihr nicht sagen, das es mir leid tat.
Konnte ihr nicht sagen, dass das nicht stimmte.
Konnte ihr nicht zeigen, das ich sie doch brauchte.
Das Mädchen stand langsam auf, dann drehte sie sich um, ging aus meinem Zimmer, und schlug die Tür fest zu.
In diesem Moment fühlte es sich noch mehr an, als würde etwas in meinem Herzen sich einfach auflösen, einfach nicht mehr existieren.
Ein Teil, der für mich überlebenswichtig war.
Was sollte ich nur machen, so ganz ohne sie?
Ich war selbst Schuld, ja, aber...
Aber ich wusste ja nicht mal ganz was ich da tat, es schien, als hätte jemand anderes mich gesteuert.
Ich schluckte.
Nichtsdestotrotz hatte ich sie verletzt, ihr wehgetan.
Ich biss mir auf die Lippen.
Dann nahm ich ein leeres Heft aus meiner Schultasche.
Langsam strich ich über die Seiten.
Leer.
Kalt.
Glatt.
Unbeschrieben.
Langsam nahm ich einen Stift, begann irgendwo etwas zu schreiben.
Etwas was mich bedrückte.
Etwas was mich ängstigte.
Etwas was mir fehlte.
Etwas was ich fühlte.
»Ylva, du bist so perfekt. Du bist so intelligent, talentiert, einfühlsam und kannst einen immer zum Lächeln bringen.
Ylva, du bist so wunderschön, auch wenn ich dich nicht sehen kann.
Du bist schöner, als vieles andere.
Ylva, du bist so bunt.
Du bist so farbenfroh, bringst Licht und Farbe in meine Dunkelheit.
Ylva, du bist eine Wölfen...
Warum bist du so?
Warum bist du so perfekt, wunderschön und farbenfroh?
Wie machst du das?
Ylva... die Worte in meinem Zimmer entsprechen nicht der Wahrheit.
Ich will nicht, das du aus meinem Leben verschwindest, denn wenn ich überleben will, brauche ich dich.
Dich, und nichts oder niemand anderes.
Nur dich...
Denn schwarz ist keine Farbe.
Schwarz ist bunt.
Und ohne bunt ist schwarz nicht schwarz.
Dann ist schwarz nämlich absolut nichts...«
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