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Der Duftstoff war ein farbloses Gas und stank zur Hölle. Nach Fleisch. Der Präsident war einverstanden gewesen, sofort, ohne zu zögern. Wahrscheinlich hatte er absolut keinen Bock mehr auf diesen ganzen Scheiß und griff nach jedem Strohhalm, der sich ihm bot. Verdenken konnte ich es ihm nicht. Ich wollte es ja auch.

Der Hubschrauber vor uns war groß, army grün und hatte Platz für vier Leute. Dass der Fahrer und der Präsident schon mal mitflogen, stellte keiner in Frage. Dann gab es noch so einen Kameramann, der um seine Instrumente viel Aufhebens machte und das ganze wohl live senden würde. Somit blieb noch Platz für einen. Und der war ich. Reinhardt klopfte mir auf die unverletzte Schulter und wünschte mir viel Glück. Dann gab der Pilot ein Zeichen und wir hoben ab. Nervös krallte ich mich an meinen Sitzplatz, den spöttischen Blick der anderen nicht beachtend. Was keiner wusste und vorallem keiner erfahren sollte, war, dass ich unter Höhenangst litt. Das war schon immer so gewesen, und nichts hatte je daran etwas rütteln können. Und somit blieb mir nichts anderes übrig, als die Augen zu schließen und leise zu Gott zu beten.

"Jetzt." sagte der Präsident bestimmt. Der Pilot nickte und drückte einen Hebel nach unten. Ein Zischen erklang und der Duftstoff entwich zwei Kanistern am hinteren Ende des Hubschraubers. Der Kameramann stellte sein ganzes Zeug an und begann in ein Mikrofon zu reden und alles mit hektischen Gesten zu kommentieren. Mir fuhr ein Schauer über den Rücken. Das hier bekamen grad sämtliche tausend Menschen mit. Sie sahen genau das, was unter uns ablief, und sie würden genau das sehen, was ich sehen würde. Wenn Yuuki aber nicht an Ort und Stelle wäre? Wenn irgendwas schief lief? Funktionierte das mit dem Duftstoff überhaupt?

"Wie Sie sehen können, scheint alles bestens zu funktionieren...", hörte ich die Stimme meines Sitznachbarn. "Die Versuchspersonen beginnen sich zu Massen zu formen und scheinen uns zu den riesigen Quarantänen zu folgen. Doch was wird dann passieren?"

Oh ja, das wüsste ich auch gerne. Ich schluckte und machte die Augen auf, die sofort auftretende Übelkeit ignorierend. Wenn es passierte, wollte ich es sehen, und nicht ohnmächtig in die Sitze sabbern. Die übrigens mehr als unappetitlich aussahen. Der Pilot murmelte etwas, das ich über den Lärm nicht verstehen konnte. Panisch krallte ich mich erneut in das abgekämpfte Leder. Mir brach der kalte Schweiß aus. Wir würden abstürzen. Wir würden definitiv abstürzen, in diese endlose Tiefe und die Zombies würden über uns herfallen und zerfleischen.

" .. gleich da." , rief der Präsident gerade. " Duftstoff ist auch beinahe aufgebraucht."

Na dann. Ich schluckte und blickte hinunter in die Tiefe. Keine gute Idee. Mir wurde wieder abartig schlecht. Meine Knie zitterten. Doch dann erblickte ich am Erdgrund eine Person, welche humpelnd die Türen der Quarantänen öffnete und sich hastig hinter ein paar Tonnen versteckte. Yuuki. Die Zombies, welche das Innere der Quarantänen für den Ursprung des Geruchs hielten, rannten wie behindert hinein. Yuuki kam hervor, und verrammelte die Tür schnell. Was hatte sie vor?

Sie blickte nach oben und grinste. Dann bedeutete sie uns, uns möglichst schnell zu entfernen. Der Pilot murrte etwas, befolgte aber ihre Handzeichen und schwang sich mitsamt des Helikopters in die Lüfte. Ich hielt den Blick auf sie gehaftet und versuchte durch Telepathie irgendwie herauszufinden, was in ihren Kopf vorging. Die Telepathie funktionierte kein Stück, ich hatte immer noch keine Ahnung. Aber was konnte sie schon ausrichten? Alles verrammeln? Aber dann wäre das Problem nur verschoben, und sie wollte es ja beenden. Ich schloss die Augen und dachte konzentriert nach. Ein siebzehnjähriges Mädchen mit tötlichem Virus in sich drin und einer merkwürdigen Kraft...  Ich hielt inne, krallte meine Finger in den Sitz. Das würde sie nicht tun. Das würde sie weder sich noch mir antun.

Ich blickte nach unten, fixierte die Person, die nun die Finger aneinander gelegt hatte und die Quarantäne anstarrte. Meine Finger wurden schwitzig, mein Herz zog sich zusammen. Sie würde es tun. Sie würde ihre Explosionskraft zum Maximum bringen, die Quarantäne in die Luft sprengen und aufgrund des riesigen Druckes auch sich selbst.

"Fliegen Sie runter!" Meine Stimme klang krächzig und leise. Das genaue Gegenteil von dem, was ich fühlte. In mir tobte die Panik und ein Sturm aus Gefühlen, ich atmete schneller. "Fliegen Sie runter! Schnell!" Der Pilot beachtete mich nicht, im Gegenteil, er flog sogar noch höher.

"Fliegen Sie runter, verdammt noch mal!", brüllte ich nun. "Sie will sich selbst in die Luft jagen!"

"Wer? Das Mädchen? Wie das denn?" Ich hatte Lust, diesem Pilot den Hals umzudrehen. Wir brauchte zu lange, er brauchte zu lange.

"Sie hat die Kraft, Sachen in die Luft zu sprengen.", redete ich panisch auf den Piloten ein. "Keine Ahnung, woher und wie das alles funktioniert, aber sie wird sich gleich in die Luft sprengen!"

Meine erhobene Stimme und der panische Ausdruck in meinen Augen- eins von beiden, oder vielleicht, dass mir die Tränen an den Wangen runterrannen, irgendwie überzeugte ich den Mann doch. Er fluchte und fuhrwerkte rum und in mir regte sich ein kleiner Hoffnungsschimmer, wir könnten sie noch rechtzeitig vom ihrem verkackten Plan abbringen. Doch dann hörte ich einen riesigen Knall. Eine riesige Hitzewelle kam uns entgegen und während alle anderen auf das nun brennende Haus deuteten, hektisch in die Kameras sprachen oder nur fassungslos mit dem Kopf schüttelten, spürte ich, wie mein kleines, unschuldiges Herz in Einzelteile zerbrach und mich mit sich in die Scherben riss. Ich rollte mich auf meinem Sitz zusammen und der Schmerz und alles, was mit ihm kam überrollte mich gnadenlos.

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