45.

Ein Geräusch ließ uns herumfahren. Es kam aus einer Gasse, die wirklich nicht sehr vertrauenswürdig aussah und zudem stank. Tommy krallte sich an mein T-Shirt und blickte ängstlich in die Richtung. Yuuki ging angespannt in eine Kampfhaltung und fixierte den Ausgang der Gasse. Ich stand einfach nur da und überlegte hektisch. Sollten wir nachschauen? Oder lieber schleunigst das Weite suchen? Ich mit Tommy auf dem Arm war nicht gerade in der besten Ausgangsposition für einen Kampf. Die einzige, die annähernd was ausrichten könnte, wäre Yuuki und bei der waren sämtliche Organe schon außer Gefecht gesetzt. Was war, wenn genau wieder ein Körperteil in ihr lahmgelegt wurde, wenn uns das etwas in der Gasse gerade angriff? War es überhaupt eine Versuchsperson? Oder nur ein Mensch in Not? Eine Katze? 

"Siles?" Yuuki sah abwartend zu mir. Ich blickte angespannt zurück. Sie hatte mich nicht gerade ernsthaft zum Anführer erwählt. "Was machen wir?" Mmh, doch. 

Ich sah noch einmal zur Gasse und dann wieder auf die Karte, auf der sämtliche Bunker eingezeichnet waren. "Weitergehen. Es könnte eine Katze gewesen sein. Und hier einfach herumzustehen, ist nicht gerade klug. Wir sind eine gute Zielscheibe für Zombies." Damit lief ich einfach weiter. Nur kein Risiko eingehen. Yuuki nickte widerwillig und rannte wieder vorraus. Tommy wurde immer schwerer. Er hatte vor lauter Angst Schluckauf bekommen und hickste fortlaufend. An einem anderen Ort zu einer anderen Zeit hätte ich das absolut lustig gefunden. Aber nicht jetzt.

"Hey, Tommy." Er blickte auf. "Hättest du was dagegen, wieder ein bisschen zu laufen?" Sein Mund verzog sich. Doch dann nickte er, ich hielt an und setzte in auf dem Boden ab. Seine schweißnasse Hand berührte meine und wir liefen los, Yuuki hinterher. Zwischendurch hörten wir ein paar Schüsse, welche laut und unheilverkündend in der Nähe krachten. Oh mein Gott. Wer hätte gedacht, dass ich mich mal in der Hauptstadt Kasachstans aufhalten und zu uralten Bunkern rennen würde, während zu Zombies mutierte Versuchspersonen in der Gegend rumliefen und nach Menschenfleisch suchten. 

"Halt!" Yuuki war abrupt stehen geblieben und sprang hastig hinter eine Mülltonne. Tommy und ich reagierten sofort und gesellten uns zu ihr. Schweigend warteten wir, bis schließlich eine in weiß gekleidete Person aus der gegenüberliegenden Straße auftauchte. Es war eine Frau, deren schwarze Haare wirr vom Kopf abstanden und deren Nägel so lang und spitz wie Klauen waren. Sie hatte einen Speichelfaden an ihrem Mundwinkel und die Augen blickten stumpf, hirnlos, irre vor Hunger in der Gegend rum. In ihrer einen Hand hielt sie einen abgetrennten Arm. Es stank. 

Mir kam mein Essen hoch, Yuuki hielt Tommy die Augen zu. Sie selbst blickte mehr als angewidert auf die Irre und versuchte erbittert, ihr Frühstück bei sich zu behalten. Was ihr ebenso wie mir gelang. Tommy fing an, schneller und panischer zu atmen. Yuuki bemerkte es und umarmte ihn fest, während sie ihm leise Beruhigungsworte zusprach. Ich hätte sie gerade genauso nötig gehabt. 

Die Frau bekam es wohl wieder mit dem Hunger zu tun, denn sie biss kurzerhand einen Finger ab. Das hervorspritzende Blut besudelte ihr weißes Gewand immer mehr, doch es kümmerte sie nicht. Ich hoffte inständig, sie würde sich verpissen und uns nicht mehr den Horror vor Augen zeigen. Mein Wunsch wurde erhört. Es knallte. Die Frau sank wie in Zeitlupe zu Boden und starb. Wir warteten einen Augenblick, ehe wir uns mit Beinen aus Pudding erhoben.

"Bitte lass uns ganz schnell zu den Bunkern gehen.", sagte Yuuki mit zittriger Stimme, "Diese Wesen kotzen mich an." Sie umfasste den Verband um ihre lose Hand fester.  Ich nickte einfach nur, nahm Tommy wieder huckepack und lief los, die Straße zurück. An der toten Frau und vorallem dem toten Arm konnte ich nicht vorbei, es wäre zu viel.  Yuuki schniefte neben mir und blickte panisch in alle Richtungen. "Das einzige, was diese Wesen von Zombies unterscheidet, ist, dass sie wirklich tot bleiben.", sagte ich. "Du musst dich nicht nach dieser Irren umsehen." 

"Das nicht." Sie wandte den Kopf wieder auf die Straße und beschleunigte. "Aber es gibt ja auch noch andere." Leider hatte sie recht.  

"Wie lange noch?", fragte Tommy mit weinerlicher Stimme. "Ich weiß es nicht.", antwortete ich. "Aber der Karte nach müssen wir noch ein bisschen laufen." Völlig außer Atem und Seitenstechen blieb ich stehen. Yuuki vor mir hielt ebenfalls an, weiterhin in alle Richtungen blickend.  Tommy sprang von meinem Rücken und nahm mir die schon völlig zusammengeknüllte Karte aus der Hand.  Ratlos blickte er auf die merkwürdigen Zeichen der Straßennamen. "Was steht da?" Er atmete schon wieder viel zu schnell. "Hey, Tommy.." Erschöpft setzte ich mich neben ihm auf die Bordsteinkante. "Wir befinden uns in Kasachstan, schon vergessen? Das ist Kasachisch."

"Kasachisch.", meinte Yuuki verächtlich. "Ist das wirklich eine Sprache? Ich dachte, in Kasachstan spricht man Russisch?"

 "Die kasachische Sprache ist eine Turksprache, die vorallem in Kasachstan  und in verschiedenen zentralasiatischen Ländern gesprochen wird.", sagte ich. "Siehe Wikipedia."

"Du hast dir nicht ernsthaft den Eintrag von Wikipedia gemerkt." 

"Photografisches Gedächtnis, schon vergessen. Einmal ansehen und man hats." Ich nahm Tommy die Karte wieder ab und stand auf. "Dachtest du echt, ich würde unvorbereitet nach Kasachstan reisen?"

Yuuki schwieg und nahm Tommys Hand. "Ist doch jetzt egal. Kannst du wieder?"

Ehrlich gesagt, nicht. Aber die Zeit drängte und hier auf offener Straße für eine längere Zeit  Pause zu machen, war nicht gerade klug. Ich nickte also und wir setzten uns in Bewegung.


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