39.
Die Sonne flimmerte auf uns herunter und mein Gott, ich wünschte mir sehnlichst eine Dusche herbei. Die ich in diesem Land wohl nicht so schnell bekommen würde, beziehungsweise in diesem LKW. Yuuki saß hinten im Laderaum und gönnte sich ein bisschen Luft, die sie sich mit der Zeitung unseres Fahrers zufächerte. Trotzdem stank alles nach Bier, Schweiß und Rauch. Unser Fahrer war wohl die größte Stinkbombe von uns allen. Was nichts an seiner guten Laune änderte.
"Noch ein paar Stunden, dann kann ich euch absetzten.", rief er.
"Wuhu...", kam es wenig begeistert von uns. Die Aussicht, wieder auf ParaSyc zu treffen, ließ uns nicht gerade Glück und Freude verspüren. Besonders nicht die Quarantänen, die wir ohne Zweifel zu sehen bekommen würden.
"Mal gucken, ob Tommy und Zac schon da sind.", flüsterte ich Yuuki zu.
Sie hob spöttisch die Augenbrauen. "Die? Locker nicht. Wie wollen sie dem Fahrer bitte einen Rollstuhl und ein minderjähriges Kind erklären?"
"Denen wird schon was eingefallen sein." Optimistisch bleiben. Ich musste optimistisch bleiben.
Unser Fahrzeug ruckelte und hielt an. Ich blickte aus dem Beifahrerfenster und betrachtete die trockene, einsame Landschaft, die in der Mittagshitze flimmerte. Ein so motivierendes Land.
"Was ist los?", fragte Yuuki laut.
"Nichts, nichts.", winkte unser Fahrer ab. "Ich warte nur, bis dieses Viech von der Straße weg ist."
"Was für nen Viech?" Neugierig kletterte ich über den Sitz vor mir und blickte nach vorn.
"Keine Ahnung. Könnte vielleicht ein Murmeltier sein."
"Ein Murmeltier auf der Straße.", kam es schnaubend von hinten. Ich warf dem Fahrer einen genervten Blick zu. Dieser lachte amüsiert. Das Vieh aka Murmeltier hatte endlich bemerkt, dass da etwas neben ihm stand, spitzte die Ohren und verpisste sich von der Straße. Die Fahrt ging weiter.
-
"Wir sind da.", kam es dann nach einer Weile. Yuuki wie auch ich standen auf und versuchten, durch das kleine Fenster etwas zu erkennen. Es führte eine schmale Spur zu einem Gelände, wo man mehrere Gebäude erkennen konnte, darunter auch eine riesige Quarantäne. Das Betongebäude mit dem runden Dach sah nicht gerade einladend aus, und dem Gesichtsausdruck Yuukis nach stimmte sie mir zu. Ich konnte sogar ein kleinen Funken Angst in ihren Augen erkennen, der aber relativ schnell verschwand.
"Komm Yuuki." Ich zog sie an ihrem Arm nach hinten. "Ich wette, da gibt es Wachen. Wir müssen uns verstecken..."
"Halt!", unterbrach der Fahrer uns. Wir hielten inne. "Ihr braucht euch nicht zu verstecken. Die Menschen dort sind alle recht nett."
"Glauben Sie uns, das ist nur der Schein, der trügt." Yuukis Stimme klang ausdruckslos, doch ihr Gesicht war düster. Ich konnte beinahe den Hass und allgemein die düstere Aura sehen, die wie in Schwaden um sie herum schwirrte. Sie bemerkte meinen Blick, und zog mich hinter ein paar Kisten. Der Fahrer schüttelte nur den Kopf und konzentrierte sich auf die Straße.
Angespannt verharrten wir in der Position, bis der LKW anhielt und Stimmen ertönten. Von unseren Standpunkt aus hörten wir sie nur undeutlich und verstanden somit gar nichts. Beziehungsweise ich hörte gar nichts, denn ich starrte nur auf Yuuki, die zusammengekauert an der Wand lehnte und mit blitzenden Augen alles vor sich absuchte. Der Verband ihrer Hand war aufgegangen und ich konnte den verwesenden Geruch riechen. Ich schluckte, streckte die Hand aus und begann, ihn wieder langsam zu zu machen. Yuukis Kopf fuhr herum und ihre Augen ruhten auf mir, während ich dies tat. Ich wurde rot - aber das war kein Wunder, denn wir befanden uns in einem gefühlt 40 Grad heißem LKW- und hielt den Blick auf ihre Hand gerichtet. Ich wollte ihren Blick nicht sehen, weshalb auch immer.
"Siles. Du musst das nicht machen.", murmelte sie. Ich schüttelte den Kopf, machte weiter, schlang den dreckigen Verband ein letztes Mal um ihre Hand und machte ihn darauf zu. Es ekelte mich an, das konnte ich nicht abstreiten. Es ekelte mich sogar dermaßen an, dass ich an mich halten musste, um mich nicht wieder zu übergeben. Aber es war die Hand meiner Freundin. Und sie war ein Teil von ihr, in ihrer ganz großen Hässlichkeit, und ich wollte Yuuki zeigen, dass ich damit klar kam. Es war einer der vielen kleinen Liebesbeweise, und vielleicht war es mir gerade deswegen unangenehm, ihrem Blick zu begegnen.
Das Aufreißen der Tür holte uns wieder ins Hier und jetzt. Yuuki holte ihre Hand aus der meinen und verspannte sich wieder wie eine Raubkatze, während ich mich in den Schatten zurückzog und an den Kisten vorbei zu linsen versuchte. Ich konnte einen großgewachsenen, muskulösen Typen erkennen, der sich mit einem Ruck auf die Ladefläche zog und nun an uns vorbei lief. Er hatte schwarze verwuschelte Haare und so zwei, drei rote Strähnen. Vollkommen schwarz angezogen und ein schmieriges Grinsen. Es ging mir kalt den Rücken runter, als ich an seiner Hüfte ein kleines Messer aufblitzen sah. Der hier war ein ganz anderes Kaliber als Braunschweidt oder Martin. Der hier war um weitem gefährlicher.
"Und? Gab es irgendwelche Vorkommnisse?", hörte ich ihn unseren Fahrer fragen. Ich verspannte mich.
"Joa...", meinte der Fahrer gemächlich, während er sich eine Zigarette ansteckte. "Da war so ein Murmeltier auf der Straße. Ein putziges Kerlchen, aber leider nichts in der Birne."
"MMh- mmh." Der Typ begann, die Kisten aufzumachen und ihren Inhalt zu überprüfen. Fand er das, was er suchte, hievte er die Kiste hoch und lud sie vor dem LKW ab. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis er uns entdeckte.
Yuuki schien der gleiche Gedanke gekommen zu sein. Sie blickte mich an, dann den Teil des Typen, den sie von ihrem Standpunkt aus sehen konnte, und dann zum Ausgang.
"Wenn er sich gerade duckt, um eine Kiste aufzuheben.", wisperte ich ihr zu. Sie nickte, massierte ihren großen Zeh und machte sich bereit, aufzuspringen. Wie auf brennenden Kohlen warteten wir, bis der Typ wieder eine Kiste aufmachte, sich duckte...
Go.
Wir sprangen auf und rannten los. Erschrocken fuhr der Typ herum, doch wir waren schneller und sprangen von der Ladefläche herunter. Ein kurzer Moment des Herzinfarkts, als ich auf dem Boden aufprallte und beinahe das Gleichgewicht verlor, und schon hasteten wir los. Yuuki verzog das Gesicht kurz, ehe sie mich trotz ihres Fußes überholte. Ich blickte zurück, und sah, wie der Typ sich fluchend an die Verfolgung ranmachte. Er rief etwas, aber das Blut rauschte dermaßen in meinen Ohren, das ich ihn nicht verstand. Erst als das Adrenalin Stück für Stück verschwand, konnte ich langsam Wortlaute ausmachen.
" -uki!"
Uki? War das eine geheime Sprache, die ParaSyc hier sprach oder was? Ach nein. Er rief Yuuki.
Diese bremste abrupt, so abrupt, dass ich beinahe in sie hineinrannte.
"Verdammte Scheiße, Yuuki, Lauf!", Ich nahm ihren Arm und zog sie mit mir, doch sie drehte sich immer wieder um, bis sie schlussendlich einfach stehen blieb.
"Yuuki! Was soll das?" Knurrte ich sie gestresst an. "Wir müssen weiter, der Typ hat ein verdammtes Messer bei sich!"
"Der Typ...", sagte sie gedehnt, "... kennt mich. Er ruft mich, und ich will wissen, warum."
"Das könnte auch einfach ein Trick von ihm sein.", Ich zog wieder an ihrem Arm. "Komm schon."
"Wie viele auf diesen Planeten rufen zuerst Yuuki, wenn sie ein blondes Mädchen vor sich weglaufen sehen?", beharrte sie. "Yuuki ist nicht gerade ein Name, der oft vorkommt."
"Das ist ParaSyc!", zischte ich. Der Typ hatte bereits fast aufgeholt. "Und sie haben unsere Akten."
"Ja, aber der da sieht nicht gerade wie ParaSyc aus." Ich blickte sie verständnislos an. "Bitte?"
Sie stieß die Luft aus. "Egal. Ich warte."
"Du bist so verdammt dumm, Yuuki, weißt du das?"
Sie blitzte mich an. "Tja. Du kannst ja weiterlaufen." Ich überlegte tatsächlich, einfach weiterzulaufen. Wenn sie so dumm war, musste sie auch mit den Folgen klarkommen. Ich könnte ja später wieder auftauchen und sie retten. Einen kurzen Moment des Überlegens und ich trat resigniert in den Sand. Das war nicht ich. Mit einem Blick auf Yuuki und den Typen, schob ich mich vor sie.
"Was machst du da?", zischte sie.
"Dich beschützen." Das ließ sie glücklicherweise verstummen, auch wenn sie sich wütend auf die Unterlippe biss.
Der Typ kam mittlerweile auf ein paar Meter an uns ran. Er keuchte und schwitzte wie ein Schwein.
"Yuuki! Erkennst du mich nicht?" Er fuhr sich durch die Haare, was meine Abneigung gegen ihn verstärkte.
Meine Freundin blickte hinter meinen Rücken hervor und starrte den Typen einige Sekunden ausdruckslos an. Ich wurde unruhiger. Bitte, bitte, bitte, bitte....
Ihre Gesichtsausdruck hellte sich auf. Scheiße.
"Zero? Bist du das?" Entgeistert blickte ich sie an und dann auf den Typen vor mir. Das. War. Zero? Dieser Typ sollte uns vor ParaSyc retten? Wollte sie mich verarschen?
Der Typ nickte. "Freut mich, dich wiederzusehen Yuuki. Siehst gut aus."
Ich spüre es Siles. Dieser Typ wird dir noch Schwierigkeiten machen.
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