38.


"Yuuki?"

Sie krümmte sich zusammen. Ihre Stirn war ganz verschwitzt, ihre Hände- beziehungsweise ihre Hand- war um meinen Oberarm gekrallt. Beunruhigt rüttelte ich sie an der Schulter. 

"Hey,Yuuki! Wach auf!"

Sie murmelte etwas. Ihre Hand lockerte sich etwas.

"Egal, was du gerade träumst, es passiert nicht wirklich.", redete ich auf sie ein, obwohl ich bezweifelte, dass sie mich hören konnte. "Du bist hier immer noch bei mir, in diesem riesigen LKW."

Ihr Atmen wurde wieder gleichmäßig, ihre Haltung entspannter. Ihr Kopf fiel zu Seite und landete auf meiner Schulter. Ich stieß erleichtert die Luft aus und strich ihr ein paar Strähnen von der verschwitzten Stirn. Vielleicht hatte ich mich ja geirrt. Vielleicht hatte sie mich in ihrem Traum gehört und vielleicht liebte sie mich ja so sehr, dass sie sich sofort sicher gefühlt hatte. Ich seufzte. Eindeutig zu viele Vielleichts.

Das mit dem Alpträumen war wohl nie zurückgegangen. Yuuki sowie auch ich hatten immer noch damit zu kämpfen. Nur hatten wir sie vorher besser voreinander verstecken können.  Ich blickte sanft auf sie herunter. Wie schön sie doch war.

Sie schnarcht, sabbert auf deine Schulter und könnte mit ihren Augenringen den Pandas Gesellschaft leisten.

War ja nicht so, als würde ich anders aussehen.   Der Fahrer brummelte irgendwas und steckte sich wieder eine Zigarette an. Der Typ war eigentlich voll korrekt. Er hatte uns gleich nach den ersten Tagen bemerkt- wie denn auch sonst? Es war dumm von uns gewesen, zu glauben, es würde nicht dazu kommen- wollte aber nicht viel von uns wissen.  Nur den Namen, unseren Musikgeschmack und ob wir was gegen Bohnen hatten. Ich wusste nicht, inwieweit das mit der langen Fahrt nach Kasachstan zu tun hatte, aber nach einigen Tagen wusste ich, weshalb. Wir bekamen Bohnen. Tag für Tag. Und wir hörten dauerhaft Musik. Der Typ hatte ungefähr den gleichen Musikgeschmack wie Yuuki und hörte Dubstep über Dubstep. Manchmal auch etwas Rock. Es hätte weitaus schlimmer sein können. 

"Hey!", rief ich ihm zu.  

"Mmh?" Der Fahrer zog an der Zigarette und blies den Rauch langsam aus. Gleichzeitig achtete er auf die Straße, die etwas holprig gestaltet war, und versuchte einen neuen Radiosender zu finden.

"Warum haben Sie nicht weiter Fragen gestellt?" Es interessierte mich wirklich.  Kein normaler Mensch öffnete den Laderaum, fand zwei wildfremde Teenies vor und fragte sie nach Bohnen und Musikgeschmack.  Da musste doch was dahinter stecken.

Der Fahrer lachte kurz. "Siles war dein Name, oder?"

Ich nickte.

"Nun, Siles, ist dir vielleicht mal in den hohlen Kopf gekommen, dass ich schon weitaus mehr Menschen von Europa nach Kasachstan kutschiert habe? Mit dir und diesem Mädchen sind es jetzt... vielleicht zehn Leute gewesen."

"Zehn?" Überrascht blickte ich ihn an. "Das ist in der Tat viel.  Warum?"

Der Fahrer hatte endlich den richtigen Radiosender gefunden, blickte auf das Navi und bog eine Straße ab. "Na warum wohl? Ich war auch mal jung. Man sollte nicht der Jugend verbieten, die weite Welt kennenzulernen. Als Kind habe ich mir schon immer gewünscht, aus  meiner öden Stadt wegzukommen. Nur hatte ich damals nicht den Mut dazu."

Ich nickte. "Und waren alle Leute ungefähr in meinem Alter?"

"Das schon. So rund um. Mal ein paar Jährchen junger, ein paar Jährchen älter..."

"Und sie haben sich nie gefragt, weshalb diese Leute in ihrem LKW waren?"

Jetzt drehte der Fahrer den Kopf und sah mir in die Augen. Er hatte blaue, klare Augen.  Trotzdem machte es mich nervös, wenn er nicht als Fahrer auf die Straße schaute.

"Siles. Ich sehe es in deinen Augen, in den Augen deiner Freundin und auch den Augen meiner vorherigen Mitfahrer. Ihr alle habt etwas gesehen, dass man in eurem Alter noch nicht hätte sehen dürfen. Ihr alle scheint mit etwas konfrontiert gewesen zu sein, dass etwas in euch verändert hat. Ich möchte nicht wissen, was das war."

"Und das bemerken Sie mit einem Blick?"

Der Fahrer grinste, wobei ein paar Zahnlücken aufblitzten. "Das nicht. Aber mit der Zeit. Und die Fahrt nach Kasachstan dauert schon etwas, meinst du nicht?"

Damit drehte er sich wieder um, drehte die Musik lauter und brummte die Melodie mit. 

Neben mir regte sich Yuuki. Sie öffnete ihre Augen, richtete sich auf und gähnte herzhaft. 

"Guten Tag, Yuuki."

"Es ist schon später Abend, Idiot."

Ich rollte mit den Augen. "Du hattest wieder einen Alptraum oder?"

Sie nickte und lehnte sich wieder an mich. "Es war ein schlimmer."

"Schlimmheitsgrad? 1 bis 10."

Sie runzelte die Stirn. "Was?"

Ich legte meinen Arm um sie. "Na, wie schlimm er war. 10 ist das Schlimmste."

Yuuki schwieg und dachte nach. "Ich denke, es war eine 8."

"Was ist passiert?"

Sie schwieg und wollte wohl nicht darüber reden. Ich seufzte. Verdenken konnte ich es ihr  nicht. 

"Siles?" Sie blickte mich an. "Weißt du, wie lange die Fahrt noch dauert? Mir ist extrem langweilig."

"Frag doch den Fahrer."

Sie schlug mir gegen die Schulter,  setzte sich auf und baute ein Gespräch mit dem Fahrer auf. Nach einer Weile kam sie zu mir rüber gekrabbelt, steckte sich nebenbei noch ein paar Xenol- Pillen in den Mund, und sagte: "Nicht mehr lange. Wenn wir Glück haben, kommen wir morgen an."

Ich streckte mich. "Endlich. Drei Wochen ununterbrochen zu fahren, ist echt anstrengend."

Sie schnaubte. "Lappen."


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