36.

Die Psychiatrie war gelb. Die Wände waren gelb, die Bilder daran waren gelb, die Lampen waren gelb, alles gelb, gelb und nochmals gelb. Ich wusste schon jetzt, dass mir diese Anstalt gehörig auf die Nerven ging und dem angepissten Gesichtsausdruck Yuukis nach war sie mit mir einer Meinung.

Glücklicherweise brachten wir den ersten Tag hinter uns, ohne erstens einer "Sitzung" beiwohnen zu müssen, zweitens Harry Braunschweidt zu begegnen und drittens überhaupt irgendwie reden zu müssen. Wir wurden dem Geschlecht nach aufgeteilt, was bedeutete, dass ich Yuuki in der folgenden Woche nur selten sah. Mal beim Essen- es war mehr als widerlich- mal bei den Sitzungen, mal bei den Pausen... und mal im Büro des Direktors. Diese Leute schienen es sich in den Kopf gesetzt zu haben, uns wirklich psychisch krank zu machen. Sie laberten dauernd was von wieder in die Realität zurückkommen und Das Trauma hinter sich zu lassen aber hatten im Grunde selbst keine Ahnung, weshalb wir wirklich hier festgehalten wurden. Das bedeutete, dass die hohen Tiere bei ParaSyc nicht alle ihre Mitarbeiter einweihten und es kam uns nur zu gelegen.

Dank Yuuki- die sich in der Nacht mal herausgeschlichen und nachgesehen hatte- wusste ich, dass der Lastwagen noch nicht losgefahren war und in der Lagerhalle stand. Der Fahrer war wohl unterwegs in einen Unfall geraten und musste ersetzt werden. Es war unglaublich, wie viel Glück wir hatten.

Ich selbst übernahm den Teil, die Ziele von ParaSyc herauszufinden. Irgendwie musste man sich hier ja beschäftigen und aufgrund den psychischen Problemen der anderen wurden wir alle von einander isoliert, oder eher den größten Teil der Zeit. Ich hatte daher niemanden, mit dem ich reden konnte und der Frust darüber, ließ meine Konzentration steigern und einen Plan aushecken.

Es war beinahe wie in den Hollywood- Filmen, als ich geradezu ungehindert an den Computer der Mitarbeiter gehen und durchsuchen konnte. Dabei fand ich die wahren Ziele von ParaSyc heraus, allerdings hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt, Yuuki davon in Kenntnis zu setzen.

Das war Schritt zwei.

Yuuki generell war hier viel stiller geworden, was vielleicht auch an dem Verlust ihres großen Zehs lag, der ebenfalls außer Gefecht gesetzt wurde. Sie humpelte nur noch, und es verschaffte mir immer wieder einen Stich im Herz, sie so gehen zu sehen. Genauso wie jetzt, als die Mädchen und Jungen aus ihren Fluren in die Cafeteria gelost wurden.

"Hey.", raunte ich Yuuki zu. Sie blickte auf und ihre Augen blitzten, als sie mich erblickte.

"Was?"

"Ich habe herausgefunden, was ParaSyc vor hat."

Ihre Augen weiteten sich überrascht. "Echt? Was denn?"

"Sag ich dir später. Wenn wir allein sind."

Sie schloss den Mund und nickte stumm. Damit ließ sie sich wieder zurückfallen. Wir kamen in die Mensa, die Mädchen setzten sich in die eine Hälfte des Raumes, die Jungs in die andere.

David ließ sich neben mir nieder. Um seinem Hals waren böse aussehende Verletzungen und er quittierte meinen kurzen - entsetzten- Blick mit einem leichten Lächeln.

"Das schockt mich immer wieder aufs Neue.", murmelte ich. Dann wandte ich mich wieder meiner ekligen Suppe zu.

"So schlimm siehts gar nicht aus."

Danach schwiegen wir wieder. Die Aufsicht war ein strenger Mann, der sich nicht davor scheute, mal ein paar Klapser auszuteilen. Der Typ hasste Kinder und gab einen Scheiß auf ihre Probleme.

David zum Beispiel hatte versucht, sich mit der Krawatte seine Vaters aufzuhängen. Hatte aber nicht so gut geklappt, sein Vater war früher von der Arbeit zurückzukommen und hatte ihn dort hängend wiedergefunden. Ein paar Sekunden später und David wäre nicht mehr. Dafür saß er schon ein Jahr hier fest.

Es tat mir ein bisschen Leid, ihn hier zu lassen. Der Typ war auf jeden Fall wieder normal und hatte seine Selbstmordgedanken schon längst hinter sich gelassen. Aber zwei Menschen auf der Flucht waren schon riskant genug.

Diese Psychiatrie hatte ein Sicherheitsnetz wie das FBI. Überall Kameras - selbst in den Toiletten und Duschen, für den Fall, dass sich da jemand die Pulsadern aufschneiden wollte- vollautomatisierte Türen, die nur auf Gesichtserkennung und spezielle Karten reagierten und natürlich Zäune mit Dornen. Also ich wusste ja nicht so recht, was sich ParaSyc dabei gedacht hatte. Dieses Gebäude half mir ganz sicher nicht, mich "besser" zu fühlen, eher im Gegenteil.

Als alle fertig waren, standen wir auf und brachten unsere Schüsseln in die Küche. Danach hatten wir etwas Freizeit - jämmerliche fünfzehn Minuten- und die nutzte ich, um Yuuki an der Hand zu packen und mit mir in eine Ecke zu ziehen.

"Also, was ist jetzt?" Sie ließ sich an der Wand heruntergleiten und sah mich abwartend an.

"Also..." Ich hockte mich ebenfalls hin und blickte ihr in die Augen. Dass mein Herz wieder anfing, schneller zu klopfen, ignorierte ich.

"ParaSyc ist die verabscheuendste Organisation, die ich je gesehen hab."

Ach.

" Du weißt ja, dass man die Menschen in die Quarantänen schiebt, wenn sie mit deiner Krankheit befallen sind und nicht das nötige zum Versuchskaninchen haben. Hast du-"

"Ja, ich habe das Xenol genommen. Diese verdammten Angestellten achten darauf.", unterbrach mich Yuuki genervt. "Ich werd dich schon nicht auffressen, Siles. Red weiter."

Ich räusperte mich verlegen und fuhr fort. " Naja, jedenfalls hab ich jetzt herausgefunden, weshalb sie die Pillen nicht diesen Menschen geben. Sie wollen deren Blutdurst wecken."

Meine Freundin runzelte die Stirn. "Wozu?"

"Um sie dann auf im richtigen Zeitpunkt auf die Welt loszulassen."

"Erinnert mich ein bisschen an die Zombieapokalypse."

"Stimmt."

Ich fuhr mir durch die Haare und Yuuki kicherte.

"Ist was?"

"Deine Haare stehen ab. Du hast da eine Mangasträhne."

"Mangasträhne?" Verwirrt versuchte ich, meine Haare wieder in Ordnung zu bringen. Yuuki schüttelte verächtlich den Kopf. Nach einer Weile gab ich es auf, sah sie nur provozierend an und kam wieder aufs Thema zurück.

"Aber die Frage ist ja: Warum?"

Yuuki hob die Augenbrauen. "Ja warum? Wirst du mir bestimmt gleich sagen."

"Bei ParaSyc dreht sich fast alles um Geld und Gewinn. Was glaubst du, was sie mit diesen Menschen und dem Rest der Welt vorhaben?"

"Keine Ahnung."

"Wenn Menschen sehen, wie ihresgleichen anfängt, sie aufzufressen.... Also ich hätte da schon mal ein paar traumatische Erlebnisse."

"Du meinst also, dass ParaSyc möchte, dass diese Geschmacksverschiebung die Runde macht? Und warum?"

"Ganz einfach: Weil sie als Einzige das Xenol haben. Sie machen dann sehr gute Geschäfte. Ich meine, jeder würde das Xenol brauchen, und jeder würde es sich kaufen, auch zu Wucherpreisen."

"Das macht keinen Sinn." Yuuki strich sich eine Haarsträhne zurück und blickte nach oben. "Sie könnten doch genauso gut davon befallen werden."

Ich setzte mich neben sie und legte meinen Arm um sie. "Stimmt, und deswegen gibt es euch."

Yuuki blickte zu mir hoch. "Diese Schweine. Sie haben uns benutzt, um herauszufinden, wie sie der Krankheit entgehen können?"

"Genau." Ich fuhr ihr mit dem Daumen über die Wange. Sie rührte sich kein Stück und blickte mich herausfordernd an. Als würde sie sagen: Los, küss mich. Schaffst du eh nicht.

Ich grinste. Dieses Mal schon.

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