Es war so grässlich kalt. Ich hörte das Keuchen von Yuuki vor mir, sah ihren schwarzen Rücken und die kurzen blonden Haare. Das Knacken unserer Stiefel auf Schnee und die Stille des Abends.
Aus Angst vor Verfolgern waren wir etliche Umwege gelaufen, hatten angehalten, kehrt gemacht, Spuren übertreten und waren wieder losgelaufen. Der Tag war immer schneller vergangen, die Sonne hatte sich längst verabschiedet.
Und ich spürte mal wieder meine Unsportlichkeit. Auch Yuuki sah erschöpft und verschwitzt aus, aber wenigstens lief sie verbissen weiter, während ich nach einer Weile mit schmerzverzerrtem Gesicht um eine Pause bat, die Hände in die Seiten gestemmt.
Yuuki schwieg, als wir uns auf eine Bank setzten. Wie so oft schwieg sie. Blickte irgendwo ins Nirgendwo, die roten Hände um den Saum ihrer Jacke gekrallt. Sie hatte ihr Mantra- Ich. hasse. Menschen.- nach einer Weile aufgegeben und hatte einfach gar kein Wort mehr gesprochen. Ihre Augen sahen gequält überall hin außer zu mir.
"Yuuki..."
"Halt den Rand."
"Nein."
"Doch. Halt den Rand. Halt einfach den Rand und lass mich in Ruhe."
"Nein."
Sie blitzte mich an. "Ich hasse es, wenn andere andere bedrängen, und gerade das tust du gerade."
"Und ich hasse es, wenn andere dauernd schweigen und sich ein Dreck um andere kümmern, und das tust du gerade."
"Tja." Sie drehte sich weg.
Ich hasste es. Ich hasste es so dermaßen. Immer ging es nur um sie. Yuuki. Yuuki. Und nochmal Yuuki. Klar, sie hatte ne Menge hinter sich, aber das hatte ich nun auch. Und ich verlangte mal ein bisschen Aufmerksamkeit von ihr. Aber bekommen würde ich es bei diesem Eiszapfen wohl nicht.
Ich stand auf. Sie hob den Kopf und sah mich an, verlangte wohl eine Erklärung, aber verdammt, die würde ich ihr nicht geben.
Verächtlich blinzelnd drehte ich mich einfach weg und lief los. Yuuki blieb sitzen und es fühlte sich für einen kurzen Moment echt gut an, jemanden fallen zu lassen, statt selbst fallen gelassen zu werden.
Aber je weiter ich von ihr wegging, je mehr bekam ich ein schlechtes Gewissen. Das hier war ich einfach nicht. Ich war nicht so jemand, der sich über andere stellte und egoistisch seinen Weg ging. Ich war nicht jemand, der seine Freunde im Stich ließ.
Ähm, du. Statt hier aufzuzählen, was du nicht bist, solltest du dich mal darum kümmern, was du bist. Deine Freundin ist grad zusammengebrochen.
Erschrocken drehte ich mich um. Yuuki hatte sich auf die Bank gelegt, zuckte komisch am ganzen Körper und sah panisch auf dem Boden.
"Yuuki!" In ein paar kurzen Schritten war ich bei ihr. "Was ist los, verdammt?"
"I- i- ich weiß es nicht. Mein Hand! Siles, meine Hand!", rief sie den Tränen nah.
"Was ist mir ihr?" Ich hockte mich hin und strich ihr übers Haar, versuchte, ihre Hand zu nehmen, die sie an ihren Körper gedrückt hielt.
"Es tut so scheiße weh. ", sagte sie mir erstickter Stimme. "Es fühlt sich so an, als würde sie langsam absterben."
Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Wie erstarrt blickte ich sie an, versuchte, dieses eine Wort mit anderen Begriffen in Einklang zu bringen. Sämtliche Erinnerungen stiegen in mir auf, vermischten sich mit Daten. Zacs Gesicht erschien vor meinem inneren Auge, wie er am Körper gezuckt hatte, bevor er seine Beine verlor und zuletzt auch seinen Arm. Angst schnürte mir die Kehle zu, als ich an Yuukis Akte dachte.
Liegt im Sterbejahr
Mhh, Jackpot Bro. Ist ähnlich wie Krebs. Man wurde so sehr von diesen Drogen zugedröhnt, dass man sozusagen eine Art Virus im Körper hat, also Krebs. Dieses bereitet sich aus und schadet den verschiedenen Organen. Ab da hat man nur noch nen Jahr zu leben, hörte ich Zacs Stimme wieder, als ich ihn damals im Keller zum ersten Mal traf.
Unbewusst fing ich an, schneller zu atmen. Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt.
"Siles?", holte Yuuki mich wieder aus meinen Gedanken. Sie blickte mich verständnislos und ängstlich an. Dann weiteten sich ihre Augen und sie verstand.
"Ich liege im Sterbejahr." Es sollte wie eine Frage klingen, aber es war so emotionslos hervorgebracht, dass es sich eher wie eine Feststellung anhörte.
Ich nickte.
Yuuki blickte schmerzerfüllt auf ihre Hand, ehe sie sich aufsetzte. Dann stand sie auf und hob den Kopf. Sah mir in die Augen. "Du wusstest das schon die ganze Zeit?"
Ich schloss die Augen und nickte abermals.
"Toll."
Als ich wieder meine Augen öffnete, sah sie wie in Trance ihre Hand an. "Ich spüre sie nicht mehr.", meinte sie sachlich.
Ihre Gefühllosigkeit machte mir Angst.
"Du... bist nicht sauer?"
"Warum sollte ich? Kannst ja nichts dafür. " Sie blickte auf zum sternenlosen Himmel. Es fing an, zu schneien.
Yuuki setzte sich wieder in Bewegung und ich folgte ihr. Holte auf und lief so neben ihr her.
"Weißt du, warum der Schnee weiß ist?", fragte sie plötzlich.
Ich schüttelte den Kopf.
"Weil er vergessen hat, welche Farbe er hat."
"Was?"
Sie schüttelte einfach nur den Kopf. "Vergiss es. Ich rede dummes Zeug. Wohin wolltest du vorhin gehen?"
Ich umfasste den Schlüssel in meiner Jackentasche. "Zur Schule."
"Ernsthaft? Wie willst du da denn bitte noch hereinkommen?"
"Ich bin ein Lehrerliebling, schon vergessen? Ich hab vorhin bemerkt, dass ich, bevor ich damals zu euch los bin, den Schlüssel noch in meiner Jackentasche hatte."
"Und was willst du da?"
"Das, was ich am besten kann. Hacken."
"Warum nicht bei Zac? Wir haben übrigens vergessen, sein Bier zu kaufen."
"Hast du bei Zac jemals einen Computer gesehen? Und stimmt."
Danach schwiegen wir wieder.
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Hey ho :D Kleine Ankündigung: Ich hab für Patient Nr. 1 jetzt einen festgelegten Tag, wo ich dann update. Und zwar wird das jetzt der Samstag sein :)
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