31

Draußen wieder angekommen, ließ sich Yuuki auf eine Parkbank fallen und atmete tief ein und aus. Es war ungefähr Mittag und die vielen Leute kamen aus ihren Häusern raus, lachten, winkten sich zu oder gingen was essen. Das Café vor uns wirkte sehr sehr einladend, und als ich in meinen Taschen kramte, fand ich einen einsam wirkenden Euro, den ich mir wohl irgendwann eingesteckt haben musste. Ich hoffte inständig, er würde für eine Tasse ausreichen.

"Hey...", wandte ich mich zu Yuuki, die grimmig immer wieder auf den Schnee vor ihr eintrat.

"Was?"

"Ich geh mir mal kurz einen Kaffee holen.. okay?" Einen Kaffee für meine Seele. Nach all dem Stress hier brauchte ich etwas zu trinken.

Sie zuckte mit den Schultern. Ich nahm das als ein Ja auf und wandte ich mich ab, um über die Straße zu gehen.

-

Die Kellnerin lächelte mir herzlich zu. Ihre Wangen waren von der Hitze und dem Arbeiten ebenso gerötet, wie die meinen, obwohl das Rot auf meinen Wangen erstens von der Kälte kam und zweitens, weil die Kellnerin wirklich sehr hübsch aussah. Ihre gelockten schwarzen Haare gingen ihr weit über die Schultern und das braun ihrer Augen erinnerte mich leicht an Schokolade. Was mich an meinen Kaffee erinnerte.

"Wie viel kostet denn ein Kaffee?", fragte ich sie.

Sie hob spöttisch die Augenbrauen und zeigte auf die Karte, die direkt vor mir lag. Ich war ja auch mal wieder so dumm. Ich räusperte mich und sah nach. Tatsächlich kostete ein Kaffee... viel mehr als ein Euro. War ja klar. Ich seufzte.

"Bisher kein so schöner Tag, was?" Das Mädchen vor mir sah mich mitleidig an.

"Nein..." Ich fuhr mir durch die Haare. "Und jetzt kann ich mir nicht mal einen guten Kaffee leisten. Zu wenig Geld."

"Wie viel hast du denn?"

"Einen Euro. Leider."

Sie legte den Kopf schief, ehe sie sich zu mir runterbeugte und verschwörerisch zuzwinkerte. "Da lässt sich schon was einrichten. Kopf hoch, junger Mann."

Ich sah sie überrascht an. Sie lachte und verschwand wieder.

Sie mag dich. Sie mag dich. Oh mein Gott, jemand mag dich.

Ich rollte mit den Augen und blickte auf den Tisch, betrachtete die Tischdecke und musste grinsen. Ich hätte schon mal nichts dagegen.

Kurze Zeit später tauchte sie auch wieder auf, stellte mit eine Tasse Kaffee hin und strich sich ihren Rock wieder glatt. Ihre Augen leuchteten so. Sie leuchteten!

Ah ja. Was ist daran so toll?

Verstehst du denn nicht Klaus? Sie wirkt so unbeschwert, so glücklich und einfach so... normal. Wie ein Mädchen, das einem Jungen gerade einen Kaffee serviert. Anders als...

Yuuki?

Ja. Und anders als Yuuki, kommt sie auch alleine klar. Sie wird noch schön weiter Kaffee servieren, und das ohne mich. Ich lächelte ihr dankbar zu, stand auf und gab ihr den Euro in die Hand.

Sie sah mich fragend an.

"Wie heißt du?", fragte ich.

"Venessa."

"Schön, also Venessa: Ich danke dir vielmals für den Kaffee. Du hättest doch sicher nichts dagegen, wenn ich die Tasse mit dem Kaffee mitnehme, meine Freundin wartet draußen auf mich. Keine Sorge, ich zahls dir irgendwann zurück."

"Äh..."

Ich hob die Hand und verließ mitsamt der Tasse den Laden. Ich hätte ihr schon am Anfang sagen sollen, dass ein Kaffee zum Mitnehmen wirklich besser gewesen wäre. Also Venessa.

So war es nämlich ziemlich schwer, den Kaffee nicht über meine Hose zu gießen, weshalb ich auch statt nach vorne zu sehen nach unten schaute, auf die Tasse.

"Yuuki, ich hab dir was mitgebracht..." Ich blickte auf und erstarrte. Da auf der Bank saß niemand mehr. Yuuki war weg und ich stand nur noch dämlich da, mit dieser Tasse Kaffee in der Hand und starrte das Sitzgestell ein paar Minuten an, ehe ich reagierte.

"Verdammt." Hastig trank ich den Kaffee aus und stellte die Tasse auf die Bank. Dann sah ich mich nach allen Richtungen um, erblickte Venessa in dem Café, wie sie mich böse anstarrte, und blieb zuletzt nach etlichen Läden und Häusern an einer dunklen Gasse hängen. Dort blitzte kurz blondes Haar auf, und klar, sie hätten jedem und jeder gehören können, aber ich war nunmal der Panik ziemlich nahe und war mir so hundertprozentig sicher, dass sie Yuuki gehören mussten.

Ich setzte mich in Bewegung. Rannte. Stück für Stück erkannte ich, dass dort mehrere Gestalten versammelt waren, großgewachsene Typen mit Lederjacken und meine Angst stieg. Scheiße.

Sie drängten Yuuki immer weiter in die Gasse und verschwanden nun vollkommen aus meinem Gesichtsfeld. Ich wurde schneller.

Ein paar Meter von der Gasse entfernt blieb ich abrupt stehen, als es sehr laut knallte und mir eine Hitzewelle entgegen schlug. Ich keuchte, brauchte eine Minute, um mich wieder ein bisschen orientieren zu können und rannte wieder los. Schlitterte um die Ecke und auf Yuuki zu, wurde aber immer langsamer.

Sie hockte auf dem Boden, ihre Kleidung war ganz nass und dreckig. Um sie herum konnte ich den Gestank von verbranntem Fleisch riechen und auf dem Boden lagen überall schwarze... Dinge.

Als mir bewusst wurde, was da auf dem Boden lag- abgetrennte, verbrannte Körperteile- kam in mir der Kaffee und das Frühstück hoch und ich übergab mich direkt vor meine Füße.

Ich keuchte und musste mich an einer Wand abstützen, als immer mehr hoch kam. Meine Kopfschmerzen verschlimmerten sich, alles drehte sich vor meinen Augen und mein Herz klopfte so übertrieben laut.

Benommen stolperte ich an den schwarzen Körperteilen vorbei, packte Yuukis Handgelenk und zog sie fort von der Gasse. Zunächst ließ sie sich nur von mir ziehen, aber irgendwann fing sie an zu rennen. Sie überholte mich und murmelte immer zwischendurch etwas. Immer und immer dieselben Worte. Und als wir so durch die Straßen rannten, in der Eiseskälte und das Bild der toten Menschen vor Augen, als meine Übelkeit wieder zurückging und ich mich einfach auf das Rennen konzentrierte, verstand ich endlich, was sie dauerhaft sagte.

Ich. hasse. Menschen.

-

So much Drama.



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