2.
Ich befand mich gerade Zuhause, genauer gesagt an meinem Computer. Ich bin ein totaler Computerfreak, müsst ihr wissen. In der Küche konnte ich meine Mutter kochen hören, Androsch war noch nicht Zuhause. Und das war auch der Grund, weswegen ich später am Ort des Geschehens sein sollte. Aber, ich weiß, immer der Reihe nach.
Ich saß also am Computer und programmierte mir gerade ein Programm neu, als es an meiner Zimmertür klopfte und Mama hineinkam, mit gerunzelter Stirn und besorgtem Blick.
„Ist was?", fragte ich.
„Maik ist noch nicht heimgekommen."
Maik war der Vorname von Androsch.
„Und? Vielleicht geben die ja eine Party oder so." Ich konnte dennoch nicht verhindern, dass ich mir ebenfalls Sorgen machte. Androsch war immer die Pünktlichkeit in Person. Nicht in allen Jahren, in dem ich mit ihm in einer Wohnung wohnte, war er einmal zu spät gekommen.
„Er hat mir aber nichts davon erzählt. Du kennst doch Maik. Er gibt allen doch immer Bescheid, wenn er irgendwo hingeht." Meine Mutter fing an, besorgt an ihren Fingernägeln zu kauen.
Ich stand auf und nahm ihre Finger von ihrem Mund weg. „Hör damit auf, Mama. Damit ruinierst du dir deine Hände. Wenn du willst, kann ich mich ja auf dem Weg machen und Androsch abholen gehen."
Ihre Augen fingen an zu leuchten. „Das würdest du machen?"
Ich nickte, zuckte mit den Schultern und fuhr mir durch die Haare.
Meine Mutter umarmte mich dankbar. „Du bist ein Schatz, Siles."
„Jaja..." Ich schob sie sanft wieder weg, schlüpfte in meine Turnschuhe, zog mir die Jacke an, nahm den Schlüssel vom Anhänger und schloss die Tür hinter mir.
Draußen atmete ich tief ein und aus. Okay... dann geh ich mal den Doc abholen.
Es war eine schöne Nacht. Nicht so grau wie die anderen. Sondern wirklich klar, mit vielen Sternen und so. Obwohl. Sterne interessierten mich eigentlich nicht sonderlich.
Ich zog den Kragen meiner Jacke höher, steckte meine Hände in die Taschen und machte mich auf dem Weg. Es war kalt.
Als ich nur noch wenige Blocks vom Krankenhaus entfernt war, hörte ich plötzlich ein sehr lautes Tuten, und mehrere Polizei- wie auch Feuerwehrautos rasten an mir vorbei. Ich dachte mir nichts dabei und lief gemütlich weiter. Allerdings fing ich dann doch an, zu rennen, als die Autos vor dem Eingang des Krankenhauses anhielten.
„Entschuldigen Sie, Sir, aber weshalb sind sie hier?", sprach ich einen Cop an.
Der Cop sah mürrisch zu mir runter. „Weil wir hier her berufen wurden. Ein anonymer Anrufer hinterließ einen Hilferuf auf dem Anrufbeantworter. Es sei wichtig, meinte er."
Wir sahen beide zu dem Krankenhaus, in dem eigenartigerweise kein einziges Licht angeschaltet war.
„Ich wollte hereingehen und meinen Stiefvater abholen."
„Ist er ein Patient?"
„Nein der Doc."
Wir fuhren beide zusammen, als es plötzlich knallte und die eine Hälfte des Krankenhauses in Flammen aufging.
„Steht nicht so doof rum!", brüllte der Polizist neben mir seine Kollegen an. „Bewegt euren Arsch und macht euch an die Arbeit!" Dann wandte er sich an mir. „Junge, dort ist es gefährlich. Bleib hier."
Ich achtete nicht auf ihn, sondern starrte in die Flammen. „ Das war der Trakt, in dem Dr. Androsch arbeitete..." Ohne es recht zu bemerken, setzte ich mich in Bewegung.
„Hey!" Der Cop hielt mich an der Schulter zurück, doch ich schlug seine Hand weg. „Ich muss ihn holen!", rief ich. „Ich hab es meiner Mutter versprochen." Damit achtete ich nicht weiter auf die Rufe der Polizisten und stürzte auf den Eingang zu.
Mir schlug eine Hitzewelle entgegen, als ich sie öffnete. Tausende von Menschen strömten auf den Eingang zu, Verletzte, Kranke, einfaches Personal... Ein kleines Mädchen mit Krücken hatte ihre Schwierigkeiten, schnell voranzukommen. Ich rannte auf sie zu, hob sie auf und stürzte mit ihr nach draußen, wo ich sie sanft ablegte und ohne auf ihren dankbaren Blick zu achten wieder zurücklief, um einer alten Oma zu helfen.
Hektisch starrte ich in den zweiten Stock, wo sich das Feuer langsam ausbreitete.
Mein Stiefvater beherrschte meine Gedanken, aber ich konnte diese vielen Menschen doch nicht dem Tod überlassen.
Bitte Androsch, pass auf dich auf.
Ein Junge in einem Rollstuhl blieb irgendwo hängen und stürzte kopfüber. Ich setzte mich wieder in Bewegung und half ihm auf.
„Los, Männer. Helft dem Bengel!", brüllte der Boss der Cops.
Ein Mann in Polizeiuniform rannte an mir vorbei und brachte einen Teenager nach draußen.
Immer mehr kamen hinzu.
„Hey, ich bin auf der Suche nach einem etwas älteren Doc.", fragte ich eine vorbeigehende Patientin. Sie schüttelte den Kopf und eilte weiter.
Ich fing auch an, zu rennen. Vorbei an den vielen Menschen, denen ja jetzt ausreichend von den Polizisten geholfen wurde.
„Hey, du!", brüllte ein alter Opa mir zu. „Geh doch nicht weiter! Das ist lebensgefährlich. Überlass das den Spezialisten!" Damit deutete er mit seinem Krückstock auf die Feuerwehrmänner und Cops.
Ich hörte nicht auf ihn und rannte weiter. Die Treppe rauf, in den ersten Stock, das T-shirt vor dem Mund und der Nase gepresst, auch wenn es nicht viel gegen den Rauch ausmachen konnte.
„Androsch?" Ich wandte mich verzweifelt nach rechts, sprang nach vorne, als etwas runter stürzte und mich beinahe erwischt hätte. „Maik!" Hustend stand ich wieder auf und stürzte in den nächstbesten Raum. Nichts, niemand. Schnell drehte ich wieder um und lief den Gang weiter. „ANDROSCH!"
Keine Antwort. Mir traten wegen dem Rauch Tränen in die Augen. Ich hustete wieder, und stützte mich an der Wand ab. Eine kurze Pause.
Und da hörte ich es. Ganz leise zwischen dem Knistern der Flammen, aber dennoch zu vernehmen. Ein Schrei.
„Maik?" ich stieß mich ab und stolperte los. Je näher ich kam, desto lauter wurde der Schrei.
„Dr.Androsch!"
Ich kniff die Augen zusammen, als ich langsam eine verschwommene Gestalt ausmachte.
„Maik?"
„Siles, Gott sei Dank!" Mein Stiefvater hustete. „Schnell, hilf mir. Ich bekomme den Balken nicht von mir runter." Er versuchte abermals, einen dicken Holzbalken von sich runter zu schieben.
Ich hockte mich neben ihn und zog von der anderen Seite. Mit gemeinsamen Kräften schafften wir es dann, den Balken langsam aber sicher weg zu schieben.
Androsch hustete wieder. „Meine Beine sind gebrochen. Schaffst du es, mich zu tragen?"
„Ich werds versuchen." Mit zusammengebissenen Zähnen hiefte ich meinen Stiefvater hoch und stampfte schwerfällig wieder Richtung Treppe.
„Pass auf, Siles!" , rief er.
Ich wich ungeschickt einem Steinbrocken aus und lief weiter. Die Treppe runter, wieder ins Erdgeschoss. Dort mobilisierte ich meine letzten Kräfte und rannte mit dem Doc auf dem Rücken zur Eingangstür.
„Da bist du ja!", rief mir der Boss der Cops erleichtert entgegen. Ich war zu erschöpft, irgendwie darauf zu reagieren und brach draußen in der kühlen, klaren Luft zusammen.
Kurz bevor ich in Ohnmacht fiel, erhaschte ich einen Blick auf ein Mädchen, das barfuß in einem weißen Nachthemd in den Wald lief.
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