18
So viel dazu. Wäre toll gewesen, wenn es jetzt einen Schlussstrich gegeben hätte. Ich- der schmächtige, großgewachsene Junge mit den krass blonden Haaren und den blauen Augen- mit Yuuki- einer krebskranken traumatisierten Patientin- in einem dunklen Keller, in einer Umarmung. Um uns herum tausende von Kisten mit einem lebensrettenden Medikament namens Xenol. Ein Flur weiter ein noch lebender Zac mit gelähmten Beinen, der auf einen bewusstlosen Psychopathen mit dem Namen Braunschweidt aufpasste. Und neben ihm ein kleiner braunhaariger Junge mit braunen Augen, der eben diese beiden anlachte. Im Raum neben uns eine sich nicht rührende Leiche. Über uns die ungeduldige Arbeitskraft, die wahrscheinlich gerade das Krankenhaus verließ. Bei mir Zuhause der Doc mit der Halbglatze und dem Brillengestell und meine Mutter- Laurel mit den blondem, unordentlich zusammengesteckten Dutt- beide sich Sorgen machend. Und über all dem diese geheimnisvolle, bedrohliche Organisation ParaSyc, die all das- diese ganzen Geschehnisse- ins Rollen gebracht hatte. Allein diese Gedanken vermittelten mir das Gefühl, klein und unbedeutend zu sein. Aber ich war dabei. Und das zählte.
Yuuki schienen die selben Gedanken gekommen zu sein, denn sie befreite sich aus meiner Umarmung und bedachte nachdenklich die Kistenreihen vor uns.
"Ich habe absolut keine Ahnung, wie wir all das transportieren wollen."
"Und das zudem noch unbemerkt.", fügte ich hinzu. "Wollen wir sie nicht lieber hier lassen?"
Sie schwieg.
"Hey, Leuts!", brüllte Zac. "Braunschweidt ist wach."
"Super..." Düster drehte Yuuki um und verließ den Raum, wahrscheinlich, um Zac nicht mit diesem Menschen allein zu lassen.
Ich allerdings blieb. Man sollte diese Kisten vielleicht erstmal zählen, damit man eine ungefähre Ahnung hatte, wie viel von diesem Medikament hier gelagert war. Und wie viel wir zu transportieren hatten. Ich seufzte und machte mich an die Arbeit.
Bei der letzten Kiste angekommen, machte ich eine Pause und verschnaufte. Alter, 100 Kisten. Wie krass war das denn. Neugierig öffnete ich eine und sah hinein. Allein die Menge der farblosen Pillen in einer Kiste könnte schon für ein Jahr ausreichen. Für zwei Personen, wenn man sie gerecht aufteilte und täglich nur eine gewisse Menge nahm. Warum hatte ParaSyc so viel hier gelagert, wenn doch eh nur ein paar Leute diese verabreicht bekamen? Wenn all die anderen Patienten in Quarantänen weggesteckt wurden, damit sie sich gegenseitig auffraßen? Das machte alles kein Sinn.
"Siles?"
Ich blickte auf und entdeckte Tommy neben mir. Seine braunen Augen hatten einen eigenartigen Glanz. Langsam kniete ich mich hin, damit ich mit dem kleinen Jungen auf einer Höhe war. "Mmh?"
Tommy sah auf seine Füße. "Ich hab Hunger."
Der eine Satz jagte mir eine Heidenangst ein. Ich schnappte mir ein paar Pillen und hielt sie ihm hin. "Hier."
Der Junge schüttelte den Kopf und deutete auf seinen Mund. Er hatte schon welche intus. Ich verstand. "Du möchtest was anderes essen oder?", fragte ich leise, "Hast du Lust auf einen Cheeseburger?"
Er nickte und blickte auf. "Wie die auf den Fotos immer. Diese ganz riesigen. An den Wänden."
"Dann bekommst du jetzt einen." Entschlossen richtete ich mich wieder auf. "Du, und Yuuki und Zac."
"Und was ist mit dem anderen?"
"Braunschweidt meinst du? Der nicht. Der war ganz böse."
"Ganz ganz böse." Tommy umklammerte meine Hand, als ich mich in Bewegung setzte. Sie war ganz kalt und durchgeschwitzt, aber es störte mich ausnahmsweise mal nicht.
Auf dem Flur angekommen, kam mir Yuuki entgegen. Zac stützte sich auf ihrer Schulter ab.
"Was habt ihr mit Braunschweidt gemacht?"
"Nichts. Wir haben ihn laufen lassen, unter der Bedingung, dass er sich um seinen Kollegen kümmert.", antwortete Zac. "Der Typ war ganz rot vor Wut, aber als Yuuki dann mit dem Hockeyschläger ankam, war er auf einmal still. Son Spast."
"Er könnte die Polizei kontaktieren. Oder eure Eltern."
Yuuki zuckte mit den Schultern. "Das ist mir sowas von egal."
Ich schwieg. Dann deutete ich auf Tommy und grinste schief. "Ich wollte Tommy grad einen Cheeseburger kaufen. Kommt ihr mit?"
"Wenn du mir auch was kaufst."
"Logo."
-
Wir hatten unsere Schwierigkeiten, aus dem Krankenhaus zu kommen. Die Krankenschwestern liefen überall rum, Nachtschicht. Dauernd hielt eine von denen an und fragte uns, ob alles okay wäre. Schlussendlich wurde Zac dann in einen Rollstuhl gesetzt, den Yuuki dann unter großem Murren schieben sollte. Und zwar in deren "Zimmer". Da wir aber keins hatten, lief Yuuki mit Zac vor, während ich zusammen mit Tommy die Krankenschwestern soweit ablenkte, dass keiner mehr von denen darauf achtete, dass zwei ihrer Patienten das Haus verließen. Da keiner von uns in dem Computer registriert war, kamen wir dann auch so gut wie unbemerkt raus. Kurze Zeit später hielten wir vor einem Mc.Donalds. Ich verfluchte mich dafür, nicht daran gedacht zu haben, dass die meisten Läden zu dieser Zeit geschlossen waren. So fiel mir die Aufgabe zu, dem kleinen Tommy zu erklären, weshalb genau er keinen Cheeseburger bekommen würde.
"Und was machen wir jetzt?", brummte Yuuki missmutig. "Wir sitzen im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße. Und ich bin müde."
"Jeder ist hier müde, Süße.", knurrte Zac. "Und dieses scheiß Ding vermittelt mir das Gefühl, ein behinderter, alter Knacker zu sein. Ich bin neunzehn verdammt."
"Sag nichts gegen Behinderte. Die können nichts für."
Ich rollte mit den Augen und nahm Tommy huckepack. Der Kleine war ausgelaugt und kurz vorm Einschlafen. Ihm fielen dauernd die Augen zu.
"Statt euch zu streiten, könntet ihr mal ruhig mitdenken."
Yuukis Augen blitzten, Zac schnaubte verächtlich.
"Zu mir könnt ihr ja wohl kaum. Meine Mutter würde euch sofort zurückschicken." , meinte ich düster.
"Von Anrosch gar nicht erst zu reden.", fügte Yuuki hinzu. Sie gähnte.
Eine Weile standen wir so rum, jeder in seinen eigenen Gedanken vertieft.
"Zac, hast du eigentlich eine eigene Wohnung?", fragte Yuuki plötzlich. Wir sahen auf.
"Schon... aber am anderen Ende der Stadt. " Zac schüttelte den Kopf. "Es würde ewig dauern, dort hin zu gehen."
Eine Bahn fuhr bei der Haltestelle ein. Ich sah hin und schüttelte den Kopf. "Müssen ja nicht laufen. Es gibt zufälligerweise auch Bahnen."
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