12

Yuuki verharrte noch eine Weile in dieser Position, und ehrlich, dieses Bild würde mir im Gedächtnis bleiben. Ich hatte Tommy zuliebe das Deckenlicht ausgemacht. Ich wusste aus eigener Erfahrung, dass so ein helles Licht die Kopfschmerzen in manchen Fällen noch verschlimmerte. Statt elektronischem Licht erfüllte jetzt also das Mondlicht mein Zimmer, und wie mir schien, konzentrierte es sich auf Yuuki. Sie wurde vollkommen von Mondlicht überstrahlt, was ihr einen silbernen Schimmer verlieh. Die nassen blonden Haare fielen ihr über die Schulter, Wasser tropfte von den Haarspitzen auf meinen Teppich. Das weiße Kleid meiner Mutter stand ihr, auch wenn ich das niemals zugeben würde. Ich spürte, wie die Röte wieder in mein Gesicht stieg, weshalb ich mich peinlich berührt räusperte. Der weiche fürsorgliche Ausdruck verschwand aus ihren Augen, als sie sich wieder zu mir drehte. „Lass uns es draußen klären. Ich möchte nicht, dass Tommy durch uns wieder aufwacht."

„Okay." Ich folgte ihr nach draußen, schloss die Zimmertür hinter mir und sah sie abwartend an. Dann fielen mir wieder meine guten Manieren ein. „Möchtest du vielleicht etwas trinken? Essen?"

Sie schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme. „Ich vertrag normales Essen nicht."

Ich hätte mich dafür facepalmen können. Klar, vertrug sie kein Essen. Sie war ja auch überhaupt nicht deswegen im Krankenhaus gelandet. Ich war manchmal so behindert.

„Aber etwas zu trinken würde nicht schaden.", sagte Yuuki verlegen.

„Achso okay." Ich ging in die Küche und sah ratlos in den Kühlschrank. „Was hättest du denn gerne?"

„Wasser..."

„Nur Wasser? Wir haben auch Cola oder Sprite oder Fanta... wie wärs mit Apfelsaft?"

„Nein danke." Yuuki ließ sich auf ein Stuhl nieder und sah sich unbehaglich in der Küche um.

Ich beobachte sie von der Seite, als ich ein Glas nahm und normales Leitungswasser in dieses laufen ließ.

„Hier."

Sie nickte und nahm es entgegen. Ich sah ihr beim Trinken zu und wartete. Irgendwann schloss sie genervt die Augen. „Wenn du mich weiter so anstarrst, fallen dir die Augen noch irgendwann raus."

„Sorry. Was machst du jetzt hier?"

„Siles..."

„Ach stimmt.", unterbrach ich sie. „Woher weißt du meinen Namen. Das ist mir auch schon davor aufgefallen. Ich habe in dir noch nie genannt."

„Egal. Ist jetzt nicht wichtig." Yuuki sah mich an. „Siles, Tommy ist schwerkrank. Er braucht Medikamente."

Ich runzelte die Stirn. „Und weswegen kommst du zu mir? Hättest ihn ja auch im Krankenhaus lassen können."

„Nein, hätte ich nicht." Ich wartete, aber es folgte keine weitere Erklärung.

„Warum nicht?", fragte ich schlussendlich.

Sie schüttelte den Kopf. „Das zu erklären würde viel zu lange dauern. Das wichtigste ist jetzt erstmal, dass er seine Medikamente bekommt. Ich hätte ihn gleich zu dir bringen sollen, die Kälte da draußen ist ihm nicht gut bekommen."

„Und dir auch nicht."

Yuuki's Augen blitzten. „Glückwunsch für deine Beobachtungsgabe."

„Du möchtest also, dass ich dir bestimmte Medikamente besorge?"

Sie nickte. „Genau das."

Ich seufzte und fuhr mir durch die Haare. „Yuuki, wie soll ich denn bitte an Medikamente kommen? Ich hab nicht mal ne Ahnung was man mit Baldriantabletten macht und son Scheiß. Mein Dad ist der Doc. Nicht ich."

„Eben." Yuuki sah mich ernst an. „Dein Dad ist der Doc."

Mir ging ein Licht auf. „Du möchtest allen Ernstes, dass ich meinen Vater bestehle?"

Sie schwieg. Ich stand auf, um in der Küche rum zu laufen. „Nein. Yuuki, nein. Ich bestehle nicht meinen eigenen Vater. Ich könnte ihn vielleicht fragen...."

„Nein!" Yuuki stand erschrocken auf. „Sag ihm kein Wort von mir."

„Warum?"

Sie schien mit sich zu kämpfen. Gerade als sie ihren Mund öffnete, um zu antworten, hörten wir das Klimpern eines Schlüssels.

Yuuki erstarrte und sah mich panisch an.

„Meine Mutter." Ich blickte sie unentschlossen an. Dann schien mir die Situation erst richtig aufzufallen. Wie würde Mama wohl reagieren, wenn sie mich kurz nach Mitternacht mit einem Mädchen in der Küche diskutieren sah? Einem Mädchen, das eines ihrer Lieblingskleider trug? Wie würde sie reagieren, wenn sie vom kranken Jungen in meinem Zimmer erfuhr?

„Scheiße, das ist ganz und gar nicht gut." Ich packte Yuukis Hand und zog sie hinter mir her in mein Zimmer. „Wir reden später weiter. Bleib du jetzt erstmal hier okay? Aber sei still!"

Sie rollte mit den Augen.

„Siles? Bist du noch wach?", hörten wir meine Mutter rufen.

Ich sah Yuuki noch mal warnend an, dann schloss ich die Tür hinter mir und lief die Treppen wieder runter. „Ja. Musste noch ewig für Chemie lernen. Wusstest du, dass ich Chemie hasse?"



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