~ 6 ~
Am nächsten Tag wache ich früher auf als sonst. Ich bin sogar so früh wach, dass mein Wecker, wenige Minuten nachdem ich aufgewacht bin, klingelt. Ich eile aus dem Bett und ziehe mich für die Arbeit an.
Heute treffe ich mich mit Shawn. Vielleicht erklärt er mir dann auch, weshalb er mir die letzten Tage nicht geschrieben hat. Das interessiert wirklich mich sehr.
Die letzten Tage habe ich immer wieder auf mein Handy geschaut, in der Hoffnung, eine Nachricht von Shawn erhalten zu haben. Bis gestern kam aber keine Nachricht von ihm. Umso mehr habe ich mich über die Nachricht gefreut.
Im Anschluss an die Nachricht von Shawn, habe ich ihm geschrieben, dass ich morgen nach der Arbeit frei hätte und wir dann etwas unternehmen könnten. Er hat vorgeschlagen, mich von der Bibliothek abzuholen. Dem habe ich natürlich zugestimmt.
Alleine beim Gedanken daran, Shawn wieder gegenüber zu treten, werde ich nervös.
Da heute Dienstag ist, ist auch Aaliyah wieder in der Bibliothek, die bereits in meinem Büro sitzt.
Ein Lachen entfährt mir, als ich sehe, dass sie auf dem schwarzen Sitzsack eingeschlafen ist. Ihren Kopf hat sie auf dem Schreibtisch vor ihr abgelegt.
Mit einem lauten ,,Guten Morgen!" versuche ich die Braunhaarige zu wecken.
Ohne Erfolg.
Also überlege ich mir etwas anderes, um sie aus dem Schlaf zu holen.
Ich befülle ein Glas mit etwas kaltem Wasser und kippe es ihr in den Nacken. Sofort setzt sie sich auf.
,,Was soll das?" fragt sie genervt und seufzt.
,,Wonach sieht es aus? Ich wecke dich auf." erwidere ich und beginne zu lachen. Auch sie fängt an zu lachen.
Aaliyah kann einem einfach nicht böse sein. Ich habe ihr in den Tagen, in denen sie bereits hier ist, den ein oder anderen Streich gespielt.
Letzte Woche Donnerstag habe ich zum Beispiel ihre Tasche versteckt. Sie hat es nicht bemerkt und wollte ernsthaft ohne Tasche nach Hause gehen, hätte ich sie nicht darauf aufmerksam gemacht.
,,Wie war eigentlich dein Date? Du hast mir noch gar nichts davon erzählt." sage ich und schmunzele.
Sie schaut mich kurz an und fängt dann an zu erzählen.
,,Es war grauenhaft. Am Anfang haben Oliver und ich ganz normal über unsere Hobbies geredet. Irgendwann hat er nur noch über sich selbst geredet. Es ging nur noch um sein Aussehen, sein Geld, sein Aussehen, seine Familie, sein Aussehen, seine guten Noten und natürlich sein Aussehen. Habe ich schon sein Aussehen erwähnt?"
Ich schaue sie mit großen Augen an. Aus ihren früheren Erzählungen hätte ich gedacht, dass er ein netter Kerl sei. Vor ihrem Treffen, hielt sie ihn für sehr nett. Aber der erste Eindruck kann täuschen.
Das habe ich am eigenen Leibe erfahren müssen.
,,Zum Abschied hat er mir einen Kuss auf den Mund gegeben. Ich werde ihn ganz bestimmt nicht noch einmal treffen." beendet Aaliyah die Geschichte empört.
Vollidiot. Sie verdient so einen abscheulichen Jungen nicht.
,,Kopf hoch, Aaliyah! Irgendwann kommt der Richtige. Du bist erst fünfzehn, da kann es vorkommen, dass du mal an einen Idioten gerätst." heitere ich sie auf, woraufhin sie nur nickt.
Während Aaliyah sich bei einem Mitarbeiter einen Film über die Ausbildung zum Bibliothekar angucken muss, checke ich das elektronische Postfach. Meistens bekommen wir nur Anfragen für Verlängerungen von Abgabefristen.
Also lese ich mir Mail für Mail durch und verlängere die ausgeliehenen Exemplare.
Als ich jedoch die nächste E-Mail angucke, sticht mir der Absender besonders ins Auge. Ungläubig lese ich den Absender wieder und wieder durch. Mein Herzschlag verschnellert sich.
Kann es wirklich sein?
Ob sie das ist?
Sofort öffne ich die E-Mail.
Von: [email protected]
Sehr geehrte Arbeiter der Stadtbibliothek,
Aus privaten Gründen habe ich keine Zeit, die Abgabefrist meiner entliehenen Bücher zu verlängern. Wären Sie so freundlich, dies für mich zu erledigen?
Mit freundlichen Grüßen,
Leyla Nur
Sofort zücke ich mein Handy hervor und fotografiere die Mailadresse ab, um ihr später mit meiner privaten Mailadresse zu schreiben.
Wie wahrscheinlich ist es, dass meine Schwester wirklich in Toronto lebt? Es gibt doch bestimmt hunderte Leylas auf dieser Welt, die den Nachnamen Nur tragen. Oder?
Ich beschließe, es dennoch zu versuchen. Immerhin habe ich nichts zu verlieren.
Zu lange musste ich dafür warten, meine Schwester wieder sehen zu können. Ich darf mir diese Möglichkeit nicht entgehen lassen.
Nachdem ich mehrere Nachrichten beantwortet habe, öffnet sich die Tür und Aaliyah kommt herein.
,,Jasmin, hast du Lust etwas zu essen?" kommt es von ihr. Ich blicke auf die Uhr und stelle fest, dass es bereits 13 Uhr ist. Das heißt ich habe Mittagspause. Ich nicke ihr zu und fahre den Laptop herunter.
,,Gibt es bei dir eigentlich einen Jungen?" fragt Aaliyah neugierig, während sie ihre braunen Haare zu einem Zopf bindet.
Der Duft der Lasagne auf ihrem Teller lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wir sitzen gerade in der Cafeteria der Stadtbibliothek und verbringen unsere Mittagspause.
Ich überlege, ob ich ihr von Shawn erzählen soll. Vielleicht kann sie mich ja ein wenig beruhigen, was unser Treffen angeht.
,,Ich treffe mich heute mit einem Jungen. Er heißt Shawn und -" setzte ich an, werde jedoch von Aaliyah unterbrochen.
,,WAS?" schreit sie mir entgegen. Erschrocken lasse ich die Gabel aus meiner Hand fallen. Er lautes Klirren ertönt, als das Metall den Boden berührt.
Einige Besucher an den Tischen um uns herum sehen uns mit großen Augen an. Andere wiederum schütteln nur mit dem Kopf.
,,Tut mir leid." murmelt sie. „Es ist nur, mein Bruder heißt Shawn und hat heute ein Treffen mit einem Mädchen. Mehr hat er mir nicht erzählt."
Also ist Shawn ihr Bruder? Erst jetzt fällt mir auf, dass ich Aaliyahs Nachnamen gar nicht weiß. „Wie ist denn dein Nachname?" frage ich sie daher.
,,Mendes." kommt als Antwort von ihr. Tatsächlich, sie sind Geschwister.
,,Er hat die letzten Tage immer wieder von einem Mädchen mit braunen Haaren gesprochen. Ihren Namen hat er mir aber verheimlicht, weil er weiß, dass ich sonst in allen sozialen Netzwerken nach ihr gesucht hätte." erklärt sie.
Ich muss auf ihre Worte hin lachen. Scheinbar bin ich nicht die einzige, die gerne im Internet irgendwelche Leute stalkt.
Erst im nächsten Moment realisiere ich den ersten Teil ihres Satzes. Er redet von mir?
,,Ich finde es echt lustig, dass er jetzt auch mal jemanden abbekommen hat. Seit wann seid ihr schon ein Paar?" fährt sie fort.
Mein Gesicht wird ganz warm. Wahrscheinlich sehe ich jetzt aus wie eine Tomate.
„Wir sind nicht zusammen!" sage ich wohl etwas zu laut, denn erneuert drehen sich die Leute zu uns um. Jetzt denken die Leute wahrscheinlich, dass wir komplett gestört sind. Das ist mir im Augenblick aber egal. Ich muss mehr über Shawn herausfinden.
,,Hat er sonst noch etwas erzählt?" frage ich Aaliyah neugierig, in der Hoffnung, dass er noch mehr über mich erwähnt hat.
,,Nicht wirklich. Nur, dass du ein schönes Lächeln hast und er deine Augen sehr schön findet." antwortet sie auf meine Frage hin und wackelt mit den Augenbrauen.
Auf ihre Worte hin setzt mein Herz einen Schlag aus und ich fange automatisch an, breit zu grinsen.
Ich hatte das Kapitel gerade überarbeitet weil ich nicht schlafen kann und dachte, es würde nicht schaden es schon mal hoch zu laden 🙈
Es ist ja nur drei Uhr nachts 😂
Den Film über die Ausbildung zum Bibliothekar gibt es tatsächlich. Den musste ich mir mal während eines Praktikums in der Bibliothek anschauen. Der war grauenhaft 🙃
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