~ 48 ~

,,Danke fürs Fahren." bedanke ich mich bei meinem Freund und gebe ihm einen Kuss.

,,Kein Problem. Bist du sicher, dass ich nicht mit reinkommen soll?" fragt er besorgt.

Ich nicke. ,,Ich muss das alleine machen, Shawn. Ich erzähle dir heute Abend alles." verspreche ich ihm und steige dann aus dem Wagen.

Meine Arme und Beine zittern, als ich zum Gebäude laufe. Mit jedem Schritt steigt meine Nervosität.

Die Fassade der Polizeistation ist grau. Es ist nicht das sichere Grau, sondern eines, das die Betrachter abschreckt. Ich drücke die Tür auf und trete in das Gebäude.

Die Luft ist trocken und die Wände sind ebenfalls grau, so wie die Außenfassade.

,,Guten Morgen, ich hatte heute einen Termin." spreche ich die blonde Dame an der Rezeption an.

,,Ich bräuchte ihren Ausweis." sagt sie freundlich und lächelt. Ich reiche ihr meinen Ausweis und starre an die Wand hinter ihr. Sie ist, wer hätte es gedacht, grau. Wie soll sich hier jemand wohl fühlen, wenn alles grau ist?

,,Entschuldigung?" Die Stimme der Frau zieht meine Aufmerksamkeit sich. Hat sie etwas gesagt?

,,Ja?" erwidere ich.

,,Setzen Sie sich bitte, eine Beamtin wird Sie gleich abholen." spricht sie und reicht mir meinen Ausweis. Ich bedanke mich bei ihr und setze mich auf einen schwarzen Stuhl an der Wand hinter mir.

Naomi hat mir eine Nachricht geschrieben.

Bist du schon bei der Polizei?

Ich antworte ihr.

Ja, ich warte jetzt auf eine Beamtin. Das Gespräch sollte gleich beginnen.

Ihre Antwort kommt sofort.

Du schaffst das. Du bist stark, vergiss das nicht!

Ob sie Recht hat? Ich weiß es nicht. Ich weiß immerhin nicht, was mir heute bevorstehen wird.

Gerade möchte ich Naomi eine weitere Nachricht schreiben, als eine Frau in Uniform vor mir auftaucht.

,,Mrs. Nur, würden sie mir bitte folgen?"

Ich nicke und stehe auf. Dann folge ich ihr in kleinen Raum, der mit einem hellen Holztisch und jeweils zwei Stühlen auf der Vor- und Rückseite ausgestattet ist.

,,Setzen Sie sich bitte." bietet mir die dunkelhaarige Beamtin an und stellt die Akten, die sie in ihrer Hand hat, auf dem Tisch ab.

Ich setze mich und warte, bis sie etwas sagt.

,,Mein Name ist Nicole Nolan und ich bin hier, um Sie vollständig über Ihre getätigten Anzeigen und Ihre Rechte aufzuklären." Sie reicht mir die Hand, die ich zögerlich annehme.

,,Ich denke, ich erklären Ihnen erst einmal die gesamte Situation und gebe Ihnen dann die Möglichkeit Fragen zu stellen. Es gibt außerdem noch einige Dinge, die wir Sie über den Fall fragen müssen."

Ich nicke. Mein Herz droht mir vor Neugier und Angst aus der Brust zu springen.

,,Wie sie wissen, ist Nadir Sam ihr ehemaliger Ehepartner gewesen. Er wird wegen sexueller Nötigung, sexuellem Missbrauch, Hausfriedensbruch, dem Einbruch bei Ihnen zuhause und weiterer Dinge mehrere Jahre im Gefängnis bleiben. Die nächsten zehn Jahre ist er dort, wenn der Richter es für nötig sieht, vielleicht auch länger."

Erleichtert atme ich aus. Ich werde diesen Bastard nie wieder sehen können.

,,Ihr Vater, Zain Nur, und alle Komplizen von Nadir, unter anderem Jack Mendes, kommen ebenfalls für mehrere Jahre ins Gefängnis." fährt sie fort.

Sie berichtet mir außerdem genauer, wie die gesamte Tat verlaufen ist. Nadir hat durch einen Spion in Toronto erfahren, dass ich hier bin. Er hat Vorbereitungen getroffen und Jack und meinen Vater gebeten, ihm zu helfen mich zu finden. Jack hat dann Shawns Handy gehackt und darüber herausgefunden, wo ich wohne. Es macht alles Sinn, aber es fehlt etwas. Das Puzzle ist unvollständig und ich brauche das letzte Teil, um alles verstehen zu können.

,,Wissen Sie, wieso Nadir solange gebraucht hat, um hierher zu kommen?" frage ich die Beamtin.

Sie nickt. ,,Nadir hat selber ausgesagt. Er wollte so viele Informationen wie möglich sammeln, damit er so viele Möglichkeiten wie möglich besitzt, um Sie zu finden."

Das ist doch verrückt.

,,Nadir wurde außerdem von einem Therapeuten begutachtet. Ich darf nicht ohne weiteres Informationen darüber weitergeben, aber er wird mehrere Jahre eine Therapie absolvieren müssen. Der Mann ist besessen von Ihnen gewesen aber das wissen Sie wahrscheinlich selber." spricht sie weiter und schüttelt verächtlich den Kopf. Verständlich, immerhin kann ich diesen Mann selber nicht verstehen.

,,Kann ich meinen Vater für die Zwangsehe anzeigen?" Ich weiß, es ist nun mal so geschehen, aber ich würde trotzdem gerne, dass mein ,,Vater" seine gerechte Strafe dafür bekommt.

,,Leider nicht, das ist nicht möglich. Es tut mir wirklich leid, dass Ihnen so etwas passieren musste."

Enttäuscht nicke ich.

,,Wir würden Ihnen gerne einige Fragen stellen, wenn das in Ordnung wäre?" spricht die Beamtin ruhig.

Ich nicke und die Beamtin zieht einige Papiere hervor. ,,Wir haben einige Personen gefunden, die als Täter Ihres sexuellen Missbrauchs in Frage kommen. Denken Sie, sie könnten sich die Bilder anschauen und aussagen, ob die Männer als Täter in Frage kommen?" Sie legt ihre Lippen aufeinander und schaut mich mitleidig an.

,,Ich.. Ja. Ich möchte die Bilder sehen." spreche ich mit zitternder Stimme. Ich habe Angst vor den Gefühlen und Erinnerungen, die die Gesichter in mir auslösen können, aber ich muss es tun. Nach all den Dingen, die mir in den letzten zwei Jahren passiert sind, habe ich Gerechtigkeit verdient.

,,Okay. Dann schauen Sie sich bitte diese Bilder an." fordert mich die Beamtin auf und legt ein Bild vor mir ab, auf dem mehrere Gesichter abgebildet sind.

Mein Herz rast beim Anblick dieser Bilder und Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn. Ich muss ruhig atmen. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Es funktioniert und mein Herzschlag wird etwas langsamer.

Ich wackele mit meinem Bein und schaue mir die Bilder an.

Nach mehreren Minuten haben wir mehrere Männer ausgemacht, an die ich mich erinnern kann. Sie notiert sich deren Namen und legt dann die Papiere zur Seite.

,,Das verlief ja super. Wie geht es Ihnen?" fragt die Beamtin und blickt mir in die Augen.

,,Ganz gut. Ich bin nervös und zittere ein wenig, aber ich denke das ist in so einer Situation normal."

Die Polizisten summt zustimmend. ,,Das kann in solchen Situationen passieren. Machen Sie sich da keine Sorgen. Haben Sie noch irgendwelche Fragen?" wechselt sie das Thema.

Oh ja. Ich habe eine Frage, die mir schon so lange auf der Zunge brennt.

,,Wer ist der Spion, von dem Sie vorhin erzählt haben?" frage ich direkt.

Die Beamtin nickt. ,,Wir haben einen Chatverlauf zwischen Nadir und dem Spion auf Nadirs Handy gefunden. Möchten Sie ihn-"

,,Ja!" rufe ich und unterbreche die Frau beim Sprechen. Mit dem Bein wackele ich auf und ab.

Sie holt einen Zettel hervor und legt ihn vor mir auf den Tisch. Nadir hat die Person unter ,,Bro" eingespeichert. Wer könnte das sein? Sofort lese ich mir die Nachrichten durch. Die ersten Nachrichten stammen von ,,Bro".

Nadir, sie ist hier. Ich habe sie gestern gesehen.

Nadir hat einige Stunden später geantwortet.

Das ist gut! Kannst du Rania besser kennenlernen und mir dann ihre Adresse und Telefonnummer geben? Wegen der Kohle können wir noch einmal sprechen, wenn ich in Toronto bin ;)

Nadir bietet dem Spion also Geld an, damit er für ihn arbeitet. Aber wer könnte das sein. Mein Atem stockt immer wieder, als ich weiterlese.

Die nächste Nachricht ist vom Spion.

Ich versuche sie näher kennenzulernen, aber ich kann dir nichts versprechen.

Daraufhin hat Nadir sofort geantwortet.

Gib mir bitte schnellstmöglich Bescheid.

Dann kam keine Antwort mehr von der anderen Person.

Nadir hat ihm oder ihr in den folgenden Tagen immer wieder geschrieben, aber er hat keine Nachrichten mehr zurück erhalten.

Bist du noch da?

Hallo?

Hast du ihre Adresse?!

Ich schwöre dir ich bringe dich um!

Vergiss nicht, was ich alles gegen dich in der Hand habe!

Keine Antwort mehr. Im Chat sind noch weitere Nachrichten von Nadir, in denen er nach der Person fragt. Nirgendwo wird aber der Name des Spions genannt.

,,Die beiden haben auch andere Nachrichten ausgetauscht, unter Anderem hat Nadir Bilder von Ihnen an verschiedene ,,Helfer" versendet, damit diese gezielt nach Ihnen suchen können."

,,Wissen Sie, wer der Spion ist?" frage ich die Beamtin mit kratziger Stimme. Mein Hals ist wegen der Aufregung ganz trocken.

,,Ja. Vielleicht kennen Sie ihn sogar. Wir haben seine Handynummer, seine Adresse und ein Bild. Natürlich haben wir auch seinen Namen." spricht sie. Es ist also ein Mann.

Sie holt einen weiteren Zettel heraus. Oben steht dick ,,Verdächtigter 14" geschrieben. Darunter ist eine Handynummer zu lesen.

Mein Herz bleibt stehen, als mein Blick auf das Bild von dieser Person fällt. Das muss ein Albtraum sein. Ungläubig wechselt mein Blick von seinem Gesicht zu seinem Namen.

Ich hätte vieles erwartet, aber niemals, dass er dazu in der Lage wäre.

Er ist es.

Hey, also das ist das Kapitel, das ich schon die ganze Zeit im Kopf hatte. Ich weiß, dieser Cut ist gemein, aber ich habe euch vorgewarnt 🙈💚

Was glaubt ihr, wer ist der Spion?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top