~ 41 ~

Das einzige was ich wahrnehme, ist ein Piepsen in meinen Ohren. Benommen laufe ich in die Wohnung und sehe Jack auf dem Boden liegen. Ist er bewusstlos?

Das ist in dem Moment weniger wichtig, deswegen schreite ich so schnell wie möglich zum einzigen Zimmer, in dem Licht an ist. Was ich dort sehe, verschlägt mir die Sprache. Mein Mund ist plötzlich ganz trocken und der Druck in meinen Ohr ist mir völlig egal.

Nadir sitzt auf Rania und drückt sie herunter, während ein etwas übergewichtiger Mann - vermutlich Ranias Vater - vor Naomi steht. Diese hingegen liegt auf dem Boden.

Nadir lehnt sich runter zu meine Freundin und küsst sie am Hals. ,,Du gehörst mir." stöhnt er und küsst sie weiter.

Meine Hände zittern. Ich bringe diesen Kerl um.

Nadir lehnt sich gerade wieder hoch und ich nutze die Sekunde und ziele mit der Waffe auf seinen oberen Rücken. Ohne zu Zögern drücke ich ab.

Ein lauter Knall ertönt und durch den Rückprall taumele ich nach hinten. Nadir schreit laut auf und lässt dabei Waffe fallen.

Nadir Körpers fällt auf Rania. Ich renne los, werde aber von Ranias Vater am Arm festgehalten. Mit aller Wucht haue ich ihm mit der Waffe in meiner Hand gegen die Schläfe, wodurch er einige Schritte nach hinten macht und dann gegen die Wand fällt.

Ich nutze den Augenblick und renne zu Rania, um Nadir von ihr herunter zu bekommen. Seitlich rolle ich ihn herunter. Blut sickert aus dem Loch in seiner Schulter.

Plötzlich spüre ich eine Hand an meinem Bein. Ich erschrecke, erkenne dann aber, dass es Rania ist. Ich helfe ihr hoch und lehne sie an die Glaswand hinter ihr an, die wohl die Tür zum Balkon darstellt. Ihr Gesicht hat mehrere blaue Flecken, ansonsten sieht sie aber ganz in Ordnung aus.

Polizeisirenen sind im nächsten Augenblick aus der Ferne zu hören. Hat die Polizei so schnell etwas davon mitbekommen, dass hier etwas los ist?

Mein Blick schweift durch den Raum. Ranias Vater liegt an der Wand und kann sich nicht bewegen, Jack liegt bewusstlos, oder sogar tot auf dem Boden und Nadir wurde gerade angeschossen. Er sollte sich also auch nicht mehr bewegen können.

Schweißperlen rinnen Ranias Stirn herunter und sammeln sich unter ihren Augen. Oder sind das Tränen? Blaue Flecken zeichnen sich an ihrer Wange ab und ihre Haut ist etwas angeschwollen. ,,Es wird alles gut." flüstere ich und greife nach ihrer Hand, auf der ich dann einen Kuss setze.

,,Na- Naomi" krächzt mein Mädchen.

Erst jetzt fällt mir ein, dass Naomi ebenfalls hier ist, immerhin ist es ihre Wohnung.

Ich laufe zu ihr und mir fällt auf, dass sich in der Wand hinter ihr ein Loch befindet, in der eine Patrone steckt. Hat einer von den Männern etwa versucht sie anzuschießen?

Ich helfe Naomi hoch, die ziemliche Probleme hat aufzustehen - sie humpelt mit einem Bein - und lehne sie ebenfalls an der Wand neben Rania ab. Naomi keucht ziemlich stark und ihr Körper zittert, aber ansonsten hat sie, bis auf einiger blauer Flecke im Gesicht, keine Verletzungen.

Es kostest mich meine gesamte Willenskraft, nicht aufzustehen und Nadir zu verprügeln.

Lautes Husten kommt aus Nadirs Körper, der vor uns liegt, zu uns. Beim Husten stoßt er ein wenig Blut aus. ,,Das wirst du bereuen." ächzt Nadir und hebt seine Hand, um nach einer Waffe zu greifen, die aus seiner Hand gefallen ist, als ich ihn angeschossen habe. Die Waffe ist jedoch zu weit entfernt, als dass er an sie heran kommt.

Im nächsten Augenblick sind laute Schritte im Treppenhaus zu hören und durch die offene Wohnungstür stürmen Polizisten ins Haus.

Erleichtert atme ich aus und deute auf Nadir, Zain und Jack, in der Hoffnung, dass die Polizisten verstehen, was ich meine.

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Zwei Stunden später befinden Naomi, Rania und ich uns in einem Zimmer eines Krankenhauses. Nachdem die Polizisten die Wohnung von Naomi gestürmten hatten, wurden mehrere Krankenwagen gerufen, um Nadir, Jack, Zain und uns ins Krankenhaus zu bringen. Jack und Zain wurden, da sie keine wirklichen Verletzungen hatten sofort in Untersuchungshaft gebracht, während Nadir noch im Krankenhaus bleiben muss. Die Schusswunde wurde versorgt, um eine Infektion zu vermeiden, soll er aber noch einige Tage im Krankenhaus bleiben. Sein Zimmer wird selbstverständlich ständig überwacht und er wird nach seinem Krankenhausaufenthalt in Untersuchungshaft gebracht.

Naomi und Rania haben Gott sei danke keine bleibenden Verletzungen davon getragen. Naomi hat zwar eine geprellte Rippe und einige blauen Flecken im Gesicht, genau wie Rania, aber ansonsten geht es ihnen gut. Der Arzt, der die beiden untersucht hat, möchte die Mädchen trotzdem noch einen Tag hier behalten.

,,Es tut mir alles so leid. Ich wollte euch da nicht mit reinziehen." sagt Rania.

,,Bist du wahnsinnig? Dir hätte sonst etwas passieren können, wenn wir nicht da gewesen wären." entgegnet Naomi ihr. ,,Wäre Shawn nicht rechtzeitig gekommen, hätte Nadir wer weiß was mit dir angestellt."

Rania atmet laut ein und aus und starrt an die weiße Wand gegenüber von ihr. ,,Aber euch hätte etwas passieren können."

Ich schüttele den Kopf. ,,Das ist mir egal. Mir ist nur wichtig, dass es dir gut geht." spreche ich meine Gedanken aus. ,,Und das meine ich ernst." Ich lehne von meinem Stuhl aus nach vorne zu Rania und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn.

,,Mir geht es genauso, Rania. Du bist meine beste Freundin und ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn du nicht da wärst." bemerkt Naomi.

Rania schmunzelt. ,,Ich habe euch so lieb." Ihre Augen werden feucht.

,,Hey, nicht weinen." sage ich und streiche mit meiner Hand über ihre Wange. ,,Es ist alles gut. Dir kann niemand mehr etwas anhaben." Ich gebe ihr einen leichten Kuss auf die Lippen.

Die Zimmertür öffnet sich und Leyla stürmt hinein. ,,Rania! Naomi! Geht es euch gut?" ruft sie hektisch. ,,Als du mir geschrieben hast, dass ihr hier seid und ich bin so schnell ich konnte gekommen. Lucas und Sabrina kommen auch gleich." sagt sie an ihre jüngere Schwester gewandt und zieht sie in eine Umarmung. ,,Ich könnte dich doch nicht schon wieder verlieren, kleine Schwester." flüstert Leyla kaum hörbar und eine Träne läuft ihr die Wange runter.

Ranias Augen sind immer noch feucht. Wortlos drückt sie ihre Schwester näher zu sich. Schlussendlich kann sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Einen Moment später beginnt sie zu schluchzen und ein Meer aus Tränen strömt ihre Wangen runter.

Mein Herz zerbricht bei diesem Anblick. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schrecklich sich Rania und Naomi vorhin gefühlt haben müssen.

Naomi steht von ihrem Bett auf und schließt sich der Umarmung an, genau wie ich. Mehrere Minuten stehen wir dort alle miteinander, ohne dass jemand etwas sagt.

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Eine weitere halbe Stunde ist vergangen und Lucas und Sabrina sind dazu gekommen. Meine Freundin hat sich mittlerweile beruhigt, nachdem sie sich an meiner Schulter ausgeheult. Außerdem sind die Tante von Rania und dessen Frau anwesend. Sie waren alle zunächst geschockt, als sie das Zimmer betreten haben, da sie den Grund des Besuches nicht wissen.

Rania hat ihrer Tante und ihrer Frau Stück für Stück die Wahrheit erzählt. Sie hat mit der Zwangsheirat begonnen und mit dem Einbruch von heute aufgehört. Immer wieder musste sie Luft holen und ihre Tränen zurück halten. Sabrina und Lucas waren ziemlich geschockt, als sie vom Einbruch erfahren hatten. Den Rest der Geschichte kennen die beiden aber bereits.

,,Wieso hast du denn die ganze Zeit nichts gesagt?" fragt Ranias Tante und streicht ihrer Nichte über den Rücken.

,,Ich hatte Angst, dass ihr mich verurteilen würdet. Ich dachte es wäre besser, wenn ich schweige." antwortet meine Freundin.

,,Das würden wir niemals tun. Ich kann nicht fassen, dass Zain zu so etwas in der Lage ist. Mein Bruder war schon immer komisch, aber das ist sogar für seine Verhältnisse grauenhaft." erwidert ihre Tante und lächelt ihr aufmunternd zu.

Rania atmet erleichtert aus.

,,Das ist übrigens der Junge, den ich euch vorstellen wollte." wechselt sie das Thema und deutet auf mich. ,,Das ist Shawn, mein Freund." lächelt sie.

,,Schön dich kennenzulernen, Shawn. Ich bin Jamila, Ranias Tante." stellt sie sich lächelnd vor und reicht mir die Hand hin, die ich freundlich annehme.

Ich stelle mich vor und wir beginnen alle miteinander zu reden, wobei wir das Thema Nadir weitestgehend meiden.

Später kommen auch noch Naomis Eltern und ihr Bruder hinzu, die von Naomi selbst gerufen wurden.


Und hier das letzte Kapitel. Ich hoffe es hat euch gefallen, ich hatte auf jeden Fall Spaß dabei. Wir sind tatsächlich mehr Leute als erwartet geworden, womit ich ehrlich gesagt nicht gerechnet hätte 😂💚

Ich bin mit dem Ende von diesem Kapitel irgendwie unzufrieden, aber ich wusste nicht, wie ich es hätte umschreiben sollen 🤔

Ich möchte gerne noch ankündigen, dass ,,Patience" langsam dem Ende zu geht. Es wird noch mindestens bis zum fünfzigsten Kapitel weitergehen und auch ein Epilog wird noch folgen, aber wirklich viel gibt es nicht mehr zu erzählen. Das heißt natürlich nicht, dass es kein Drama mehr geben wird 🤷‍♂️

Deswegen habe ich eine wichtige Frage an euch: Habt ihr noch Fragen zur Geschichte, die ihr auf jeden Fall geklärt haben möchtet? Ich würde diese dann auf jeden Fall versuchen in den nächsten Kapiteln zu beantworten.

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