~ 40 ~
Aus dem Flur ist Geflüster zu hören. Erst jetzt stelle ich fest, dass das Licht in der Küche an ist und die Einbrecher wahrscheinlich als erstes hier rein kommen werden.
Ich löse mich aus meiner Schockstarre, greife nach einer Glasflasche, die neben mir auf dem Tresen liegt und mache mich bereit, sie zu werfen. Ich habe zwar ein Messer in der Hand, aber die Glasflasche ist breiter und damit die Wahrscheinlichkeit, dass ich treffe, größer.
Ein dunkelhaariger Mann erscheint im Türrahmen und sofort sticht mir ein schwarzer Gegenstand in seiner Hand ins Auge. Ohne zu Zögern schleudere ich mit aller Kraft das Glas gegen seinen Kopf. Der Mann fällt bewusstlos um.
Ich kenne diesen Mann. Er ist einer von Nadirs ,,Freunden". Einer von denen, mit denen ich schlafen musste. Sein Name fällt mir nicht mehr ein, aber ich meine, dass Nadir öfter etwas mit ihm unternommen hat. Sie scheinen also gut befreundet zu sein.
Wenn dieser Kerl hier ist, was ist dann mit Nadir?
Die Eingangstür fällt mit einem Knall zu und Schritte sind zu hören.
,,Was zur Hölle." ertönt die mir all zu bekannte rauchige Stimme. Vermutlich hat er gerade den Körper am Boden entdeckt.
Gestalten erscheinen im Türrahmen. Es sind Nadir und mein Vater. Mit einer langen Narbe neben dem Augen sieht Nadir noch abscheulicher aus als früher.
Mein Vater sieht genau aus wie damals, bis auf den Unterschied, dass er mehr weiße Haare hat.
Augenblicklich gefriert mir das Blut in den Adern. Mein gesamter Körper zittert.
So fest ich kann umgreife ich das Messer in meiner Hand. Mein Blick liegt dabei stets auf Nadir und meinem Vater fokussiert.
Schützend stellt sich Naomi vor mich. Sofort ziehe ich sie an ihrer Hand nach hinten, sie bleibt aber standhaft vor mir.
Einige Augenblicke ist es still und ich höre nichts anderes als meinen lauten Herzschlag.
,,Da bist du endlich mein Schatz. Ich habe dich vermisst." sagt Nadir und grinst schelmisch. ,,Wir haben dich vermisst." Das ,,Wir" betont der dabei besonders. Damit meint er aber nicht sich selbst und meinen Vater, sondern seine Käufer. Ein Schauer fährt mir den Rücken hinunter.
,,Verpisst euch!" ruft Naomi ihm entgegen. ,,Wenn ihr Rania wollt, müsst ihr an mir vorbei."
Überrascht schaut Nadir zu meiner besten Freundin, die immer noch vor mir steht und keine Anstalten macht, sich wegzubewegen, egal wie sehr ich an ihrem Arm ziehe.
Ich habe Angst, denn ich kenne Nadir. Und es sollte kein Problem für ihn sein, Naomi von da weg zu bekommen.
,,Großer Fehler, Schätzchen." knurrt Nadir und zieht eine Waffe aus dem Hosenbund, mit der er auf Naomi zielt. ,,Lass mich durch oder ich schieße. Deine kleine Freundin bekomme ich so oder so. Du hast die Wahl."
,,Nein!" schreie ich und stelle mich vor Naomi. ,,Tu ihr nichts! Ich komme mit dir."
,,Das tust du nicht!" bestimmt Naomi und drückt mich wieder hinter sich.
,,Wenn du es so willst." sagt Nadir plötzlich ganz ruhig und läuft zu Naomi. Dann packt er sie am Arm und drückt sie gegen die Wand. Das Messer in ihrer Hand rammt sie in Nadir Oberschenkel. Ein Schrei erfüllt den Raum.
Vor Angst gelähmt beobachte ich die Situation, doch ich weiß, ich sollte Naomi helfen. Aber ich tue nichts.
Mit der Waffe in der Hand schlägt Nadir Naomi gegen die Rippen. ,,Argh!" stöhnt sie auf. Mit der freien Hand schlägt Naomi auf Nadir ein, was ihm nichts auszumachen scheint.
Schließlich schaffe ich es, mich zu bewegen und laufe mit dem Messer in der Hand zu Nadir. Doch ich habe vergessen, dass mein Vater ebenfalls hier ist.
Dieser packt mich am Hals und drückt mich gegen die Wand. ,,Lass das Messer fallen!" brüllt er.
Ich hebe meine Hand und versuche meinen Vater mit dem Messer zu treffen, doch er drückt meine Hand gegen die Wand. Vor Schmerzen stöhne ich auf und lasse das Messer fallen. Klirrend fällt es zu Boden.
,,Meine Tochter ist also eine Schlampe?" brüllt mein Vater. ,,Nadir hat mir alles erzählt. Er hat mir von den ganzen Männern erzählt, mit denen du ihn betrogen hast. Und dann denkst du ernsthaft, die Ehre unserer Familie retten zu können, indem du fliehst?" Mit seiner Faust schlägt er mir ins Gesicht. Ein dumpfer Schmerz durchfährt meine Wange.
,,Er lügt." presse ich unter seinem Griff an meinem Hals hervor. Der Griff ist nicht so fest, dass ich keine Luft mehr kriege, aber er tut weh.
Mein Vater löst sich von mir. Dann schubst er mich und durch die Wucht falle ich zu Boden.
,,So habe ich dich nicht erzogen!" brüllt er.
Leidend hebe ich meinen Oberkörper und sehe, dass Nadir von Naomi abgelassen hat. Diese liegt ebenfalls auf dem Boden. Nadir hat sich das Messer mittlerweile aus dem Bein gezogen, weshalb eine Menge Blut heraus rinnt. Er zieht seine Jacke aus und bindet diese fest um sein Bein, wahrscheinlich um die Blutung zu stoppen.
,,Ich hoffe du verblutest." presse ich hervor.
Er kommt zu mir und bückt sich über mich. ,,Jetzt kann ich alles mit dir machen, was ich möchte." Grinst er finster. ,,Siehst du diese Narbe?" sagt er und dreht seinen Kopf so, dass ich seine Narbe sehe. ,,Die hat dein Vater mir verpasst, weil ich dich entwischen lassen habe." erzählt er weiter. ,,Ich könnte dir auch so eine machen." haucht er in mein Ohr und ich wünschte, ich könnte ihm eine Reinhauen. Aber er ist zu stark, sodass ich mich nicht bewegen kann.
Angewidert verziehe ich das Gesicht.
Im nächsten Moment verteilt er feuchte Küsse auf meinem Hals. Ich strampele mit meinen Füßen und treffe mit meinem Knie dabei seine Weichteile.
Er schreit auf und gibt mir dann eine Ohrfeige. Brennende Schmerzen machen sich bemerkbar.
Wann kommt endlich die Polizei?
Shawns Sicht (kurz vorher)
,,Aaliyah wie oft noch, du darfst mich nicht schminken." stöhne ich genervt. Seit einer halben Stunde nervt mich meine kleine Schwester damit, dass sie mich schminken möchte. Sie hat sich heute neues Make Up gekauft und möchte es unbedingt an mir ausprobieren. ,,Teste dein neues Zeug an dir selber aus."
,,Aber-"
,,Nein." unterbreche ich sie, noch bevor sie den Satz fortsetzt.
Aaliyah zieht im nächsten Augenblick ihr Handy aus der Hosentasche ihrer Jogginghose. Sie blickt auf den Bildschirm und runzelt die Stirn.
,,Was hat das zu bedeuten?" fragt sie und hält mir das Gerät hin.
Sag deinem Bruder, wir gehen jetzt seine Kleine holen. Wenn ihm sein Leben etwas wert ist, sollte er lieber zuhause bleiben! Ich hoffe Rania ist besser als Camila ;)
Jack
Scheiße. Ich lasse nicht zu, dass Jack mir wieder meine Freundin wegnimmt. Bereits damals hat er zweimal mit Camila geschlafen. Er zerstört mir nicht wieder meine Beziehung. Ich balle mein Hand zu Fäusten und schlage gegen die Wand. Ein starker Schmerz durchfährt sie, aber das ist mir im Moment egal.
Mein Atem wird ganz unregelmäßig. Ich muss sofort dahin, bevor meinem Mädchen und Naomi etwas zustößt.
,,Aaliyah hat Dad seine Waffe hier her mitgenommen?" frage ich meine kleine Schwester, die noch immer im Raum steht.
,,Nein, sie ist zuhause. Was willst du mit-"
,,Das ist nicht wichtig. Gib mir sofort deine Hausschlüssel." befehle ich ihr.
,,Wa-"
,,Tu es einfach!" schreie ich sie an. Ich brülle sie nur ungern an, aber es ist mir gerade ziemlich egal. Es geht um Ranias und Naomis Leben. Wer weiß wozu diese Menschen fähig sind?
Ohne weiter etwas zu sagen händigt sie mir ihre Schlüssel aus. ,,Es ist der mit der roten Markierung." sagt sie. ,,Aber wieso."
Ich höre ihr nicht weiter zu sondern renne aus dem Gebäude und steige in meinen Wagen, der am Straßenrand steht.
Beim Haus meiner Eltern angekommen, stürme ich rein und renne in den Keller. Dort schalte ich das Licht an und renne zum Schrank, in dem mein Vater eine Waffe verstaut. Erleichtert stelle ich fest, dass sie da ist und nehme sie. Ich überprüfe kurz ob sie geladen ist, was sie scheinbar ist, und schließe den Schrank wieder.
Dann verlasse ich das Haus wieder und mache mich auf den Weg zu Naomis Wohnung. Ohne auf den Verkehr zu achten fahre ich dorthin. Da es nachts ist, sind die Straßen ohnehin leer. Ich habe schon viel zu viel Zeit verloren, weil ich die Waffe geholt habe.
Ich steige aus dem Wagen aus und renne ohne den Wagen abzuschließen zur Eingangstür. Sie ist offen, also trete ich ein und renne die Treppen hoch. Währenddessen halte ich nach Naomis Namensschild Ausschau. Bei der Tür mit dem Schild Rai angekommen, stelle ich fest, dass sie geschlossen ist. Von innen dringen jedoch Schreie nach Außen. Ich erkenne die Worte nicht, aber es sind eindeutig Mädchenschreie.
Mit der freien Hand rüttele ich an der Tür, aber sie lässt sich nicht öffnen.
Es bleibt nur noch eine Möglichkeit. Ich muss dir Tür aufbrechen. Mit meiner ganzen Kraft schmeiße ich mich gegen die Tür. Ein Knacken ist zu hören. Mehrmals schmeiße ich mich gegen die Tür, bis sie endlich anfängt nachzugeben.
Schließlich löst sich das Schloss und ich trete in die Wohnung ein.
Das nächste, was ich mitkriege, ist ein Knall.
Weiter geht es mit dem dritten Kapitel dieser Nacht. In einer halben Stunde kommt dann das vierte und letzte Kapitel.
Hättet ihr gedacht, dass Camila Shawn mit seinem Cousin betrogen hat?
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