Kapitel 62
-Linea, 14. März, 54 nach Gründung-
Die ersten Sonnenstrahlen kitzeln mich in der Nase. Genervt öffne ich die Augen und erschrecke ein wenig, die Sonne scheint schon bedeutend stärker als sie es sollte. Ich muss spät dran sein. Zu spät. Doch Kian hält mich noch immer gefangen. Verzweifelt versuche ich ihn wegzuschieben, doch sein Griff ist stark. ,,Kian", sage ich panisch und rüttle an seiner Schulter. Er grummelt nur irgendwas. So war es also normalerweise, wenn ich länger schlafen wollte und er aufstehen musste. Doch glücklicherweise lässt er mich los, auch wenn er nicht wirklich erwacht. Ich berühre seine Stirn, um zu überprüfen, ob das Fieber noch da war. Er war heißer als gestern, jedenfalls fühlte es sich für mich so an. Panik ergreift mich. Was sie wohl tun würden, wenn ich nicht zur Arbeit erscheine? Doch Isabella arbeitete heute, sie würde mich wohl kaum verraten. Auch wenn sie sich deshalb vermutlich Sorgen machen würde. Ich beuge mich vor und küsse ihn sanft. Er verzieht die Lippen zu einem Lächeln, ohne die Augen zu öffnen.
,,Du bist die richtige Linea"
,,Gibt es eine Falsche?", frage ich spöttisch.
,,Ja", meint er, ohne näher darauf einzugehen. Vielleicht das Fieber. Oder er hatte den Verstand verloren. Wobei ich eher auf das erste tippe und hoffe.
,,Gut zu wissen."
,,Sie hat mich geküsst...ich habe sie geküsst. Keine Ahnung", meint er kraftlos.
,,Was?", frage ich so laut, dass er zusammenzuckt. Verwirrt sieht er mich an, so als hätte er gar nicht registriert, was er gesagt hatte. ,,Wen hast du geküsst?", frage ich sauer.
,,Woher weißt du davon?"
,,Du hast es mir gerade gesagt"
,,Hab ich das?"
,,Ich erwarte eine Antwort", sage ich und setze mich im Bett auf, rutsche ein Stück von ihm weg.
,,Hast du irgendeine Ahnung wie sehr deine Stimme in meinen Ohren dröhnt?"
,,Hast du irgendeine Ahnung, wie egal mir das im Moment ist?", frage ich wütend und rüttle an ihm, bis er wieder die Augen öffnet, welche er erneut geschlossen hatte. Er seufzt und schiebt meine Hand von sich.
,,Bist du eifersüchtig?", fragt er. Ich nicke langsam. Ich konnte es kaum leugnen, dass ich es war, auch wenn es mir erst im Nachhinein klar geworden war, welche Gefühle ich für Tyra und auch Nathalia empfunden hatte. ,,Musst du nicht"
,,Schön, das du das sagst, nachdem du mir erzählst, dass du eine andere geküsst hast", sage ich zickig.
,,Du willst jetzt nicht wirklich mit mir darüber diskutieren, oder?"
,,Warum nicht Kian", frage ich sauer. Er richtet den Blick auf mich und kneift die Augen zusammen.
,,Wie geht es eigentlich Jaron?", mein Atem stockt. Schuldbewusst senke ich den Blick. Daran hatte ich tatsächlich nicht gedacht. ,,Kannst du dir nur Ansatzweise vorstellen, wie das für mich ist? Es ist beschissen, mehr als das. Und im übrigen würde ich niemals jemand anderes vor deinen Augen küssen. Ich würde überhaupt niemand anderes küssen, dass ich sie geküsst habe tut mir leid, ich habe ein schlechtes Gewissen dir gegenüber deshalb frage ich mich, wie du es hinbekommst das tagtäglich zu tun"
,,Es...du hat Recht"
,,Natürlich habe ich Recht", sagt er aber klingt dabei nicht wirklich so überheblich, wie er es sonst sein würde, wenn er Recht hatte. Er klingt eher ziemlich unzufrieden.
,,Was...was hat es bedeutet?"
,,Dass ich nicht wahllos irgendwelche Frauen küssen darf, nur weil ich neben ihnen aufwache"
,,Du bist neben ihr aufgewacht?", frage ich ungläubig und versuche mir irgendeine Situation auszudenken, in der das alles harmlos ist. Ich komme auf keine.
,,Beruhig dich, es war nicht so wie du denkst", meint er spöttisch und zieht mich an sich, auch wenn ich mich dagegen zunächst wehre. Doch als ich schließlich nachgebe küsst er mich so zärtlich, dass ich alles für einen Moment vergesse. ,,Ich verspreche dir, dass du meine erste Wahl bist, meine absolute Priorität."
,,Du bist auch meine erste Wahl", flüstere ich.
,,Nein, bin ich nicht aber es ist ok"
,,Wie sollte das in Ordnung sein? Das ist furchtbar", sage ich beschämt, auch wenn ich das eigentlich schon lange weiß. Eigentlich wäre es fair gewesen ihn gehen zu lassen, das weiß ich. Aber ich schaffe es einfach nicht.
,,Lieber bin ich nur der Zweite als überhaupt keiner", es hört sich tatsächlich so an, als hätte er das akzeptiert. Doch wie kann er das akzeptieren, wenn ich bei ihm nichtmal einen Kuss mit jemand anderes ertrage? Lag das an meinen Gefühlen für ihn?
,,Kian, ich...das ist das Schlimmste, was ich jemals gehört habe", er zuckt mit den Schultern.
,,Es gibt Schlimmeres"
Ich seufze und rutsche an ihn heran. ,,Ich habe immer nur daran gedacht, dass ich Jaron verletze. Ich habe bis vor kurzem nie daran, dass ich dich vielleicht auch verletzen könnte. Es tut mir wirklich sehr leid.", flüstere ich.
,,Ich weiß", meint er und legt die Arme um mich.
,,Ich muss zur Arbeit, kann ich nachher wieder kommen?"
,,Ich muss heute Abend arbeiten aber morgen habe ich frei, wenn du willst kannst du dann abends kommen"
,,Du kannst doch so nicht arbeiten und morgen Abend muss ich leider arbeiten. Aber dann sehen wir uns beim Einsatz.", sage ich entgeistert.
,,Wird schon funktionieren und jetzt geh, ich möchte nicht, dass du zu spät kommst. Wir sehen uns bald"
Ich küsse ihn zum Abschied flüchtig und erhebe mich aus dem Bett, ich hatte mir gestern Abend eines seiner Shirts angezogen, als er eingeschlafen war. Ich liebte es darin zu schlafen, ich bildete mir ein seinen Geruch riechen zu können. Kurz zögere ich, dann sehe ich ihn an und ziehe es mir so langsam aus wie kein Mensch jemals zuvor. Sein Blick ist starr auf mich gerichtet, sein Mund zu einem Lächeln verzogen. Ungefähr genauso langsam ziehe ich mich wieder an. Sein Blick wirkt, als wäre er überhaupt nicht mehr anwesend, doch sein lächeln verrät mir, dass er es ist.
Als ich fertig bin küsse ich ihn nochmal zum Abschied und streiche ihm das Haar aus dem Gesicht.
,,Ruh dich gut aus"
,,Werde ich und danke, Linea"
,,Für was?"
,,Für alles und vor allem für die Show"
,,Ich erwarte eine Revanche", sage ich scheu lächelnd, dann verlasse ich seine Wohnung.
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