Kapitel 60
-Kian, 13. März, 54 nach Gründung-
Es ist überraschend wie schnell sie Fortschritte macht, es ist als würde sie schon ihr ganzes Leben lang genau das hier tun. Sie ist ehrgeiziger, als sie gewirkt hatte, sie will alles sofort können und ist wirklich bemüht. Es macht Spaß mit ihr zu trainieren, auch wenn es manchmal schwieriger ist als bei anderen. Immerhin ist für sie die Außenwelt vollkommen neu. Sie will alles wissen, ist aber gleichzeitig deprimiert, weil das alles nicht ganz so schnell geht wie gedacht. Es ist nicht gerade einfach, da sie viele Zusammenhänge überhaupt nicht verstehen kann, ich aber automatisch davon ausgehe, dass sie es wissen sollte.
,,Ich denke das reicht für heute", sage ich und nehme einen großen Schluck aus meiner Flasche. Sie ringt nach Luft und lässt sich langsam auf den Boden sinken. Manchmal vergesse ich, dass sie nicht so belastungsfähig sein kann, aufgrund der Schwangerschaft. Doch sie beschwert sich nie.
,,Kann ich auch etwas haben?", fragt sie und zeigt auf die Flache. Ich nicke und reiche sie ihr, lasse mich neben sie fallen und lehne den Kopf an die Wand. Auch für mich war es anstrengend gewesen, genau genommen bin ich seit dem Unfall nicht mehr ganz so fit. Heute war es besonders schlimm gewesen, ich hatte das Gefühl gehabt keine Luft zu bekommen. Doch Benedikt ist der Meinung, dass das mit der Zeit wieder kommt. Ich hoffe, dass er sich nicht täuscht. ,,Können wir morgen nochmal Waffentraining machen?", fragt sie motiviert.
,,Ich hab morgen Spätschicht, aber wir können morgens trainieren, wenn du keine Untersuchungen oder so machen musst."
Enttäuscht sieht sie mich an. ,,Eleonora hat für morgen früh einen Unterricht geplant. Dann übermorgen vielleicht? Da kann ich immer", fragt sie, Eleonora hat es übernommen sie über die Rebellen, über die Entstehung der Gesellschaft und alles andere aufzuklären. Mehrere teilen sich die Aufgaben auf, da die meisten von uns arbeiten mussten. Jaron brachte ihr sogar lesen und schreiben bei, das war etwas gewesen, an das ich nichtmal gedacht hatte, dass sie es nicht wissen könnte. Ich nicke langsam und sehe sie an.
,,In Ordnung, lass uns gehen.", sage ich und erhebe mich, reiche ihr die Hand, welche sie eilig nimmt. Sie lächelt mich scheu an. ,,Wie geht es dir?", frage ich, ich hatte noch nie mit einer schwangeren trainiert und hatte ehrlicherweise allgemein nicht viel Ahnung von dem Thema, dementsprechend wusste ich auch nicht, welches Training für sie in Ordnung war und welches nicht. Doch Benedikt war der Meinung, dass ihr Körper das von alleine wissen würde und sie einfach nur nicht übertreiben durfte. Ich hatte ursprünglich nur versuchen wollen sie zu stärken, doch das reichte ihr nicht. Sie wollte alles können und ich verstand sie. Sicherlich hatte sie sich ziemlich hilflos gefühlt so eingesperrt, so wollte sie sich sicherlich nie wieder fühlen. Ich war stolz darauf, dass sie so gute Fortschritte machte, auch wenn es zunehmend schwierig war alles unter einen Hut zu bringen. Doch es war gut so wenig zeit wie möglich zum nachdenken zu haben. Der nächste Einsatz war ohnehin bereits durchgeplant, ich hatte nichts anderes zu tun, außer sie zu trainieren, zu arbeiten und zu schlafen.
,,Kannst du mir noch zeigen, wo die Bücher sind, ich würde gerne noch etwas anschauen", meint sie. Überrascht sehe ich sie an.
,,Du kannst das schon so schnell?", sie schüttelt den Kopf, lächelt aber dabei, als wäre es nicht so schlimm. Ich weiß aber genau, dass es sie wahnsinnig nerven musste etwas nicht sofort zu können.
,,Nein, nicht so wirklich aber ich sehe mir gerne die Schrift an und die Bilder.", meint sie, wobei sich ihre Wangen leicht rot färben, als würde sie sich dafür schämen. Ich lächle aufmunternd und laufe auf die Treppe zu.
,,In Ordnung, bestimmt finden wir etwas.", wir laufen schweigend in das Zimmer, welches ziemlich vollgestopft war mit Büchern. Ich war schon lange nicht mehr hier gewesen, die meisten Bücher interessierten mich wirklich kein Stück, zudem hatte ich keine Zeit dafür. Doch ich würde ihr sicherlich den Gefallen tun. Sie hatte es sicherlich verdient, dass man alles für sie tat, was man tun konnte.
,,Danke für deine Geduld mit mir", meint sie schließlich, nachdem sie einige Minuten nur damit verbracht hatte über die Buchrücken zu fahren, hin und wieder ein Buch herauszuziehen, es durchzublättern und wieder zurückzustellen.
,,Woher willst du wissen, dass ich geduldig bleibe?", frage ich spöttisch. Sie lächelt und nimmt erneut eines der Bücher heraus.
,,Ich weiß es einfach, du würdest es mir zudem einfach sagen", meint sie belustigt und nimmt kurz den Blick von ihrem Buch, doch es scheint ihr bis jetzt am meisten zuzusagen, denn sofort blättert sie weiter. Ich schüttle den Kopf, manchmal nervte es mich, dass ich mich für solche Dinge nicht begeistern konnte, denn wenn ich ehrlich war interessierte mich ziemlich wenig. Dennoch sehe ich mich in dem Zimmer um und greife nach einem der Bücher, welches auf dem Tisch liegt. Ich erkenne es sofort wieder, es ist das Gedichtbuch, welches Eleonora damals gelesen hatte, als sie Linea und mich als Strafe Bücher lesen lassen hatte. Verwundert darüber, dass sie es einfach liegen lassen hat sehe ich es mir durch.
Es muss ziemlich alt sein, die Schrift ist geschwungen, wobei ich Mühe habe sie zu entziffern, doch als ich den Dreh raushabe ist es nicht mehr besonders schwierig. Manche Gedichte ergeben für mich keinen Sinn und wahrscheinlich würde ich es nicht lesen, wenn mir nicht gerade langweilig war, doch irgendwie war es auch auf eine Art fesselnd. Ich spüre ihren Blick auf mir ruhen.
,,Was liest du?"
,,Gedichte", sage ich knapp und hebe den Blick, um sie anzusehen.
,,Gedichte?", hakt sie nach. Wieder etwas, was sie natürlich nicht wissen konnte.
,,Eine Art von Text."
,,Kannst du...kannst du mir vielleicht etwas vorlesen?", fragt sie. ich zucke mit den Schultern.
,,Es ist aber alles ziemlich kitschig, aber wenn du willst mache ich das"
,,Du musst nicht...", meint sie, wobei sie ihre Enttäuschung kaum verbergen kann.
,,Natürlich werde ich das tun.", sage ich sanft und setze mich auf den Stuhl, in dem Eleonora gesessen hatte. Sie setzt sich gegenüber von mir auf einen der Stühle und sieht mich gebannt an. Es war komisch das zu tun, das hatte ich noch nie in meinem Leben getan und irgendwie machte es mich auch nervös. Doch sie wartet geduldig ab, bis ich eine der Seiten aufklappe und anfange zu lesen: ,,Im Nebel ruhet noch die Welt, Noch träumen Wald und Wiesn, Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, Den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt, in warmem Golde fließen.", ich sehe sie an und ihre Augen leuchten. Auf ihren Lippen liegt ein Lächeln.
,,Das war toll, Dankeschön", haucht sie. Ich erwidere ihr Lächeln, auch wenn mich das nicht so berührt hatte, wie sie offensichtlich. Doch es machte mich glücklich, wenn sie sich darüber freute. Ich reiche ihr das Buch. Zögernd greift sie danach.
,,Such dir noch eins raus", sage ich und lehne mich zurück. Sie lächelt dankbar und blättert vorsichtig, als könnten ihre Finger es zerstören, in dem Buch herum, bis sie nach einer gefühlten Ewigkeit fündig wird.
,,Das hier.", meint sie schließlich und deutet auf ein bisschen längeres Gedicht. Ich räuspere mich, dann beginne ich zu lesen:
,,Wenn der Mond die Sonne einst zur Ruhe bettet, die Nachtigall ihr Lied anstimmt und die Bäume ihre Blätter im weichen Winde wiegen, wenn die Sterne den Himmel in ein mattes Licht tauchen, möchte ich Dich mit meinem Körper zudecken und Dich küssen. Wenn der Morgen schläfrig den Wolken entsteigt und die Welt den noch jungen Tag beginnt, wenn die Sonne das Land mit malerischen Bilder versieht und die Menschen sich die Nacht aus den Augen reiben, möchte ich neben Dir erwachen und dir in die Augen schauen."
Kurz schweifen meine Gedanken ab, doch dann fange ich mich wieder und schließe das Buch abrupt. Ich hatte mir verboten an sie zu denken und das ziehe ich auch die meiste Zeit über ganz gut durch, selbst wenn ich es manchmal überhaupt nicht bemerke. ,,Das reicht, es ist spät", sage ich eilig und erhebe mich. Verwundert sieht sie mich an, nickt aber zustimmend.
,,Danke", sagt sie wieder lächelnd und folgt mir zur Türe. Ich reiche ihr das Buch erneut.
,,Vielleicht kann Eleonora mit dir so lernen", schlage ich vor. Sie nickt begeistert und verstaut es in ihrer Jackentasche. Immerhin musste ich es dann nicht mehr vorlesen.
Im Haus war es bereits dunkel, doch Josh beschwerte sich nie darüber, wenn wir das Licht anstellten, er war irgendwie seltsam. Freundlich und gutmütig aber irgendwie zu freundlich. Doch wahrscheinlich war ich zu paranoid. Würde er uns verraten wollen hätte er es schon vor Jahren machen können, schließlich bekam er alles genau mit.
Ihr Zimmer ist das Zimmer, in dem ich mehrere Wochen verbracht hatte, als ich verwundet gewesen war. Es weckt alte Erinnerungen, doch es gab schließlich nicht unendlich viele Zimmer, Josh hatte schon ein riesiges Haus, im Vergleich zu anderen, doch noch ein weiteres, freies Zimmer konnte man nicht erwarten.
,,Bleibst du heute Nacht wieder?", fragt sie zögerlich. Ich nicke langsam, auch wenn der Stuhl langsam ungemütlich wurde. Doch ich würde mich nicht beschweren, ich wusste genau, dass sie sich unsicher fühlte, wenn niemand bei ihr war. Glücklicherweise war es ihr egal ob Jaron, Ethan oder ich da waren, solange es nur einer von uns dreien war. Und zu dritt war es erträglich, wir wechselten uns ab, sodass es nicht zu anstrengend wurde.
,,Natürlich.", verspreche ich und schließe die Türe hinter mir. Schnell schlüpft sie in ihr Bett und zieht sich die Decke bis zum Hals. Ich mache es mir auf dem Platz so gemütlich wie möglich.
,,Kann ich dich noch etwas fragen?", fragt sie vorsichtig, beinahe ängstlich.
,,Immer", verspreche ich und sehe sie gespannt an.
,,Linea und Jaron sind zusammen, nicht wahr?", ihre Frage bringt mich ein wenig aus dem Konzept. Ich nicke langsam.
,,Ja", antworte ich schließlich grimmiger als beabsichtigt. Sie schweigt einen Moment und sieht auf ihre Hände.
,,Ist das so wie bei mir?", fragt sie.
,,Nein, das würde ich, das würden wir nicht zulassen", sage ich verwundert von ihrer Frage, eigentlich sollte ihr das klar sein, doch ich kann verstehen, dass sie so denkt. Immerhin kannte sie es nicht anders.
,,Gut, glaubst du ich... könnte auch in der Lage sein dazu irgendwann?". Ich überlege lange und sehe sie dann an.
,,Ja, ich denke schon"
Sie lächelt erleichtert, als würde sie diese Frage schon länger belasten. Obwohl ich mir sicher bin, dass sie überhaupt nicht daran denken sollte im Moment.
,,Ich habe mich gefragt, wie es für mich weitergehen soll"
,,Was meinst du?"
,,Ich...will das hier nicht ich denke nicht, dass ich das schaffen werde",sagt sie ängstlich und zeigt auf ihren Bauch. Ich hebe den Blick und sehe ihr in die Augen.
,,Wir können dir helfen"
,,Ich weiß, dass sagt mir jeder aber ich will das nicht"
Ich schlucke trocken, ich hatte nicht viel Ahnung davon, doch ich wusste von ehemaligen betroffenen Rebellinnen, dass es Wege gab. Ich kannte die Wege aber ich wusste nicht wie effektiv das war, immerhin war sie laut Benedikt schon etwa 15 Wochen lang schwanger. Jede Schwangerschaft zuvor wurde früher beendet. Ich kannte die Auswirkungen nicht.
,,Wir können Benedikt fragen."
Sie schüttelt abrupt den Kopf. ,,Er hat mir bereits gesagt, dass er nichts machen wird weil es zu gefährlich ist aber ich...", sie bricht ab und setzt sich in ihrem Bett wieder auf. ,,Selbst wenn es schiefgeht würde ich lieber die Konsequenzen ertragen als ein Kind zu haben, das nicht leben sollte"
,,Du musst es nicht behalten, jemand anderes...", sage ich schnell, doch wieder ist ein Kopfschütteln die Antwort.
,,Es ist mir egal, es soll nicht leben, das wäre für niemanden fair.", ich nicke, nicht weil ich unbedingt ihrer Meinung war, sondern hauptsächlich weil es vollkommen alleine ihre Entscheidung war.
,,Ich werde schauen, was ich in Erfahrung bringen kann", verspreche ich. Sie lächelt dankbar und entspannt sich sichtlich.
,,Bitte erzähl es niemandem"
,,Werde ich nicht", sage ich auch wenn ich mich ein wenig unwohl dabei fühle, immerhin sollte jemand davon wissen, der ihr im Notfall helfen konnte und diese Person war ich nicht. Doch ich wollte ihre Entscheidung akzeptieren.
,,Was denkst du wie lange es dauern wird?"
,,Bis ich dir helfen kann oder bis es...vorbei ist?"
,,Beides"
,,Ich werde mich morgen darum kümmern aber das andere weiß ich nicht", sage ich. Sie nickt langsam und schweigt schließlich so lange, dass ich denke dass sie eingeschlafen war. Doch als ich mich erhebe, um das Licht an ihrem Nachttisch zu löschen greift sie nach meiner Hand. Kurz zucke ich zusammen, weil ihre Hand so kalt ist. Sie lächelt und setzt sich wieder auf.
,,Bitte lass es an",flüstert sie und zieht ihre Hand zurück.
,,Natürlich"
,,Auch wenn ich schlafe"
Ich nicke, immerhin habe ich in den letzten Wochen oft genug hier geschlafen um es eigentlich zu wissen, doch ich konnte so nicht schlafen. Eine weitere schlaflose Nacht würde ich wohl hinbekommen.
,,Außer du bleibst bei mir", meint sie.
,,Ich werde bei dir bleiben"
,,Ich meinte hier", sagt sie und zeigt auf ihr Bett. Ich schüttele entschieden den Kopf.
,,Nein"
,,Warum nicht?"
,,Nathalia", seufze ich etwas genervt. Sie nickt langsam und ich kann Tränen in ihren Augen glitzern sehen.
,,Ich fühle mich unsicher. Was ist wenn er zurückkommt?"
,,Wird er nicht", verspreche ich.
,,Und wenn doch?"
,,Dann werde ich trotz allem in deiner Nähe sein", sage ich, da ich ihr die Wahrheit nicht erzählen will, er wird keine Chance haben ihr irgendwann wieder nahe zu kommen, dafür hatte ich gesorgt.
,,Danke", flüstert sie.
Ich setze mich zurück auf meinen Stuhl und betrachte sie, wie sie langsam in einen, für sie, untypischen Schlaf fällt. Natürlich hatte sie schon in Nächten zuvor schwierige Phasen gehabt aber heute ist es besonders schlimm. Seufzend schiebe ich den Stuhl näher an ihr Bett und setze mich so direkt neben sie, greife vorsichtig nach ihrer Hand. Kurz zuckt sie zusammen und öffnet die Augen. Doch als sie sieht, dass nur ich es bin lächelt sie leicht, bevor sie ihre Augen wieder schließt.
Ich erwache aus meinem Schlaf, weil eine Hand mich berührt. Doch ich muss nicht aufsehen, um zu wissen, dass es Nathalia ist. Dennoch sehe ich sie an. Ich bin selbst davon überrascht, dass ich eingeschlafen war. Sie sieht aus, als wäre sie schon länger wach, jedenfalls ist sie schon viel zu fit. Ich hingegen fühle mich wie überfahren, was nicht an dem wenigen Schlaf liegt sondern vielmehr an dieser üblen Schlafposition. Mein Kopf dröhnt, mein Rücken fühlt sich an, als wäre ich ein Alter Mann. Und soglangsam kann ich Linea verstehen, wenn ich sie gut gelaunt aufwecke, denn das hier gefällt mir absolut nicht. Nathalie fängt sofort an zu reden, wobei ich das ganze nur am Rande mitbekomme. Ich kneife die Augen zusammen und erhebe mich erstmal.
,,Ich habe dir gesagt, dass du im Bett schlafen solltest", meint sie grinsend. Ich seufze.
,,Das nächste Mal höre ich vielleicht auf dich", sage ich. Sie nickt und rutscht ein Stück zur Seite.
,,Ruh dich noch aus"Ich zögere, einerseits will ich das wirklich auf keinen Fall tun, andererseits würde mir etwas Schlaf wahrscheinlich tatsächlich noch gut tun. ,,Schon gut, ich stehe sowieso auf.", meint sie und schwingt die Beine aus dem Bett.
,,Wohin gehst du?", frage ich besorgt.
,,Ich esse nur schnell etwas, Eleonora kommt in zwei Stunden etwa"
,,In Ordnung", sage ich und lege mich tatsächlich ins Bett, auch wenn ich es damals schon beschissen gefunden hatte, doch damals hatte ich wenigstens einen Grund gehabt. Ich hätte zuhause mein wirklich gemütliches Bett, aber ich würde es kaum nach Hause schaffen. Auch wenn ich bedeutend lieber neben Linea aufwachen würde als in meinem ehemaligen Krankenbett.
,,Schlaf gut", höre ich sie sagen, doch viel mehr bekomme ich nicht mit. Mein Kopf ist so schwer, dass sein Gewicht mich beinahe augenblicklich in den Schlaf zieht.
,,Du bist ganz heiß", murmelt eine Stimme undeutlich an mein Ohr. Ich kann die Augen nur einen winzigen Spalt öffnen, da ich das Gefühl habe sonst noch stärkere Kopfschmerzen zu bekommen, meine Ohren fühlen sich an, als wären sie irgendwie verstopft oder so, jedenfalls ist die Stimme sehr dumpf, doch meine Augen sehen immerhin verschwommene Umrisse. Linea. Ich komme nicht mal auf die Idee zu hinterfragen, warum sie hier ist.
,,Hm, so hast du es noch nie ausgedrückt.", sie kichert leise und lässt ihre Fingerspitzen sanft über meine Wange streichen. Ich stöhne auf, weil es sich anfühlt, als würde sie auf mich einschlagen. Statt mich weiter zu berühren rutscht sie näher an mich heran und küsst mich so leicht auf die Lippen, dass ich es kaum bemerke. Ich strecke die Hand nach ihrer Wange aus und küsse sie innig. Sie schnappt überrascht nach Luft, erwidert den Kuss dann aber gleich. Doch irgendwas stimmt nicht. Es fühlt sich gut an, sehr gut sogar aber nicht richtig. Nicht nach ihr. Doch bevor ich es schaffe die Augen weiter zu öffnen klettert sie auf meinen Schoß und küsst mich so gierig, dass mir wortwörtlich die Luft wegbleibt. Normalerweise war sie trotz allem zurückhaltender, doch diese neue Seite an ihr würde mir gefallen, wenn sie mich damit nicht gerade umbringen würde.
,,Linea.", flüstere ich und lasse meine Hand durch ihr Haar gleiten. Für einen Moment zögert sie.
,,Linea?", fragt sie irritiert. Endlich schaffe ich es meine Augen zu öffnen und zucke erschrocken zusammen.
,,Was machst du verdammt?", schnaube ich wütend und schiebe Nathalia von mir, wobei das nicht nötig gewesen wäre, denn sie macht es schon freiwillig. Sie sieht sauer aus, was ich irgendwie verstehen kann, doch auch ich bin sauer.
,,Es tut mir leid, ich...", setzt sie an und flüchtet quasi aus dem Bett. Ich spüre ihre Angst, ohne sie wirklich ansehen zu müssen. Sie ist Gewalt gewohnt und sicherlich auch Wut. Gerade aus diesen Gründen hatte ich mit ihr immer leise gesprochen. Ich sehe sie endlich an, ihre Augen sind weit aufgerissen und sie kauert an der Wand.
,,Alles gut", flüstere ich. ,,Es tut mir leid, ich...ich glaube ich sehe nicht ganz so klar gerade", sage ich ruhig und setze mich auf. Noch immer sieht sie verängstigt aus, doch sie erhebt sich ein klein wenig. ,,Ich bin nicht sauer, es war meine Schuld", füge ich hinzu und bewege mich so wenig wie möglich, was auch mir selbst zu Gute kommt.
,,Es tut mir leid, ich dachte...", flüstert sie zitternd, doch ich glaube, dass sie weniger ängstlich wirkt.
,,Ich habe dich nur verwechselt", sage ich und presse die Handflüche auf die Stirn, welche tatsächlich ein wenig warm war. Ich war selten krank, eigentlich nur als kleiner Junge und wenn ich ehrlich war kam mir das ganze nicht wirklich gelegen. Immerhin würde in wenigen Tagen unsere nächste Mission stattfinden und heute Abend wäre noch eine Besprechung deswegen.
,,Das habe ich gemerkt", meint sie ernüchtert.
,,Es hat nichts mit dir zu tun"
,,Hm, irgendwie schon", meint sie und sieht mich durchdringend an. ,,Ist sie nicht mit Jaron zusammen?"
,,Es ist kompliziert", murmle ich, da mir meine eigene Stimme in den Ohren dröhnt.
Sie lacht leise auf. ,,Ja, das merke ich", meint sie und kommt dann doch langsam wieder ans Bett, nimmt meinen Platz auf dem Stuhl ein.
,,Schön, dass du das auch so siehst", sage ich kühl.
,,Warum seid ihr dann nicht zusammen? Mag sie dich nicht?"
,,Scheinbar eher weniger"
,,Das glaube ich nicht, wie könnte man dich nicht mögen?", fragt sie, wobei ich nicht erkenne ob sie es sarkastisch oder ernst meint, ihre Stimme ist jedenfalls so gleichgültig wie die meiste Zeit. Doch mir fehlt die Kraft um sie anzusehen.
,,Tut mir leid", antworte ich.
,,Entschuldige dich nicht.", meint sie, diesmal auf jeden Fall ernst. ,,Also, kannst du es mir jetzt erklären bitte? Denn ich denke, dass sie mich mit einem Todesblick angesehen hat bedeutet schon einiges, immerhin wusste jeder, dass ich ein hilfloses Ding war und das hat sie nicht davon abgehalten."
,,Ich sagte doch, dass es kompliziert ist"
,,Dann sorg dafür, dass es das nicht ist"
,,Ich rede nicht mit dir darüber", knurre ich.
,,Ach komm schon, du hast mich sowieso nur geküsst, weil du dachtest ich wäre sie, so peinlich ist das auch wieder nicht"
,,Tut mir leid"
,,Entschuldige dich nicht", erinnert sie mich.
,,Wie du bereits gesagt hast ist sie mit Jaron zusammen, das ist besser für sie"
,,Warum besser?", fragt sie, soglangsam ging sie mir wirklich auf die Nerven, bei Linea fand ich es gut, dass sie so neugierig war, bei Nathalia stört es mich einfach nur.
,,Weil ich nicht will, dass sie mich darum bitten muss ihr zu helfen ein Kind abzutreiben, das nicht leben sollte", sage ich hart, da ich wirklich auf keinen Fall weiter darüber sprechen möchte. Sie schweigt und als ich meine Augen öffne sehe ich, dass sie gedankenverloren vor sich hin starrt. Es tut mir leid, dass ich so direkt gewesen war, doch jetzt konnte ich es nicht mehr zurück nehmen.
,,Danke, dass du sie beschützt", meint sie schließlich sanft. Überrascht sehe ich sie an, sie erwidert meinen Blick und lächelt verkrampft. ,,Und jetzt ruh dich aus, ich schicke Benedikt nachher zu dir, vielleicht ist es besser, wenn nicht Jaron kommt", meint sie spöttisch und erhebt sich vom Stuhl. Ich hasse mich jetzt schon dafür, dass sie das erfahren hat.
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