Kapitel 54

-Linea, 2. Februar, 54 nach Gründung-


Ich verbringe den Tag hauptsächlich damit an die Wand zu starren und auf Kian zu warten, wobei ich mir mindestens 100 Mal überlege, ob ich nicht einfach gehen sollte. Doch ich entscheide mich immer wieder dafür zu bleiben, immerhin würde er dann ganz einfach bei mir zuhause auftauchen. Und solange er noch nicht überprüfen konnte, ob mein Zimmer abgehört wurde war es dort zu unsicher. Seine Wohnung wird definitiv nicht überwacht.

Es ist schon ziemlich spät, als er endlich zurückkehrt. Ich will gerade etwas bissiges erwidern, immerhin hatte er versprochen, dass es nicht lange dauern wird. Doch ich beschließe es zu lassen. Ehrlicherweise hatte ich ihn vermisst, es war ziemlich langweilig gewesen hier zu sein. Und rausgehen hatte ich auch nicht können, schließlich wäre ich nicht wieder hereingekommen. Zudem sieht er ziemlich erschöpft aus. Langsam bewegt er sich auf mich zu, ich liege bereits im Bett, und ich sehe ihm dabei zu, wie er sich auf die Bettkante setzt und sich zu mir herunterbeugt. Flüchtig küsst er mich auf die Stirn, dann legt er sich zu mir. Normalerweise ließ er seine Uniform zu Hause niemals an, schon gar nicht im Bett. Wobei ich nicht von normalerweise reden konnte, immerhin war ich nicht schon immer hier gewesen. Er gähnt und streckt seine Arme aus, er muss wirklich einen anstrengenden Tag gehabt haben.

Zögernd rutsche ich an ihn heran, bis mein Gesicht seinen Hals berührt. Er legt die Arme um mich und einen Moment lang verharren wir ohne ein Wort zu wechseln in dieser Position, als hätten wir beide Angst das hier zu zerstören, sobald wir uns eventuell wieder stritten. Jedenfalls befürchtete ich das.

,,Wie war die Arbeit?", frage ich ihn schließlich leise. Er unterbricht es meinen Rücken zu streicheln, um mich ein kleines Stück wegzuschieben, sodass wir uns in die Augen sehen können.

,,Ich wurde gebissen", meint er so ruhig, dass ich mir nicht sicher bin, ob er Scherze macht oder es ernst meint. Doch er ist todernst. Dennoch kichere ich leise, schon alleine weil die Vorstellung witzig ist. Ich kenne jedenfalls nicht viele Menschen, die sich das trauen würden.

,,Du wurdest gebissen?", frage ich nach, um herauszufinden ob das wirklich passiert war oder ob er mich verarschte.

,,Von einen der Auswahlen.", meint er und verzieht das Gesicht ebenfalls zu einem grinsen.

,,Hast du sie erschossen?", frage ich provokativ und beiße mir gleich wieder auf die Lippe, immerhin wollte ich heute keinen Streit. Er reagiert kaum darauf, doch er nimmt die Hand von meiner Hüfte.

,,Nein, Linea, habe ich nicht und der andere Soldat auch nicht, falls das deine nächste Frage gewesen wäre", seufzt er. Fast will ich mich entschuldigen, doch stattdessen beschließe ich einfach nicht drauf einzugehen.

,,Zeig", sage ich und sehe ihn gebannt an. Ohne den Blick von mir zu nehmen streift er sich sein Oberteil aus und legt seinen Oberkörper frei. Ich verkneife es mir ihn anzustarren, lasse meinen Blick stattdessen über die ziemlich gut erkennbare Bissverletzung an seinem Unterarm ruhen. Ich unterlasse es ebenfalls ihm zu sagen, dass er sich dafür nicht hätte ausziehen müssen. Wobei ich mir sicher bin, dass er das weiß.

,,Wow, sie muss ja richtig sauer gewesen sein. Zurecht", sage ich und lasse meine Hand langsam über die Wunde wandern.

,,Hm, sie hat mich ein wenig an dich erinnert", meint er belustigt.

,,Ich habe dich nie gebissen", protestiere ich.

,,Das wäre sicherlich noch passiert", neckt er mich. ,,Was hast du heute gemacht?", fragt er und legt sich wieder hin. Ich lege meinen Kopf seitlich aufs Bett und sehe ihn an. Fest erwidert er meinen Blick und sieht mich interessiert an, als würde er wirklich annehmen, dass ich viel hätte machen können.

,,Was hätte ich machen sollen?", frage ich genervt. Er sieht mich nachdenklich an und scheint schließlich aufzugeben.

,,Keine Ahnung. Tut mir leid, dass ich nicht früher herkommen konnte"

,,Ich hätte ja nicht bleiben müssen", sage ich gähnend.

,,Ich bin froh, dass du es trotzdem getan hast", meint er und zieht die Decke über uns, schlingt die Arme um mich, so wie er es immer tut. Ich schmiege mich an ihn und vergrabe das Gesicht in seiner Halsbeuge. Sein Körper strahlt eine angenehme Hitze aus, welche mich schläfrig macht. Wobei ich im allgemeinen immer schlafen könnte. Wobei ich zugegebenermaßen schon viel geschlafen hatte heute.

,,Ich auch", sage ich mit bereits geschlossenen Augen.

,,Irgendwann wird es einfacher"

,,Was wird einfacher?", frage ich schlaftrunken.

,,Alleine zu sein. Du bist es nicht gewohnt, es war immer jemand da gewesen.". Ich schlage die Augen wieder auf und sehe ihn prüfend an. Er wirkt nicht traurig auch wenn es sich so angehört hatte.

,,Ich kann es mir nicht vorstellen, dass ich mich daran gewöhnen werde"

,,Das wirst du"

,,Wirst du dich dann daran gewöhnen können nicht mehr alleine zu sein?"

,,Ich kann gut alleine sein"

Ich bin ein wenig enttäuscht von seiner Aussage, lächle aber trotzdem um mir die Verletzung, welche seine Worte ausgelöst haben nicht anmerken zu lassen. ,,Das ist gut", flüstere ich.

,,Ich möchte es aber nicht...nicht mehr", sagt er schließlich. Mein Herz macht einen Sprung, ich muss instinktiv lächeln, auch wenn er nicht genau sagt, dass es an mir liegt. Doch warum sollte er es ansonsten so sagen? Andererseits ist es mindestens genauso verletzend, wie zu sagen, dass er gut alleine sein kann. Immerhin ist es absolut bescheuert noch mehr Zeit zu verbringen, wenn wir ganz genau wissen, dass wir es nicht tun sollten, nicht mal dürfen. Ich seufze und presse mein Gesicht an seine Brust, weiche aber wie immer seiner Narbe aus. Auch wenn ich mit seinen anderen Narben kein Problem hatte war diese etwas anderes. Sie erinnerte mich an die Fehler die ich vielleicht oder vielleicht auch nicht getan hatte. Seine Hand legt sich an meinen Hinterkopf.

,,Gute Nacht, Linea"

,,Gute Nacht, Kian"


Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergeht, bis ich unsanft aus dem Schlaf gerissen werde. Meiner Müdigkeit nach zu urteilen nicht annähernd genug Zeit. Verschlafen reibe ich die Augen und sehe Kian unglücklich an, welcher deutlich fitter ist als ich. Ich frage mich nicht zum ersten Mal wie er das immer schaffte.

,,Was ist dein Problem?", seufze ich und drehe mich von dem Lichtschein seiner Lampe weg, doch das sonst so schwache Licht scheint plötzlich das gesamte Zimmer zu beleuchten. Fluchend presse ich mir das Kissen gegen das Gesicht, was zwar die Helligkeit dimmt, nicht aber die penetrante Art und Weise, wie Kian mich wachrüttelt. ,,Hat dir eigentlich schonmal jemand gesagt, wie nervig du bist"

,,Steh schon endlich auf, ich bin schon ewig wach"

,,Schön für dich", maule ich und schiebe ihn von mir, was wenig bringt da er sich keinen Zentimeter wegzubewegen scheint, was ich jedoch aufgrund des Kissens nicht genau sagen kann.

,,Du bist kein Morgenmensch", meint er amüsiert.

,,Hast du ja fabelhaft erkannt, wirklich Kian. Weißt du auch, dass man nicht mitten in der Nacht aufstehen muss?"

,,Heute musst du", meint er geheimnisvoll. Meine Neugierde is definitiv geweckt, allerdings kann ich das jetzt schlecht zugeben. Stattdessen sehe ich ihn vorsichtig an, wobei ein Auge jedoch hinter dem Kissen verborgen bleibt. Tatsächlich hatte er sich etwas anderes angezogen und auch sein Bart ist verschwunden.

,,Du siehst besser mit aus", sage ich und lasse meine Hand über seine Wange wandern.

,,Gut zu wissen, steh auf", meint er streng.

,,Können wir nicht noch ein wenig schlafen?", meckere ich ihn an, aber setze mich wenigstens schonmal hin. Immerhin weiß ich ganz genau, dass ich am Ende sowieso aufstehen werde.

,,Nein, können wir nicht", seufzt er ungeduldig

,,Was hast du vor?"

,,Wirst du dann schon sehen"

,,Warum sollte ich mitkommen, wenn ich nicht weiß, ob sich das lohnt?", sage ich und verschränke die Arme vor der Brust. Er schüttelt grinsend den Kopf und reicht mir seine Hand, welche ich allerdings nicht nehmen werde, was er ganz genau weiß.

,,Ich verspreche dir, dass es dir gefallen wird"

,,Weißt du wie viel einfacher mein Leben jetzt wäre, wenn du mich nicht in einen Transporter gestopft und mich mitgenommen hättest?"

,,Würde dir dann nicht etwas in deinem Leben fehlen?"

,,Keine Spur, Kian.", sage ich, aber lächle dabei. Ich kann es mir eigentlich überhaupt nicht vorstellen ohne ihn zu sein oder ohne irgendeinen der Rebellen. Sie waren mir alle ans Herz gewachsen, egal ob ich sie persönlich kannte oder nur vom sehen. Sie waren mir alle wichtig geworden. Der Gedanke daran irgendeinen von ihnen zu verlieren macht mich traurig und wütend zugleich. ,,Vielleicht eine ganz kleine Spur", gebe ich schließlich zu.

,,Besser als nichts"

,,Was willst du machen, wenn ich mich einfach weigere mitzukommen?"

,,Mir wird schon ein Weg einfallen. Ich mache dir etwas zu essen und dann kommst du gefälligst", meint er. Man kann ihm ansehen, wie genervt er von mir ist, doch es ist mir egal. Ehrlicherweise ist es sogar ziemlich belustigend. Er ist es absolut nicht gewohnt, dass man sich ihm widersetzt, dadurch weiß er nicht was er tun soll. Dafür weiß ich besonders gut, wie ich mich ihm widersetzen kann, jedenfalls meistens. Er wirft mir noch einen genervten Blick zu, dann verlässt er den Raum. Ich setze mich auf und binde mir das Haar zu einem Zopf zusammen, ziehe mir meine eigenen Klamotten wieder an, da ich mir die letzten Tage angewöhnt hatte in seinen zu schlafen.

Tatsächlich kommt er nur wenige Minuten später mit einer Schüssel zurück. Widerwillig greife ich danach. Eigentlich habe ich keinen Hunger, doch als ich sehe, dass er mir tatsächlich Hirsebrei gemacht hat stiehlt sich ein Lächeln auf meine Lippen. Ich sehe zu ihm auf und stelle die Schüssel auf den Nachtschrank.

,,Ess jetzt", seufzt er, als hätte er gerade nicht so eine liebevolle Geste erbracht.

,,Ich verstehe nicht, warum dich jeder für ein Arschloch hält", sage ich neckend. Er tritt vor mich und sieht mich durchdringend an.

,,Nur du nennst mich so"

,,Hm, ich meinte hinter deinem Rücken", sage ich spöttisch und mache mich ein wenig größer. Er grinst schief und legt eine Hand an mein Kinn.

,,So? Tun sie das?"

Ich nicke stumm. Er sieht mich nachdenklich an und zuckt schließlich mit den Schultern. ,,Mir egal"

,,Das glaube ich nicht"

,,Es ist mir aber vollkommen egal, was die anderen über mich denken", meint er und klingt dabei tatsächlich ziemlich umbekümmert.

,,Mir ist es nicht egal", gebe ich zu und wünsche mir dabei, dass es mir auch egal sein könnte.

,,Warum nicht?"

,,Ich weiß es nicht. Ich fühle mich dabei unwohl, schätze ich. ich frage mich, was die anderen über mich denken"

,,Es sollte dir egal sein, es ist nur wichtig was die Menschen über dich denken, die dir wichtig sind", meint er sanft. Ich sehe ihn an und nicke langsam. Er hat Recht, auch wenn es mir trotzdem nicht egal sein wird.

,,Was denkst du über mich?", flüstere ich.

Er zögert, dann beugt er sich zu mir herunter, sodass unsere Köpfe auf einer Ebene sind. ,,Ich denke, dass du absichtlich herumtrödelst"

Ich stöhne genervt auf, auch wenn ein Fünkchen Wahrheit dabei ist, wobei ich daran gerade nicht gedacht hatte. ,,Kian, ich möchte eine ehrliche Antwort."

,,Und ich möchte, dass du endlich aufstehst und mitkommst, aber wir bekommen wohl beide nicht das, was wir wollen"

Ich verschränke die Hände in seinem Nacken und ziehe ihn zu mir her. Auch wenn er kurz zögert gibt er schließlich nach und lässt sich auf mich sinken, drückt mich mit seinem Gewicht ins Bett, doch überraschenderweise macht es mir nichts aus. Es ist sogar eher angenehm.

,,Ich will dich", dränge ich, auch wenn ich selbst weiß, dass er sowieso nichts tun wird.

,,Ich weiß und wie gesagt bekommen wir beide nicht das, was wir wollen", flüstert er. Frustriert seufze ich und schlinge die Beine um seine Hüfte. ,,Ich möchte, dass du jetzt sofort aufstehst und mit mir mitkommst", meint er befehlerisch. Ich lächle.

,,Hm, ich glaube es gefällt mir, wenn du mir Befehle gibst"

,,Warum kommst du meinen Befehlen dann nicht nach?", fragt er und lässt seine Lippen auf meine sinken, küsst mich hart. Sofort erwidere ich seinen Kuss und lasse meine Fingerspitzen so sanft wie möglich über seine Narbe an der Brust wandern, solange Stoff darüber liegt macht es mir bedeutend weniger aus, als müsste ich sie erst sehen um zu wissen, dass sie da ist. Er zuckt leicht zusammen, aber macht weiter damit mich wachzuküssen.

,,Ich habe keine Ahnung, was wir überhaupt machen werden, Kian"

,,Wenn du nicht mitkommst wirst du es niemals erfahren", meint er spöttisch.

,,Du bist so unglaublich nervig, Kian"

,,Hm, sagt die Richtige"

Ich lache leise und schiebe ihn, wenn auch ungerne, von mir.

,,Dann lass uns endlich losgehen."

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